Frage an Ernst Dieter Rossmann von Niklas J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Rossmann,
ich habe zwei Fragen/Anliegen an Sie und wurde von abgeordnetenwatch.de gebeten diese zusammenzufassen.
Meine erste Frage betrifft Artikel 38 des Grundgesetzes. Bundeskanzlerin Merkel hat für die Abstimmung über die Ehe für alle den sogenannten Fraktionszwang aufgehoben. Ich würde gerne wissen wie dieser mit Artikel 38 des Grundgesetzes vereinbar ist?
Soweit ich das verstehe geht dort ziemlich deutlich hervor, dass es einen Fraktionszwang gar nicht geben dürfte.
Zu meinem zweiten Anliegen würde ich mich gerne der Frage von Herrn Balack anschließen, die Sie am 23.06. beantwortet haben. Dort schreiben Sie:
"Fakt ist doch: Wollen wir Terroristen frühzeitig stoppen, damit Attentate
wie zu Weihnachten 2016 in Berlin und andere Straftaten verhindert bzw.
schneller aufgeklärt werden, dann müssen wir früher zugreifen können."
Fakt ist in Wahrheit doch, dass die Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste bereits schon genügend Informationen haben. Gerade im Fall Anis Amri wurde das durch die mediale ausführlich behandelt.
Vielmehr habe ich das Gefühl das BKA, BND und Co. durch die Flut an Informationen aus der allgemeinen Überwachung überfordert sind und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.
Zusätzliche Überwachungsgesetze zu verabschieden, statt die bisherigen Möglichkeiten effizienter auszuschöpfen ist daher für mich in keinerlei Weise nachvollziehbar.
Großbritannien und Frankreich haben mit unter eine noch schärfere Überwachung als wir, geholfen hat es offenbar dennoch nicht.
Ich würde mich freuen, wenn Sie mir erläutern könnten warum Ihrer Meinung nach die neuen Überwachungsgesetze nicht bloß politischer Aktionismus sind.
Mit freundlichen Grüßen
Niklas Junge
Sehr geehrter Herr Junge,
herzlichen Dank für Ihre Frage vom 28. Juni 2017 über abgeordnetenwatch.de.
Was Artikel 38 des Grundgesetzes betrifft, will ich den entscheidenden Satz an dieser Stelle zitieren: „Sie [die Abgeordneten] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Sie haben insofern vollkommen Recht, als dass es einen Fraktionszwang im Deutschen Bundestag nicht gibt.
Eine erfolgreiche politische Arbeit im Wohle aller in Deutschland lebenden Menschen beruht allerdings auf Stabilität, Kontinuität und Verlässlichkeit. Darum brauchen wir im deutschen Parlament eine Fraktionsdisziplin für die Abgeordneten. Denn die Regierungsfraktionen müssen dafür Sorge tragen, dass die erarbeiteten Gesetzesvorschläge von ihren Abgeordneten auch mehrheitlich beschlossen werden, um in Kraft treten zu können. Bestünde keine Fraktionsdisziplin, wäre die parlamentarische Arbeit sehr viel langwieriger, zermürbender und insgesamt wenig fruchtbar. Regierungen, die aus mehreren Parteien gebildet werden, überhaupt Gruppen beziehungsweise Fraktionen, in denen unterschiedliche Interessen bestehen, sind zum Wohle aller stets gezwungen, Kompromisse zu schließen. Die Fraktionsdisziplin sollte jedoch in ethischen Gewissensentscheidungen aufgelockert werden.
Zu Ihrer Frage nach den zusätzlichen Überwachungsgesetzen: Ich kann Ihre Bedenken verstehen, allerdings bin ich nach wie vor der Meinung, dass wir die Schlupflöcher, die durch die zunehmende Technologisierung und Digitalisierung entstehen, sehr ernst nehmen sollten. Terroristen und solche, die terroristische Attentate planen, sollen durch die neuen Möglichkeiten, die uns die Quellen-Telekommunikationsüberwachung gibt, von Anfang an demotiviert und schneller dingfest gemacht werden. Der Kampf gegen den Terror findet genauso auch in der virtuellen Welt statt –und wir müssen versuchen, den Terroristen mindestens ein, zwei Schritte voraus zu sein.
Da Sie den Fall Anis Amri ansprechen: Hier handelt es sich meiner Meinung nach und zu meinem großen Bedauern um behördliches Versagen. Andererseits tragen aber die Strafverfolgungsbehörden und die Geheimdienste erheblich mit dazu bei, dass die Bundesrepublik sicherer wird. Es sind in unserem Land schon einige terroristischen Angriffe verhindert worden – wie etwa im Fall der Sauerland-Gruppe, die im September 2007 festgenommen werden konnte.
Die Quellen-Telekommunikationsüberwachung wird in solchen Fällen noch besser greifen. Für mich ist das kürzlich beschlossene Gesetz daher wirklich kein politischer Aktionismus, sondern eine Reaktion auf neue Kommunikationsformen und ein weiterer Schritt hin in Richtung „Aufspüren“ terroristischer Absichten und mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, die in Deutschland leben.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte, und danke Ihnen nochmals für Ihre Anfrage.
Mit freundlichen Grüßen
Ernst Dieter Rossmann, MdB