Frage an Ernst Dieter Rossmann von Daniel B. bezüglich Finanzen
Wie werden Sie persönlich als Abgeordneter und als Fraktionsmitglied der SPD es verhindern das es zu einer Euro Transferunion oder Eurobonds kommt?
Sehr geehrter Herr Buhl,
herzlichen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch, zu der ich ein paar Bemerkungen machen möchte.
Auch wenn hier natürlich Differenzierungen notwendig sind, sehe ich manche Parallelität im Wachsen der Föderalität in Europa und im Entstehungsprozess von Deutschland, selbst in der Zeit nach der Gründung der Bundesrepublik. Auch in Deutschland haben wir diese Form des solidarischen Miteinanders seit dem Entstehen der Bundesrepublik und ihrer erfolgreichen Entwicklung zum Beispiel über Länderfinanzausgleiche, über eine gemeinsame Finanzpolitik und entsprechende Gesetze und Institutionen, zum Beispiel über Schuldenbremse und Ausgleichsfonds. Ich bin deshalb der Meinung, dass wir uns gerade im sogenannten deutschen Interesse von der wirtschaftlichen und politischen Seite her gegenüber dem sich zusammenfindenden und sich integrierenden Europa nicht naiv, aber auch nicht unsolidarisch zu verhalten haben. Denn bereits seit dem Jahr 1957 besteht die europäische Solidargemeinschaft. Dies ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte! Es gab schon immer Transferleistungen innerhalb der EWG/ EG/ EU, von denen auch Deutschland profitiert hat.
Denn tatsächlich ist es so, dass Deutschland nicht nur der größte Nettozahler, sondern auch der größte Gewinner und Nutznießer der EU ist. Um ein paar Zahlen zu nennen: 40 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Eurozone, 60 Prozent sogar in die EU, die deutsche Wirtschaft spart durch den stabilen Euro jährlich 10 Milliarden Euro, da Kurssicherungsgeschäfte weggefallen sind. Seit 2002 sind in der Eurozone 16 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden.
Ich verstehe gut, dass Ihnen die aktuellen Entwicklungen der Finanzkrise und der massiven Staatsverschuldung Sorge bereiten. Als SPD-Bundestagsabgeordneter bin ich mit der europäischen Finanzpolitik unserer Bundesregierung auch nicht zufrieden. Für die SPD steht fest, dass die Solidarität mit Griechenland und anderen finanzschwachen EU-Staaten nicht nur ein Akt der Nächstenliebe ist, sondern vielmehr im Interesse Deutschlands liegt. Die Rückkehr zu nationalen Währungen ginge mit einer massiven Verteuerung unserer Exporte einher, denn mit der Abwertung der anderen Währungen würde die D-Mark aufgewertet. Wechselkursrisiken führten zu weniger Handel. Aber rund 60 % unserer Exporte gehen in die EU. Lassen wir also die Eurozone zerbrechen, werden die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Arbeitsplatzabbau die Hauptleidtragenden sein. Der Schaden für Deutschland wäre kaum abzuschätzen.
Um insbesondere die derzeitigen Probleme zu meistern, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Europa. Nur mit einer starken Europäischen Union wird Deutschland in einer immer globalisierteren Welt auch in Zukunft wirtschaftlich und politisch eine Rolle spielen.
Was die aktuelle Diskussion um die Einführung von sogenannten Eurobonds anbelangt, möchte ich Sie gerne auf eine Sonderseite im Internetangebot der SPD aufmerksam machen. Unter http://www.spd.de/aktuelles/Eurobonds finden Sie eine Sammlung von Fragen und Antworten rund um das Thema Eurobonds. Die SPD und auch ich sind für eine Einführung von Eurobonds -- aber nur als Teil einer umfassenden Lösung!
Ich möchte noch einmal betonen, dass für mich die Frage nach EU-Schuldenunion nicht mehr zu beantworten ist, weil - wie dargestellt - die EU faktisch schon immer eine Solidargemeinschaft gewesen ist. Es kommt vielmehr auf die Ausgestaltung der Solidarität und der jeweiligen Transfers mit an. Hier bin ich allerdings mit Ihnen der Auffassung, dass auch die unmittelbaren Nutznießer dieser Finanzierungsverhältnisse wie Banken, Versicherungen und Finanzfonds in die Haftung mit einzubeziehen sind. Dies ist leider -- und entgegen mancher publizistischer Nebelkerzen noch völlig unzureichend gelöst. Und außerdem brauchen wir auch endlich eine Finanztransaktionssteuer, d.h. eine kleine Mehrwertsteuer auf Finanzgeschäfte, um der Realwirtschaft gegenüber der Finanzwirtschaft mehr Gewicht zu geben. Denn hierum muss es uns doch gehen: Mehr Realwirtschaft und gute Wirtschaftsleistungen in Europa und Deutschland, und eben auch in Griechenland und weiteren betroffenen Ländern.
Ihre direkte Frage, ob ich dem ESM-Vertrag zustimmen werde oder nicht, kann ich Ihnen zum heutigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beantworten. Ich halte die grundsätzliche Intention für richtig. Allerdings muss auch der Rest stimmen. Und hier sperrt sich die Regierungskoalition nach wie vor, wie die jüngsten Gespräche wieder verdeutlicht haben. Der massive Widerstand der FDP gegen die Finanztransaktionssteuer zeigt ja auch ihr wahres Gesicht: Die wollen viel eher die Spekulanten schützen als die deutschen Steuerzahler! Sogar Bundesfinanzminister Schäuble hat sich mittlerweile für die Einführung der Finanztransaktionssteuer ausgesprochen.
Was bislang auch noch völlig ungeklärt ist, ist die Frage nach dem Mitspracherecht der Parlamente. Es darf einerseits nicht sein, dass das Parlament nur noch abnickt und alle Haushaltrisiken hinterher akzeptieren muss. Andererseits kann nicht jede Einzelmaßnahme des Rettungsschirms immer erst durch alle nationalen Parlamente der Eurozone gehen. Wie hier ein vernünftiger Mittelweg aussehen soll, dafür gibt es von der Bundesregierung noch keine Vorschläge und die Vorschläge, die aus den Regierungsfraktionen kommen, werden von uns jetzt geprüft.
Nach wie vor fordern wir als größte Oppositionspartei die Bundesregierung auf, endlich in einen offenen Dialog über die notwendigen Entscheidungen für die Lösung der europäischen Probleme einzutreten. Ein erster Schritt ist hier am vergangenen Mittwoch nun hoffentlich gemacht worden. Die anstehenden Entscheidungen sind von solcher Tragweite, dass hier alle Fraktionen im Deutschen Bundestag in die Beratungen einbezogen werden sollten. Aber die Bundesregierung zieht es leider vor, mit ihrer Unberechenbarkeit und unstetem Handeln alle zu verunsichern: Die europäischen Partner genauso wie die Wirtschaft, die Menschen in den betroffenen Nachbarländern genauso wie uns Bundesbürger.
Mit freundlichen Grüßen
Ernst Dieter Rossmann, MdB