Frage an Ernst Dieter Rossmann von Anton S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Tag Frau Verlinden,
ich mache gerade eine Ausbildung zum Agrarwirtschaftlich technischen Assistenten.
Im Politikunterricht diskutieren wir gerade die Auswirkungen von TTIP auf die Agrarwirtschaft. Die USA sind der größte Agrarexporteur der Welt. Durch TTIP werden amerikanische Unternehmen in der Lage sein Agrarprodukte zu besseren Konditionen auf den europäischen Markt zu bringen. Dies wird erhebliche Einflüsse auf die Preise von Agrarprodukten und Saatgut haben. Wie wollen Sie trotz diesen erhöhten Konkurrenzdruck stabile Preise gewährleisten ? Zusätzlich wird durch dieses Abkommen für Entwicklungsländern ein immenser Wettbewerbsnachteil erzeugt, da sie nicht nur mit der hochentwickelten Landwirtschaft der USA konkurrieren müssen, sondern auch die verbesserten Handelsbedingungen der USA ausgleichen müssen. Wie wollen sie verhindern das Entwicklungsländer, welche oft einen Großteil ihres BIP durch Agrarexporte bestreiten, unter diesem Preisdruck leiden und die Armutsprobleme in diesen Ländern verstärkt werden?
Mit freundlichen Grüßen
Anton Schopf
Sehr geehrter Herr Schopf,
herzlichen Dank für Ihre Fragen vom 10. April 2015 über abgeordnetenwatch.de. Viele Bürgerinnen und Bürger haben mich in den letzten Wochen zum Themenkomplex TTIP angeschrieben. Daher und da es sich um ein aktuelles Thema mit häufig neuen Informationen und Sachständen handelt, hat sich die Antwort bis jetzt verzögert, wofür ich mich entschuldigen möchte. Gerne möchte ich Ihnen aber auf Ihr Schreiben etwas ausführlicher antworten. Das Thema TTIP beschäftigt mich in den letzten Monaten intensiv. Ich tausche mich in zahlreichen Gesprächen mit anderen Bundestagsabgeordneten, mit Freunden und Bekannten und im Rahmen unzähliger Fachkonferenzen über das Freihandelsabkommen aus. Dabei muss ich allerdings darauf hinweisen, dass Handelspolitik nach unseren europäischen Verträgen vorrangig eine Aufgabe der europäischen Politik-Organe ist, als von Kommission, Europa-Parlament und Rat.
So wird derzeit im Europäischen Parlament ein Bericht über "Empfehlungen an die Kommission für die Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" erarbeitet. Der federführende Ausschuss ist der Ausschuss für internationalen Handel (INTA), jedoch sind zahlreiche weitere Ausschüsse mitberatend. Möglicherweise könnten die jeweiligen Stellungnahmen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI), des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) und des Ausschusses für Entwicklung (DEVE) interessant für Sie sein.
AGRI-Ausschuss:
ENVI-Ausschuss:
DEVE-Ausschuss:
Darüber hinaus hat das Europäische Parlament eine Studie (in Englisch) in Auftrag gegeben, die sich mit entsprechenden Fragen beschäftigt:
http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2014/514007/AGRI_IPOL_STU(2014)514007_EN.pdf
Sehr geehrter Herr Schopf,
auf die Gefahren des TTIP für Entwicklungsländer wurde mehrfach hingewiesen, zuletzt auch von Brot für die Welt: https://info.brot-fuer-die-welt.de/sites/default/files/blog-downloads/folgen_von_ttip_auf_entwicklungs-_und_schwellenlaender.pdf. Ich nehme diese und Ihre Sorgen sehr ernst und werde mich auch im Rahmen meiner Möglichkeiten auch mit diesen Aspekten auseinandersetzen. Speziell in der Stellungnahme des Entwicklungsausschuss wird ein wichtiger Punkt benannt: Der Dialog mit den Entwicklungsländern muss noch vertieft werden, um das Potenzial des TTIP zur Schaffung neuer Möglichkeiten für Entwicklungsländer im weltweiten Handelsgeschehen zu bewerten und möglichst zu stärken. Die Einbeziehung von Entwicklungsländern in globale Wertschöpfungsketten muss gewährleistet sein. Ebenso darf die Annahme des TTIP nicht zur Abschwächung der Bedeutung der WTO führen, sondern muss zu einem gerechten und nachhaltigen Welthandelssystem beitragen. Dadurch werden die für Entwicklungsländer wichtigen Themen wie Ernährungssicherheit, Agrarsubventionen und Klimaschutz nicht außer Acht gelassen.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten streiten sowohl im Bundestag als auch im Europäischen Parlament für ein gutes Handelsabkommen, das global nachhaltiges Wachstum stärken soll und einen wichtigen Beitrag leisten kann, die derzeit ungezügelte Globalisierung an die Leine zu legen. Die Bedingungen hierfür sind klar: die Anerkennung hoher Standards, eine faire gegenseitige Öffnung der Märkte, der Schutz der Daseinsvorsorge, der kulturellen Vielfalt sowie der Verbraucher- und Umweltstandards.
Speziell Ihr Schreiben nehme ich noch einmal zum Anlass, einigen Fragen nachzugehen:
1. Werden einseitige Vorschriften für die US-Agrarproduktion kommen, oder gibt es sowohl für die USA wie für Europa einen intensiven Handelsaustausch von Agrarprodukten?
2. Kann und soll man wirklich stabile Agrarpreise garantieren ( wo doch starke Kräfte in der deutschen/europäischen Agrarwirtschaft massiv auf Liberalisierungen mit allen Risiken und Chancen drängen) und was heißt das für Mindestpreise als Instrument einer zukünftigen Agrarpolitik?
3. Wie steht es um die Marktstellung für alle Agrarproduktionen aus Entwicklungsländern nach Europa und in die USA und müssen hier nicht parallel die Schranken abgebaut werden? Was wird hier parallel verhandelt?
4. Ist das Problem der Entwicklungsländer die Preiskonkurrenz oder die Marktherrschaft, z.B. auch der EU gegen deren Produkte?
Mit freundlichen Grüßen