Frage an Ernst Dieter Rossmann von Simon G.
Sehr geehrter Herr Dr. Rossmann,
der Antrag der Grünen zur Ablehnung der Schiedsverfahren erscheint mir notwendig und wird auch von der SPD unterstützt. Die SPD hat den Antrag nun jedoch abgelehnt mit dem Hinweis man sollte erst warten bis die Verträge fertig sind und es dann wieder herausverhandeln. Diese Begründung kann ich nicht nachvollziehen. Wenn doch alle (bis auf die CDU/CSU) einig sind, warum geht man das Thema nicht gleich konsequent an?
Vielen Dank für eine gerne auch kurze Stellungnahme zu Ihrem Abstimmungsverhalten.
Simon Graf
Hier zur Vollständigkeit der Text zum Antrag und der Begründung der SPD:
Die Grünen-Fraktion verfolgte mit ihrem Antrag (18/1458) das Ziel, dass sich die Bundesregierung im Europäischen Rat für die Ablehnung von außergerichtlichen Schiedsverfahren einsetzt. Hiermit sollte erreicht werden, dass in den Freihandelsabkommen TTIP und CETA keine Gelegenheit eingeräumt wird, dass Konzerne Staaten vor internationalen Schiedsgerichten (außerhalb der ordentlichen staatlichen Gerichtsbarkeit) verklagen können.
Die SPD-Fraktion verdeutlichte, dass die Schiedsgerichtsverfahren und den Investorenschutz aus den Verträgen zu TTIP und CETA entfernt werden müssten. Eine solche Entscheidung stehe jedoch erst an, wenn die vollständigen Verträge innerhalb des Bundestages zur Debatte stünden.
Sehr geehrter Herr Graf,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 27. Januar über abgeordnetenwatch.de. In den vergangenen Wochen und Monaten haben mir viele Bürgerinnen und Bürger geschrieben und ihre Sorgen wegen der Freihandelsabkommen CETA und TTIP geäußert. Bitte erlauben Sie mir, dass ich zunächst auch auf die Stellungnahme auf meiner Webseite http://edr-pi.de/wp-content/uploads/2014/12/Rossmann-f%C3%BCnf-Festellungen-CETA-TTIP.pdf sowie einige weiterführenden Informationen und Stellungnahmen zu diesem hochkomplexen Thema verweise:
· Umfangreiche TTIP-Broschüre http://www.bmwi.de/DE/Mediathek/publikationen,did=637448.html des Bundewirtschaftsministeriums (BMWi)
· Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Ttip/faqs,did=630990.html?view=renderPrint (BMWi)
· Die klare Position unserer Fraktionsspitze http://edr-pi.de/wp-content/uploads/2014/12/Position-der-SPD-Bundestagsfraktion-zum-Verfahren-CETA-TTIP.pdf zum aktuellen Verfahrensstand.
· Eine Erklärung meines SPD-Bundestagskollegen Matthias Ilgen http://edr-pi.de/wp-content/uploads/2014/12/MATTHIAS-ILGEN-PM.pdf aus Schleswig-Holstein, der Mitglied im zuständigen Wirtschaftsausschuss ist, die zu großen Teilen auch meiner Überzeugung entspricht.
· Zwei Basisdokumente mit Beschlüssen des DGB und des SPD-Parteivorsitzenden http://edr-pi.de/wp-content/uploads/2014/12/20140919_ttip_anforderungen_bmwi_dgb.pdf Sigmar Gabriel sowie des SPD-Parteikonvents http://edr-pi.de/wp-content/uploads/2014/12/20140920_parteikonvent_beschluss_ttip.pdf zum TTIP mit Mindestanforderungen an die Freihandelsabkommen.
· Die Ergebnisse der Anhörung zu CETA http://edr-pi.de/wp-content/uploads/2014/12/hib-CETA-Anh%C3%B6rung.pdf im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des deutschen Bundestages am 15.12.14.
Beide Themen sind noch im Fluss und ich darf Ihnen - aus meiner tiefen eigenen Überzeugung heraus - versichern, dass wir in der Sozialdemokratie Ihre Sorgen sehr ernst nehmen und auch durchaus sehr kontrovers darüber diskutieren, wo am Ende das beste Ergebnis liegt.
Wir werden uns in den nächsten Monaten jedenfalls weiter intensiv mit CETA, TTIP und TiSA beschäftigen und dafür sorgen, dass alles möglichst offen und transparent beraten wird. Die SPD veranstaltet gemeinsam mit der SPD-Bundestagsfraktion am 23. Februar eine große Konferenz zum Thema Freihandelsabkommen in Berlin. Hier diskutieren wir mit namhaften Experten, um die SPD-Position zu diesem Thema weiter zu entwickeln. Im Vorfeld der Veranstaltung haben auch Sie hier http://spd-freihandelskonferenz.de/ die Möglichkeit, Fragen zum Themenkomplex CETA/TTIP einzureichen und den Meinungsbildungsprozess so zu beeinflussen. Ich werde hierzu auch selbst weitere Veranstaltungen in meinem Wahlkreis organisieren. Zwei sind schon durchgeführt worden.
Besonders den auch von Ihnen angesprochenen Aspekt mit den Schiedsgerichten werden wir uns in der weiteren Diskussion genauer anschauen. Bezüglich des von Ihnen angesprochenen Antrages der Grünen finden Sie auf bundestag.de auch eine Zusammenfassung der Debatte http://www.bundestag.de/presse/hib/2014_09/-/330642 sowie die SPD-Position hierzu: „Die SPD-Fraktion sprach sich dafür aus, die Regelungen zur Schiedsgerichtsbarkeit und zum Investitionsschutz aus beiden Abkommen heraus zu verhandeln. Ein Sprecher der Fraktion warnte vor Extrempositionen und verlangte, man müsse auch die Vorteile der Freihandelsabkommen sehen. Danach könne man darüber sprechen, wo die roten Linien seien. Eine Befassung des Bundestages mit beiden Verträgen werde frühestens Mitte 2015 erwartet.“ Ich kann mich dieser Position nur anschließen und hoffe, Ihnen dabei mein Abstimmungsverhalten etwas verständlicher gemacht zu haben.
Gleichzeitig kann ich verstehen, dass es aus externer Perspektive schwierig zu verstehen ist, warum sich die SPD in Zuge dieser Debatte Ende September 2014 auch gegen einen Antrag der Fraktion Die Linke gewandt hat, der inhaltlich auf einem SPD-Beschluss basiert und ebenfalls die Ablehnung der Schiedsgerichtbarkeit zum Ziel hat. Zum Verständnis ist es neben der inhaltlichen Ebene, die vom verlinkten SPD-Beschluss zum Thema beschrieben wird, auch die Gepflogenheiten des Parlaments zu kennen, die für eine funktionierende Regierung und eine wirksame parlamentarische Kontrolle unerlässlich sind. Dazu gehört es, dass sich die Fraktionen der Regierungskoalition untereinander verständigen und bei Abstimmungen im Parlament zu einer gemeinsamen Linie finden. Anders wäre ein verantwortliches Regieren in „Zweckpartnerschaften“ wie der Großen Koalition nicht möglich. Unter folgendem Link finden Sie das Plenarprotokoll der Bundestagsdebatte http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18054.pdf#P.4904 (Tagesordnungspunkt 4) zu den Anträgen der Grünen und der Linkspartei, in dem Sie in den Reden meiner SPD-Kolleginnen und Kollegen auch nochmals unsere Position als SPD-Fraktion finden. Bitte beachten Sie dabei auch meine persönliche Erklärung http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18054.pdf#P.5052 , die ich gemeinsam mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Bundestagsfraktion abgegeben habe, um deutlich zu machen, dass die Unterstützung des Beschlusses des SPD-Parteikonventes und die gleichzeitige Ablehnung der Anträge der Linken und der Grünen im Sinne einer verantwortungsvollen parlamentarischen Arbeit nur konsequent sind.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Dieter Rossmann