Frage an Ernst Dieter Rossmann von Salvatore P. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Rossmann,
vielen Dank für Ihre Antwort. Sie verurteilen darin, die Wortwahl eines ALG2-Empfängers, die in ihrer Subjektivität aber in meinen Augen ein Aspekt der von ihm erlebten Realität widerspiegelt . Ich selbst bin zwar glücklicherweise nicht von dieser Abhängigkeit betroffen, zumindest nicht unmittelbar, indirekt denke ich aber schon, da sich die Drohung des sozialen Falls bei Verlust der Arbeit bei mir und vielen anderen Kollegen als Angst und große Verunsicherung ausdrückt. So versuche ich die Wahrnehmung dieses Betroffenen nachzuvollziehen und frage mich, warum so viele - nicht nur unter den unmittelbat Betroffenen - das so empfinden.
Ich empfehle Ihnen und Ihren Kollegen, die die politische Grundlage für diese neuen Verhältnisse mit geschaffen haben, den Besuch des Erwerbslosenforums, dort können Sie anhand der vielen konkreten Erfahrungsberichte sich ein authetisches Bild des Lebens dort unten machen. Und ich meine, diese Menschen, so wenige sind es ja mittlerweile nicht mehr, vertreten Sie doch auch.
Sie schreiben, dass wir in einem funktionierenden Sozialstaat mit einem hohen Niveau der sozialen Sicherung leben. Mein Wunsch wäre das, von ganzem Herzen. Aber warum steigt dann die Zahl der Menschen, die z.B. von der kostenlosen Lebensmittelausgabe auf den so genannten Tafeln abhängig sind? Ist das auch ein Ausdruck eines funktionierenden Sozialstaats auf hohem Niveau?
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/nachrichten/armut-berlin-drk-kleiderkammern-berliner-tafel/85173.asp
Mit freundlichen Grüßen
Salvatore Pantó
Sehr geehrter Herr Pantó,
ich bestreite nicht, dass Hartz-IV-Empfänger in einer sehr schwierigen Lebenslage sind und dass Arbeit (neben Gesundheit, Bildung etc.)eines der wichtigsten Güter in unserer Gesellschaft ist. Dennoch kann ich es nicht oft genug sagen, dass ich es unerhört finde, die BRD in dieser Hinsicht mit einem "Vernichtungslager" zu vergleichen.
Die Hartz-IV-Leistungen gewährleisten das Mindeste, was ein Mensch zum Leben, Wohnen etc. braucht. Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass ehemalige Sozialhilfeempfänger, die erwerbsfähig sind, heute mit Hartz IV besser gestellt sind als früher. Grundsätzlich gebe ich Ihnen Recht, dass wir mehr gegen Verarmung, Ausgrenzung und auch Ausbeutung tun müssen. Auch deshalb kämpft die SPD für tarifliche und gesetzliche Mindestlöhne, für eine bessere Arbeitsvermittlung und für mehr Bildungschancen etc.
Auf der anderen Seite finde ich es keine Schande, wenn Menschen, die wenig Geld haben, Kleiderkammern besuchen oder Beratungsstellen. Die Sozialverbände und Kirchen leisten (nicht nur) damit auch einen kleinen, aber hilfreichen Beitrag zum Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes, das eben nicht nur den Staat, sondern auch die gesellschaftlichen Kräfte und Institutionen auf dieses Gebot verpflichtet. Im Übrigen: Wenn wir so viel vom Staat erwarten, müssten wir auch bereit sein, wie in Skandinavien, mehr Steuern zu zahlen bzw. den Steuerbeitrag derjenigen, die zahlen könnten, endlich direkter und konsequenter zu erfassen.
Ich ärgere mich auch über die Jahresgehälter einiger Manager, über die Verlegung von Arbeitsplätzen ins Ausland und über die Steuerflucht mancher Gutverdienenden. Aber glauben Sie mir, vor allem wir Sozialdemokraten zerbrechen uns tagtäglich den Kopf, wie wir alles verbessern können, die Welt gerechter gestalten können, auch wenn dieses im Zeitalter der Globalisierung aus vielfältigen Gründen schwer geworden ist.
In diesem Sinne bitte ich Sie um Ihre Unterstützung auf einer sachlichen Ebene.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB