Frage an Ernst Dieter Rossmann von Guntram S. bezüglich Frauen
Sehr geehrter Herr Dr. Rossmann,
mir fällt auf, dass die PIRATEN besonders starken Zulauf von jungen Männern haben. Haben die sogenannten "Volksparteien" versäumt, rechtzeitig zu erkennen, dass gute Frauenpolitik auch darin bestehen sollte, sie NICHT auf dem Geldbeutel der Männer auszutragen?
Ich stelle zudem fest, dass junge Frauen sich nichts mehr wünschen, als funktionierende, liebevolle Beziehungen zu Männern, dass aber das zur Zeit in der gängigen Rechtspraxis) geltende Familienrecht Männer nicht nur von der Kindererziehung ausgrenzt, sondern leider gängige Männerklischees weiterhin benutzt, um Unterhaltsansprüche von Frauen zu realisieren.
Sollten der Deutsche Bundestag nicht mal langsam zu der Erkenntnis gelangen, dass das Ausspielen weiblicher gegen männliche Interessen auf lange Sicht für JEDES Volk den wirtschaftlichen und emotionalen Untergang bedeutet?
Wäre es nicht WESENTLICH gerechter, in Not geratene Frauen in solidarischer Gemeinschaft aufzufangen, als längst überholte Rollenbilder zu pflegen und dadurch unnötige Konflikte am Leben zu erhalten?
Wäre es nicht langsam auch einmal angesagt, zu erkennen, dass nicht nur Mütter, sondern auch Väter einer "Doppelbelastung" unterliegen, wenn sie Kinder erziehen?
Und den Begriff der "alleinerziehenden Mutter" in politischen Diskussionen zu ergänzen um den Begriff des "alleinbezahlenden Vaters"?
Wieviel junge Wähler müssen noch zu den PIRATEN überlaufen, bis die Etablierten begreifen, dass sie in der Frauen- und Familienpolitik einer Ideologie aufgesessen sind, die letztlich volkszersetzend wirkt?
Sehr geehrter Herr Seiß,
vielen Dank für Ihre Frage über Abgeordentenwatch zu den PIRATEN bzw. zum wichtigen Thema der Gleichstellungspolitik.
In der Tat hat gute Gleichstellungspolitik nichts damit zu tun, die Interessen von Frauen und Männern gegeneinander auszuspielen. Das Ziel unserer Politik ist ein gleichberechtigtes Miteinander. Davon profitieren letztlich alle.
Derzeit gibt es aber leider noch immer eine Diskriminierung von Frauen in Deutschland – so erhalten sie weniger Lohn, sind häufiger in prekären Beschäftigungsverhältnissen angestellt und in Vorständen und Aufsichtsräten sind sie auch im 21. Jahrhundert noch immer unterrepräsentiert. Währenddessen erhält das Steuersystem überkommene Rollenverteilungen am Leben, die weder Männern noch Frauen gerecht werden.
Auf dem Gebiet der Gleichstellungspolitik gibt es also noch einiges zu tun. Wir brauchen endlich flächendeckende Mindestlöhne, gesetzliche Quoten in Vorständen und Aufsichtsräten und eine Infrastruktur, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Elternteile endlich wirklich möglich macht. Auch die schwierige Situation von Alleinerziehenden – Männern wie Frauen – darf dabei nicht vernachlässigt werden.
Diese Maßnahmen sind nur einige von vielen, die dringend umgesetzt werden müssten, anstatt Milliarden für ein unsinniges Betreuungsgeld auszugeben. Solche besseren Maßnahmen würden allen Geschlechtern und letztlich auch der Volkswirtschaft zugute kommen. So schätzt die Europäische Kommission zum Beispiel, dass eine Beseitigung von geschlechtspezifischen Unterschieden in der Beschäftigung in den EU-Mitgliedstaaten im besten Fall zu einer BIP-Steigerung von deutlich über 15 Prozent führen würde.
Und dass Gleichstellungspolitik auch im Interesse der Männer sein kann, zeigt die Unterhaltsregelung, die vor einiger Zeit getroffen wurde. Hier wurde der Unterhaltsanspruch der Ex-Ehefrau eingeschränkt zugunsten des Unterhaltes für alle Kinder aus erster und zweiter Ehe/Beziehung und zugunsten der neuen Familie des oft männlichen unterhaltzahlenden Ex-Ehegatten.
Aber solange in Deutschland noch eine strukturelle Diskriminierung stattfindet, die insbesondere Frauen trifft, greifen meiner Ansicht nach die Vorstellungen der Piratenpartei nicht. Um erfolgreich gegen bestehende Ungleichheiten vorzugehen, müssen die gesellschaftlichen Strukturen, die Diskriminierung verursachen, Teil der Problemanalyse sein. Und während die Piratenpartei derzeit in der Tat ein Umfragehoch erlebt, geben viele Befragte an, sie würden die Piratenpartei aus Protest wählen ( http://www.sueddeutsche.de/politik/protestwaehler-bevorzugen-piraten-fortschritt-durch-technik-1.1326825 ). Der Unmut der Wählerinnen und Wähler, der bei solchen Aussagen deutlich wird, muss unbedingt ernst genommen werden. Doch die Umfragen zeigen auch, dass es für viele nicht die Inhalte der Piratenpartei sind, die sie überzeugen. Gerade was Gleichstellung betrifft, scheint die Piratenpartei noch einiges an Nachholbedarf zu haben. Was Sie als einen Zulauf junger Männer interpretieren, kann auch als Mangel an Frauen betrachtet werden – aktuell sind nicht einmal ein Fünftel der Parteimitglieder weiblich. Parteiintern wurde der Umgang mit Frauen wiederholt kritisiert und auch die Jugendorganisation der Piraten – die Jungen Piraten – beklagte Sexismus und Rassismus innerhalb der Partei, zuletzt in einem offenen Brief auf ihrer Webseite ( http://www.junge-piraten.de/2012/04/06/offener-brief-der-jungen-piraten-an-die-piratenpartei/ ). Hannah Beitzer hat, wie ich finde, hierzu einen interessanten Kommentar geschrieben, der auf der Internetseite der Süddeutschen Zeitung zu finden ist ( http://www.sueddeutsche.de/politik/genderdebatte-in-der-piratenpartei-die-piraten-leiden-unter-feminismus-paranoia-1.1303473 ).
Zuletzt möchte ich mich noch einmal für Ihre Anfrage bedanken und hoffe, dass ich Ihnen die Gleichstellungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion näher bringen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB