Frage an Ernst Dieter Rossmann von Uwe K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Rossmann,
ich würde gerne von Ihnen wissen, wie Sie zur CCS-Technologie, also der CO2-Abscheidung und -Lagerung im Untergrund und zur Energiewende im allgemeinen stehen.
1. Halten Sie CCS auch für eine bloße Übergangstechnologie, die derzeit noch nicht erprobt und ausgereift ist und die selbst bei positiven Ergebnissen lediglich eine vorübergehende Lösung bilden könnte?
2. Sind Sie auch der Meinung, dass das für diese Technologie aufgewendete Kapital nicht schneller und besser wirksam gleich in die Errichtung Regenerativer Energie- und Energieeinspar-Projekte sowie die Weiterentwicklung insbesondere der Geothermie, Biomasse, Sonne, Wasser und Wind u.a gesteckt werden sollte?
3. Sind Sie dafür, dass Gebiete, in denen CCS geplant ist, für andere ökologische Projekte gesperrt sind, nicht jedoch umgekehrt? Wäre es nicht besser und für den Klimaschutz zielführender, der Geothermie und damit den erneuerbaren Energien sowie ggf. der Druckluftspeicherung von regenerativer Überschussenergie grundsätzlich Vorrang einzuräumen?
4. Halten Sie es für richtig, dass bei einer notwendigerweise so langfristig angelegten "Endlagerung" des CO2 die Konzerne, die die Einnahmen aus der Stromerzeugung erzielen, nur 30 Jahre für die Überwachung und Sicherung sowie für finanzielle und rechtliche Risiken haften müssen, danach aber das Risiko und die Kosten auf die Allgemeinheit umgelegt werden?
5. Wie stehen Sie generell zur notwendigen 100%-Energiewende? Welchen Zeitraum halten Sie dafür für erforderlich und angemessen?
Vielen Dank für Ihre baldige Antwort.
Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf zu CCS in der aktuell vorliegenden Fassung nicht zu befürworten.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Kern
Sehr geehrter Herr Kern,
herzlichen Dank für Ihre Frage über abgeordnetenwatch.de, in der Sie um meine Meinung zur CCS-Technologie bitten.
Vorweg zwei Vorbemerkungen:
1) Das Wesen von abgeordnetenwatch ist es, dass jeder Abgeordnete in allen Fragen um detaillierte Antworten gebeten wird, ohne dass jeder Abgeordnete in jedem Gebiet Spezialist ist und kompetent sein kann. Ich bin es jedenfalls nicht und muss Ihnen deshalb in diesem Fall unvollständige und angelesene Antworten geben.
2) Gut ist, dass viele Fragen ja auch dazu beitragen, eigene Wissenslücken zu erkennen und auf Probleme zu stoßen, bei denen man dann nachhaken kann. In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Fragen.
Zur Sache:
1) Diese Frage scheint mir nach den mir vorliegenden Berichten noch offen zu sein. Deshalb braucht es ja Erprobungen. Wer will ohne Erprobungen sagen, dass er schon die definitiven Antworten kennt? Grundsätzlich spricht vieles dafür, dass es sich um eine weitere Übergangstechnologie handelt, weil Kohle letztlich endlich ist, weil die CCS-Technologie eher problematische Effizienzgrade und eher hohe Kostenwerte hat, weil die Speicherkapazitäten endlich sind etc.
2) Eine solche Priorität wird von mir grundsätzlich geteilt. Ich werbe mit hohem Nachdruck dafür, die von Ihnen angesprochenen Bereiche auszubauen. Tatsächlich geschieht hier sehr viel und zunehmend mehr. Gleichwohl brauchen wir auch in andere Richtungen Forschungs- und Erprobungswege. Die Erforschung von CCS ist für mich dabei sehr gezielt vorzunehmen. Ein abschreckendes Beispiel für eine falsche Forschungsstrategie sehe ich am Beispiel des Fusionsreaktors ITER. Gerade weil wir einen energetischen Übergang bauen müssen, raus aus der Atomtechnologie, hin zu den regenerativen Quellen, haben mögliche Übergangstechnologien wie CCS für mich eine höhere Forschungspriorität als ITER als finales Projekt. Uns läuft sonst die Zeit weg.
3) Ich teile Ihre Auffassung, dass die Genehmigung von CO_2 -Speichern nicht zu einer Benachteiligung von Geothermie und Druckluftspeichern führen darf. Die Experten in der SPD-Bundestagsfraktion befürworten eine planerische Entscheidung darüber wie die unterschiedlichen Nutzungen von CO_2 -Speichern, Gasspeichern, Geothermie oder Druckluftspeicher miteinander in Einklang gebracht werden können. Bei dieser Planungsentscheidung muss klar sein, dass die Nutzung der erneuerbaren Energien Vorrang vor allen anderen erlangt. Eine Möglichkeit wäre es, die Planungen dahingehend zu gestalten, dass wir einen dreidimensionalen Raumplan für die Nutzungen untertage aufstellen. Hierdurch könnten wir parallele Nutzungen ermöglichen und zulassen; sozusagen übereinander in verschiedenen Schichten. Gleichzeitig würden wir dem „Windhund-Prinzip“ entgegenwirken, wonach bestimmte Areale für andere Nutzungen erstmal ausgeschlossen wären. Denkbar wäre auch eine zeitliche Befristung der Untersuchungsgenehmigungen. Ich glaube, dass der Gesetzentwurf an diesen Punkten bisher zu starr ist und hoffe von daher sehr, dass es gelingt, hier noch entsprechend nach zu bessern.
4) Die von Ihnen erhobene Forderung, die Allgemeinheit nicht mit zusätzlichen Haftungsrisiken zu belasten, nimmt die SPD-Bundestagsfraktion sehr ernst. Wir werden daher bei den anstehenden Beratungen über den Gesetzentwurf genau prüfen, ob die im Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen etwa zur Deckungsvorsorge bzw. zum Nachsorgebeitrag beim Verantwortungsübergang auf die öffentliche Hand ausreichen oder ggf. nachgebessert werden müssen. Grundsätzlich ist es richtig, dass wir heute noch nicht mit Sicherheit sagen können, ob uns die CCS-Technologie in einigen Jahren kommerziell zur Verfügung stehen wird. Es liegt in der Verantwortung der Wirtschaft, den entsprechenden Nachweis der Wirtschaftlichkeit zu erbringen. Neben der Frage wie sich die Energiepreise und die CO_2 -Zertifikatspreise in Zukunft entwickeln, wird auch der Erfolg der Demonstrationsanlagen über die Wirtschaftlichkeit der CCS-Technologie entscheiden. Der Gesetzentwurf sieht in § 43 KSpG daher einen Evaluierungsbericht an den Deutschen Bundestag vor, in dem die Bundesregierung beauftragt wird, über die Erfahrungen und Ergebnisse aus der Errichtung und dem Betrieb der Forschungs- und Demonstrationsvorhaben bis zum 31.12.2015 zu berichten. Der im Gesetzentwurf vorgesehene Sicherheitsstandard stellt darüber hinaus sicher, dass keine Genehmigungen für den kommerziellen Einsatz der CCS-Technologie erteilt werden dürfen, sofern sich aus den Erfahrungen mit den Demonstrationsvorhaben Zweifel an der Sicherheit der CCS-Technologie ergeben.
5) Eine 100%-Energiewende ist natürlich mehr als wünschenswert, wird aber in den nächsten Jahren nicht erreicht werden können. Ich denke aber, dass wir bis spätestens zum Jahr 2050 eine Substitution aller fossilen Brennstoffe in der Strom- und Wärmeversorgung erreicht haben sollten. Für Norddeutschland beispielsweise existieren Studien, die davon ausgehen, dass es möglich ist, den Anteil der Stromerzeugungskapazitäten aus regenerativen Energien bis zum Jahr 2020 auf 50% zu steigern.
Für die Zeit bis dahin gilt für mich: Soviel regenerative Energieerzeugung wie möglich und so viel fossile wie nötig. Überkapazitäten aus fossilen Kraftwerken, die sich bei Realisierung aller im Bau befindlichen oder geplanten Kohle- und Gaskraftwerke abzeichnen, lehne ich ab. Hier zeigt sich deutlich, dass eine Koordination zwischen den Bundesländern nötig ist. Weiter halte ich es für notwendig, dass neue fossile Kraftwerke, im Sinne einer erhöhten Primärenergieausnutzung, als KWK-Kraftwerke (Kraft-Wärme-Koppelung) betrieben werden. Es ist für mich auch unerlässlich, dass wir die Wirkungsgrade bei der Energieerzeugung grundsätzlich erhöhen und die energetische Gebäudesanierung weiter vorantreiben.
Eines möchte ich abschließend noch bemerken, weil es für mich essentiell ist: Wie auch immer im Konkreten wir die Energiewende gestalten, eine Wiederbelebung der Atomenergie ist hierbei für mich ausgeschlossen! Der Ausstieg ist beschlossen und sollte auch bei einer anderen Regierungskonstellation nicht zurückgenommen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB