Frage an Ernst Dieter Rossmann von Rainer W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Rossmann,
Ich möchte niemals fremdes menschliches Gewebe oder Organe erhalten und halte diese Behandlung aus medizinischer Sicht, nicht nur für völlig ungeeignet, sondern i.d.R. für extrem schädlich. Auch soll kein Mensch sein Leben auf diese schrecklichste Art und Weise, durch Zerstückelung wie auf einem Schlachttisch, verlieren und bis hin zu Knorpelstücken oder Kniegelenken verpackt und verschickt werden.
Die Verdinglichung des Menschen als Medikament, ist für mich der absolute Maßstab von Menschenunwürdigkeit.
Tatsächlich gibt es Menschen, die gegen eine Zerstückelung Ihres Körpers nichts einzuwenden haben, auch nicht gegen den Einbau von fremden Geweben und Organen.
Beide Einstellungen lassen sich verbinden, wenn Menschen sich als Spender registrieren lassen könnten und für jedes Jahr seit der Erklärung der Spendebereitschaft, Punkte kriegen würden, für eine bevorzugte Organ-/Gewebezuteilung im Bedarfsfall. Organerkrankten, die nicht registriert sind, aber aus speziellen Gründen kurzfristig ein Organ/Gewebe brauchen, könnten nach Ihrer Registrierung sofort Zugang zu der Vergabe haben, z.b. durch ein Notfallkontingent auch ohne gesammelte Punkte. Als "Geschlossener Club" gibt es viele Möglichkeiten des Kennenlernens, was die Erfolgsaussichten einer Übertragung, durch bekannte Menschen, erhöht.
Bei denen, die nicht registriert sind bzw. sich bei einer Erkrankung auch nicht registrieren wollen, soll es bei Strafe verboten sein, Organe/Gewebe als Therapie zu verabreichen oder auch zu entnehmen. Dies kommt all den Menschen zugute, die befürchten, im bewußtlosen Zustand nicht widersprechen zu können und nach einer OP mit fremden Organen/Geweben aufzuwachen.
Der amtierende Präsident der Ärztekammer hat dieses Prinzip thematisiert https://www.waz.de/politik/aerztepraesident-organspende-bereitschaft-mit-vorzug-belohnen-id226233671.html .
Wurde dieses Vorgehen diskutiert bzw. welche Erfolgsaussichten würden Sie diesem Vorgehen geben?
Sehr geehrter Herr W.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich des Vorschlages von Ärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt, der die Belohnung der Organspende-Bereitschaft durch den bevorzugten Empfang eines Spenderorgans vorsieht.
Ich möchte mich diesem Vorschlag nicht anschließen, weil wir Spenderorgane nach medizinischer Bedürftigkeit und nicht nach der ethischen Entscheidung von Menschen über die Bereitschaft für grundsätzliche Spendereigner-Organe priorisieren sollten. Das Ziel muss in jeden Fall immer sein, dass wir genug Spender und Organe haben, um den davon Betroffenen helfen zu können.
Erlauben Sie mir noch eine grundsätzliche Bemerkung: Bei der Entscheidung, ob sich jemand als Spender registrieren lassen oder ein Spenderorgan annehmen möchte, handelt es sich um eine grundlegende ethische Frage, die jeder für sich persönlich beantworten muss. Für eine offene Diskussion über das Thema der Organspende habe ich zum Beispiel bereits im Oktober 2018 im Wahlkreis ein Bürgergespräch geführt. Denn Daten zeigen, dass es ein großes Ungleichgewicht gibt: In 2018 haben gerade mal 955 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe gespendet, während 9 000 Patienten auf eine Organtransplantation warteten. Eine aktuelle Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt jedoch, dass rund 84 Prozent der Menschen einer Organ- und Gewebespende eher positiv gegenüber stehen. Ein sehr hoher Anteil, der sich nicht in der Anzahl der Menschen mit Organspendeausweis widerspiegelt, denn hier sind es nur 36 Prozent.
Aus diesem Grund befasst sich der Bundestag mit einer Neuregelung der Organspende, um die Bereitschaft der Menschen, sich als Organspender zu registrieren, weiter zu fördern. Die neue Regelung soll nun ermöglichen, dass mehr Organtransplantationen durchgeführt werden und somit Leben gerettet werden können. Konkret werden zwei Gesetzesentwürfe diskutiert, ein-mal basierend auf einer Widerspruchslösung und als Alternative die Entscheidungslösung. Mit der Widerspruchslösung wären alle Bürgerinnen und Bürger, die 16 Jahre alt sind, automatisch Organspender. Wenn sie nicht spenden wollen, können sie jederzeit widersprechen. Die Entscheidungslösung hingegen setzt weiterhin auf eine freiwillige Entscheidung und ausdrückliche Zustimmung zu einer späteren Organspende.
Das Ziel der beiden Modelle ist, grundsätzlich die Anzahl der Organtransplantationen zu steigern. Bürgerinnen und Bürger sollen sich aktiv mit dem Thema der Organspende auseinander-setzen und eine freie und informierte Entscheidung treffen. In einem Modell, wie es zum Bei-spiel von Herrn Reinhardt vorgeschlagen wird, ist dies nicht mehr gegeben. Die individuelle Entscheidung würde beeinflusst werden, sobald ein Vorteil in Form einer Begünstigung hinsichtlich des Empfangs eines Spenderorgans im Zuge der Registrierung als Spender geschaffen wird. Darüber hinaus sollte die Zuweisung eines Spenderorgans nicht von einem Ausweis abhängen, sondern medizinischen Kriterien unterliegen und dem Patienten zugewiesen werden, der es am meisten braucht.
Auch in der SPD-Bundestagsfraktion wurde und wird das Thema Organspende intensiv diskutiert und dabei wird natürlich auch über alternative Ideen und Konzepte gesprochen. Da es sich hierbei aber um ein sensibles Thema handelt, kann und will ich nicht über die „Erfolgsaus-sichten“ einzelner Vorschläge spekulieren. Mein Eindruck ist, dass sich einer der beiden beschriebenen Vorschläge durchsetzen wird und ich weiß, dass kein Abgeordneter diese Entscheidung leichtfertig treffen wird.
Eine Regelung, die registrierte Spender und Angehörige bevorzugt, wurde in Israel eingeführt um länderspezifischen Herausforderungen entgegenzuwirken, die nicht übertragbar auf Deutschland sind. Aus diesem Grund ist es richtig und wichtig, dass eine deutsche Neuregelung die aktive Auseinandersetzung mit der Organspende stärkt. Auch wenn ich in Berlin ja vor allem als Bildungspolitiker unterwegs bin, hoffe ich, dass Sie meine Antwort aufschlussreich finden und bedanke mich nochmals herzlich für Ihre Anfrage.
Mit freundlichen Grüßen
Ernst Dieter Rossmann