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Ernst Dieter Rossmann
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Frage von Felix R. •

Frage an Ernst Dieter Rossmann von Felix R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Rossmann,

Sie schrieben hier am 15.11.2007 unter anderem Folgendes:

"Ich habe trotz meiner Bedenken dem Gesetzentwurf zugestimmt, weil es in der Gesamtschau der Änderungen den Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern unserer Fraktion offensichtlich gelungen ist, hohe Hürden für die Umsetzung dieser problematischen Restriktionen einzuziehen."

http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_ernst_dieter_rossmann-650-5899--f77116.html#q77116

Seitdem hat sich einiges an den damaligen Gegebenheiten geändert.
Ich würde nun gerne von Ihnen wissen wie sich ihre Haltung in diesen bald 8 Jahren geändert hat.

Mit freundlichen Grüßen,
Felix Riegler

Portrait von Ernst Dieter Rossmann
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Riegler,

herzlichen Dank für Ihre Nachricht zum Thema Vorrastdatenspeicherung (VDS).
Wie Sie richtig schreiben, ist die VDS ein Thema, das mich die letzten Jahre begleitet hat. In der Vergangenheit mussten dabei immer politische Kompromisse geschlossen werden und Abstimmungen über die VDS sind mir nicht immer leicht gefallen. In diesem Schreiben möchte ich Ihnen den aktuellen Sachstand, die Position der SPD-Bundestagsfraktion und meine persönliche Einschätzung übermitteln:
Die Mitgliedstaaten in Europa wollten mehrheitlich Speicherfristen von zwei Jahren. Brigitte Zypries, die damalige Bundesjustizministerien, hatte gegen harten Widerstand eine Speicherfrist von maximal sechs Monaten in die Richtlinie verhandelt. Inzwischen haben sich diese Randbedingungen glücklicherweise deutlich verändert: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 8. April 2014 die bestehende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für rechtwidrig erklärt ( http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2014-04/cp140054de.pdf ). Sie ist mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht vereinbar. Die Speicherung von Kommunikationsdaten ohne Verdacht auf Straftaten ist danach nicht zulässig. Über diese Entscheidung des EuGH war ich sehr froh. Es ist ein Urteil, das sich in die Grundbewertung des Bundesverfassungsgerichts und dessen Urteil sehr gut einfügt.

Es gibt allerdings unterschiedliche politische Interpretationen des Urteils. So sieht Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Mindestspeicherfristen alias Vorratsdatenspeicherung noch immer ein wichtiges Mittel für die Aufklärung schwerer Straftaten. Neben de Maizière wird der fachliche Bedarf der Vorratsdatenspeicherung auch von der Innenministerkonferenz der Länder und sogar vom Deutschen Richterbund als „unerlässliches Instrument gegen die Verbrechensbekämpfung“ gefordert.
Am 15. April hat nun Bundesjustizminister Heiko Maas Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vorgelegt ( http://www.bmjv.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2015/20150415_Leitlinien-HSF.html?nn=3433226 ). Mit diesem Vorschlag wird eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten der elektronischen Post – also Email – eingeführt. Gerade in der Großen Koalition ist der Entwurf von Heiko Maas, nun eine Speicherfrist von zehn Wochen für Verkehrsdaten bzw. vier Wochen für Funkzellen rausverhandelt zu haben, ein großer Erfolg.
Oberste Richtschnur aller Regelungen sind für uns die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes. Die von Bundesjustizminister Maas vorgelegten Leitlinien sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene europäische Richtlinie und auch viel restriktiver als CDU/CSU es wollen:
- Gespeichert werden müssen nur genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telefonkommunikation anfallen (Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen). Diese Daten sollen zehn Wochen gespeichert werden.
- Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Diese kurze vierwöchige Speicherfrist ist vorgesehen, weil über Funkzellendaten der Aufenthaltsort des Mobilfunknutzers bestimmt werden kann und wir nicht wollen, dass mittels dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen ist. Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikationsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespeichert werden.
- Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Datenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten möglich. Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden.
- Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Im Vergleich zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist der von Minister Maas vorgelegte Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Der Abruf von Daten wird nur für schwerste Straftaten möglich sein. Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert werden. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Diensteanbieter zur Folge.
- Die Leitlinien enthalten zudem eine datenschutzrechtliche Verbesserung zur geltenden Rechtslage: Das Gesetz wird die Befugnis der Ermittlungsbehörden zum Abruf der genannten Daten abschließend regeln. Speichert ein TK-Anbieter die Daten über den verpflichtend vorgegebenen Zeitraum auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage, z.B. zu Zwecken der Vertragserfüllung, weiterhin, so ist der Abruf nach diesem Gesetz dennoch nach Ablauf der 10 bzw. 4 Wochen untersagt.
- Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu gewährleisten, werden die Diensteanbieter zudem verpflichtet, die Daten zu schützen. Auch müssen die Server, auf denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutschlands stehen. Wenn ein Diensteanbieter mit den gespeicherten Daten Datenhandel treibt und diese unbefugt an Dritte weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei.

Die Leitlinien sind eine gute Grundlage für die weitere Debatte und das anstehende parlamentarische Verfahren. Der Bundestag wird über den Entwurf Anfang Juli in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause debattieren. Am 20. Juni fand der SPD-Parteikonvent statt, auf dem der verschiedenen Position innerhalb der SPD über die geplante Vorratsdatenspeicherung diskutieren wurden. Dort wurde mehrheitlich den Regierungsplänen zur Vorratsdatenspeicherung zugestimmt.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird dafür Sorge tragen, dass sich die obigen Grundsätze ohne Ausnahmen und Abstriche auch in den gesetzlichen Detailregelungen wiederfinden. Ich bin mir sicher, dass am Ende ein ausgewogener Kompromiss stehen wird. Deutschland hätte damit zugleich die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsdaten in ganz Europa.

Mit besten Grüßen
Ernst-Dieter Rossmann