Frage an Ernst Dieter Rossmann von Stefan A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Ernst Dieter,
ich bin doch einigermaßen erschrocken darüber, das sie der Internetzensur im Bundestag zugestimmt haben.
So ist die Abwehr von Kinderpornographie nur eine von vielen verschiedenen Einsatzmöglichkeiten dieser Zensur.
Bei der derzeitigen Entwicklung in der BRD liegt doch vielmehr nahe, dass die Möglichkeit geschaffen werden soll unangenehme (vllt. auch regierungskritische) Seiten im Netz still zu legen.
So denke ich nicht das es für jemand mit etwas weitergehenden Computerkentnissen und dem festen Willen sich, ohne jeden Zweifel Menschenverachtendes und krankes, kinderpornographisches Material anzusehen, unmöglich ist diese Sperren zu umgehen. Allerdings dürfte dies für einen "Nichtcomputercrack", der nur an weitgehenden Informationen jenseits der Springerpresse interessiert ist schon eine Ernst zu nehmende Hürde sein.
Ich finde es bedenklich das somit ein Instrument geschaffen wurde das Behörden, ohne richterliche Zustimmung, ermöglicht Informationen zu kontrollieren.
Dies alles geschieht zudem in einer Zeit, in der dt. Sicherheitskreise nicht Müde werden in den Medien Gebehtsmühlenartig immer wieder vor einer potentiellen "islamischen" oder "linksradikalen" Terrorgefahr zu warnen.
Auch werden nichteinmal mehr die öffentlich rechtlichen Sender ihrer Informationspflicht gerecht, so muss man regelmässig bis 23Uhr oder noch länger warten, bis etwas über die Medien verbreitet wird was wirklich "Informationsgehalt" hat. Somit bleibt das Internet als letzte freie Informationsbezugsquelle.
So hat der Bundestag mit seiner Entscheidung das erste Mittel geschaffen diese Informationsfreiheit zu beschneiden.
Wie bereits am Anfang erwähnt haben sie und ihre Kollegen mit ihrer Stimme diese Entwicklung mit möglich gemacht.
Über eine Stellungnahme würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Lieber Stefan,
herzlichen Dank für Deine Fragen und Anmerkungen zum „Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen“.
Zu meiner grundsätzlichen Einschätzung des Gesetzes habe ich hier bei abgeordnetenwatch.de schon einige Antworten verfasst. Kurz zusammengefasst: Mir selbst ist ein umfassender Schutz von Kindern wichtig. Dazu gehören neben der schon bestehenden lückenlosen Strafbarkeit der Verbreitung von Kinderpornographie auch die entsprechenden Bemühungen, diese Verbreitung einzudämmen bzw. zu unterbinden. Ich habe insofern den Vorschlägen der Bundesregierung zur Sperrung kinderpornographischer Seiten im Internet grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber gestanden.
Mir ist natürlich klar, dass das nun beschlossene Instrument der „Stop-Schilder“ nur ein Baustein sein kann. Es müssen alle Wege gesucht werden, die den Einstieg in den Konsum kinderpornographischer Inhalte versperren. So soll eben über die Umleitung auf die Stoppmeldung jeder Mensch deutlich signalisiert bekommen, dass die Gesellschaft ein solches Verhalten nicht toleriert. Zumindest bei einem Teil der Betroffenen kann dies nach Einschätzung von Experten durchaus Wirkung zeigen. Dazu dient auch der Hinweis auf die Strafbarkeit des Verhaltens.
In Folge der Anhörung, die durchgeführt wurde, wurde der Gesetzentwurf noch einmal an wesentlichen Punkten überarbeitet. Der endgültige Beschluss hat insbesondere folgende Änderungen gebracht.
*1. „Löschen vor Sperren“*:
Die Regelung kodifiziert den Grundsatz „Löschen vor Sperren“. Danach kommt eine Sperrung durch die nicht verantwortlichen Internet-Zugangsvermittler nur dann in Betracht, wenn eine Verhinderung der Verbreitung der kinderpornografischen Inhalte durch Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nicht möglich oder nicht in angemessener Zeit Erfolg versprechend ist.
*2. Kontrolle der BKA-Liste*:
Die Neuregelung nimmt den Wunsch nach mehr Transparenz auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Mit Blick auf die vornehmlich juristischen Aufgaben, nämlich zu bewerten, ob Inhalte die Voraussetzungen des § 184 b StGB erfüllen, muss die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben. Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen und zu überprüfen. Mindestens einmal im Quartal erfolgt zudem zusätzlich auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste den Voraussetzungen des Paragraphen 1 Satz 1 erfüllen. Sollte die Mehrheit des Gremiums zu der Auffassung kommen, dies sei nicht der Fall, hat das Bundeskriminalamt den Eintrag bei der nächsten Aktualisierung von der Liste zu streichen. Das Expertengremium wird vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit für die Dauer der Geltung des Gesetzes (31. Dezember 2012) bestellt.
*3. Datenschutz*:
Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.
*4. Spezialgesetzliche Regelung*:
Die im Gesetzentwurf bisher für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung wurden in eine spezialgesetzliche Regelung überführt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Mit dem neuen Regelungsstandort in einem besonderen Gesetz soll noch deutlicher werden, dass eine Zugangserschwerung auf weitere Inhalte ausgeschlossen bleiben soll.
*5. Befristung*:
Die Geltungsdauer des Gesetzes ist bis zum 31.12.2012 befristet. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um endgültig zu entscheiden.
Den Bedenken, mit dem Gesetz würde eine Infrastruktur aufgebaut, die zu anderen Zwecken als der Sperrung kinderpornografischer Inhalte genutzt werden könnte, wurde also Rechnung getragen. Diese Nutzung zu anderen Zwecken wird durch das Gesetz gerade ausgeschlossen. Ohne das Gesetz hingegen blieben die bereits abgeschlossenen Verträge zwischen BKA und Internetprovidern über Sperrmaßnahmen gültig. Damit würde ohnehin eine Infrastruktur aufgebaut, ohne dass es einen hinreichenden Grundrechtsschutz und verfahrensrechtliche Sicherungen gäbe.
Insgesamt wünsche ich mir eine Versachlichung der Debatte. Dafür sind die Äußerungen gerade von Politikern der CDU/CSU, die denen, die hier die Freiheit des Internets in den Vordergrund stellen, den Schutz von Kinderpornographie unterstellen, natürlich Gift. Gleichzeitig wünsche ich mir aber auch von Seiten der Gesetzesgegner und insbesondere aus der Internet-Community etwas weniger Aufgeregtheit. Für die Orwell’schen Überwachungsstaatsgespenster, die dort vielfach an die Wand gemalt werden, sehe ich jedenfalls keinen Anlass.
Letztlich haben wir hier eine Auseinandersetzung, bei der sich zwei Rechtsgüter, das Ziel der Bekämpfung von Kinderpornographie einerseits und die Informationsfreiheit andererseits gegenüber stehen. Natürlich müssen hier beide Rechtsgüter in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden. Auch wenn ich kein medienpolitischer Experte bin - meiner Einschätzung nach ist dies im nun beschlossenen Gesetz geschehen. Mit Zensur hat das meiner Einschätzung nach aber nichts zu tun. Mir ist es jedenfalls wichtig, dass sowohl das Thema Kinderpornographie als auch das freie Internet mit der gebotenen Sensibilität behandelt werden. Der wichtige Kampf gegen Kinderpornographie im Internet und die Rechte der Internet-Nutzer müssen sich nicht ausschließen.
Ich finde zur Debatte um das Gesetz insbesondere den Artikel von Heinrich Wefing in der ZEIT vom 09.07.2009 (http://www.zeit.de/2009/29/Zensur ) in der Analyse sehr klar und hilfreich. Auch auf die weiteren Beiträge zum Thema, die auf der Website der ZEIT zu finden sind, möchte ich hinweisen (http://www.zeit.de/netzdebatte ).
Mit besten Grüßen
Ernst Dieter Rossmann
P.S.: Gerne würde ich diese Fragen auch mit Dir und weiteren Interessenten diskutieren. Ich habe am 29.07.09 meinen Bundestagskollegen Martin Dörmann, den zuständigen Berichterstatter für das Gesetz, eingeladen. Die Veranstaltung „Angriff aufs Internet – Wie sieht die Realität aus?“ findet statt am 29.07.2009 um 16:30 Uhr im Clubraum des Computerclubs Elmshorn in der Königstraße 36a in Elmshorn. Ich würde mich freuen, wenn Du dabei bist.