Frage an Ernst Dieter Rossmann von Elisabeth S. bezüglich Verkehr
Wie haben Sie beim Tempolimit abgestimmt?
Sehr geehrte Frau S.,
herzlichen Dank für Ihre Mail zur Abstimmung über ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen in Deutschland. Sie haben mit Ihrer Forderung Recht. Auch die SPD hat bereits 2007 einen entsprechenden Beschluss für ein Tempolimit gefasst. Leider wird diese Meinung nicht vom Koalitionspartner geteilt, der eine aufkommende Diskussion in den entsprechenden Fachgremien Anfang 2019 unverzüglich beendet und damit eine auch mir unverständliche rote Linie gezogen hat.
Im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU haben wir uns darauf geeinigt, dass über das Verfahren und die Arbeit im Parlament Einvernehmen zwischen den Koalitionsfraktionen hergestellt wird. Beim Thema Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h auf Bundesautobahnen ist dies aber nun nicht der Fall, deshalb habe ich den Antrag der Grünen abgelehnt und so den Koalitionsvertrag eingehalten.
Dennoch gibt es auch aus meiner Sicht nur Argumente für ein allgemeines Tempolimit:
Eine genaue Prognose der Effekte eines allgemeinen Tempolimits auf die Unfallzahlen ist zwar nicht möglich, allerdings gibt es klare Hinweise auf einen positiven Effekt eines allgemeinen Tempolimits auf die Verkehrssicherheit. So kommt eine Untersuchung des Landes Brandenburg aus dem Jahr 2007 zu dem Ergebnis, dass die Einführung eines Tempolimits auf der A24 zwischen Wittstock/Dosse und Havelland eine effektive Reduktion der Unfallzahlen von 26,5 Prozent bewirkt habe. Ähnliche Effekte seien auch in Nordrhein-Westfalen zu beobachten gewesen.
Diese Zahlen lassen sich zwar nicht ohne weiteres auf das Gesamtnetz der Autobahnen übertragen, da die Effekte eines nicht nur streckenabschnittsweise-begrenzten Tempolimits nicht kalkuliert werden können. Dennoch gehen seriöse Schätzungen davon aus, dass ein allgemeines Tempolimit die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten um 80 bis 140 Fälle reduzieren könnte. Fakt ist, dass 42 Prozent aller schweren Unfälle auf Autobahnen sogenannte Geschwindigkeitsunfälle sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahl der schweren Unfälle stark rückläufig wäre, ist damit hoch. Neben der Zahl der Getöteten ist auch die Zahl der Schwerverletzten durch Unfälle auf Bundesautobahnen ein wichtiger Faktor, der durch die Geschwindigkeitsbegrenzung reduziert werden könnte.
Auch mit Blick auf den Klimaschutz ist ein großes Einsparpotential von CO2-Emmissionen zu erwarten. Der Kraftstoffverbrauch hängt exponentiell mit der Geschwindigkeit zusammen. Ein Pkw verbraucht bei 160 km/h bis zu 35 Prozent mehr Kraftstoff als bei 130 km/h. Die AG1 der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität kommt zu dem Schluss, dass 1,2 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden könnten. Der ADAC spricht sogar von bis zu 2 Millionen Tonnen – und all dies, ohne nennenswerte Kosten. Gemessen am Gesamtvolumen der angestrebten Minderung im Verkehrssektor bis 2030 von ungefähr 60 Millionen Tonnen wäre dies ein erheblicher Beitrag.
Ich möchte auch noch mal darauf hinweisen, dass Bündnis 90/Die Grünen bei einem derartigen Antrag im Schleswig-Holsteinischen Landtag oder Baden-Württembergischen Landtag ebenso wenig für ein Tempolimit stimmen können, da das Tempolimit nicht einmal im Koalitionsvertrag erwähnt worden ist.
Es ist also Zeit, solange die CDU/CSU bedingungslos blockiert und SPD wie Bündnis 90/Die Grüne in ihren jeweiligen Koalitionen nicht an der CDU/CSU vorbeikommen, auch neue Überlegungen mit ins Gespräch zu bringen. Eine Überlegung von mir ist, dass ein Kompromiss darin liegen kann, diese Entscheidung den Bundesländern freizustellen oder – eine andere Überlegung – generell auf Tempo 130 zu gehen, aber in einigen geeigneten Abschnitten die Geschwindigkeit auch über 130 km/h hinaus freizugeben, also das umgekehrte Prinzip. Und noch einmal: Das Beste wäre 130 als Regel. Aber für diese Frage lassen offensichtlich weder Bündnis 90/Die Grünen noch die SPD – noch eine andere Partei – eine Koalition platzen.
Mit freundlichen Grüßen
Ernst Dieter Rossmann