Frage an Erich Sturm von Jörg M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Sturm,
im Internetportal citybeat.de ( http://www.citybeat.de/news/Wahl-Spezial-Erich-Sturm-Piratenpartei ) haben Sie diverse (mehr als inhaltsleere) Statements abgegeben. Unter anderem haben Sie zur Steigerung der Einnahmen Bremens die Legalisierung von Coffeeshops angeregt. Falls dieser Punkt nicht ein Scherz ist, hätte ich gerne gewusst wie Sie bzw Ihre Partei die Legalisierung und Ansiedlung konkret durchführen wollen. Zudem würde ich gerne wissen, mit welchen Kosten dieses Vorhaben veranschlagt ist und welche Mehreinnahmen sich die Piraten hiervon versprechen. Ihre Antworten würden Sie freundlicherweise mit fundierten Summen unterlegen.
MfG
Sehr geehrter Herr Mölck,
vielen Dank für Ihre Anfrage. In Bezug auf meine Statements möchte ich vorausschicken, das "mehr als inhaltsleer" nicht geht, weil sich das Nichts, oder die Leere, nicht weiter negieren lässt. Außer vielleicht in theologischen Disputen. Aber um die geht es in der Politik ja nicht. Die Aufgabenstellung auf www.citybeat.de war:"Ergänzen Sie kurz die angefangenen Sätze.", und gefragt war ein persönliches Statement, keine Aussage der Partei. Die Fragen selbst wirkten nicht sehr ernsthaft. Nichtsdestotrotz steckt in jeder Antwort mehr als Nichts. Erklärungen waren aber nicht erlaubt, und ich freue mich, dass Sie Kandidatenwatch nutzen um nachzufragen. Andere als den von Ihnen angefragten Punkt habe ich bereits in den Kommentaren auf Citybeat beantwortet.
Nun zur Legalisierung von Coffeeshops zur Einnahmensteigerung in Bremen. Diese Aussage war persönlicher Natur und ist nicht im Wahlprogramm der Piratenpartei Bremen oder im Grundsatzprogramm der Piratenpartei enthalten.
Ich habe sie trotzdem bewusst ausgewählt, weil ich hoffte, dass sie eine kontroverse Diskussion auslöst über ein Thema, welches durch die aktuellen Bezüge zu "Miri" und "Mongols" momentan sehr relevant ist.
Prohibition schafft einen Schwarzmarkt, kriminalisiert die Nutzer und gefährdet sie durch unkontrollierte Stoffe. Bei den Drogen Alkohol und Zigaretten hat unser Staat keine Bedenken beim Verkauf und füllt durch die Sucht oder den Genuss seiner Bürger das Steuersäckel. Nun kann man einwerfen, dass Alkohol und Zigaretten eine Art "Kulturgut" dieser Gesellschaft sind, während andere Drogen uns wesensfremd sind. Das stimmt aber nicht. Noch bis in die fünfziger Jahre war der Genuss von "Knaster", also Hanf, völlig selbstverständlich und erst durch die Dämonisierung aus Amerika wurde aus "Knaster" und Hanf, Haschisch und Dope. Sehr gut nachzulesen bei Hans Georg Behr, "Von Hanf ist die Rede" (Antiquarisch problemlos zu bekommen).
Kaum ein Politiker oder eine Partei wagt dieses Thema anzufassen, weil "man damit nur verlieren" kann. Stattdessen werden weiterhin Menschen kriminalisiert, die niemand außer vielleicht sich selbst einen Schaden zufügen. Eine Diskussion zum Thema ist im Allgemeinen stark emotionalisiert, was darauf hinweist, dass wir es mit einem Tabu zu tun haben. Wir leben in einer Drogengesellschaft, können das aber abspalten, bzw. negieren, in dem wir bestimmte Drogen legalisiert haben und andere verteufeln. Rational betrachtet sehe ich keinen großen Unterschied, ob ein Mensch am Abend "ein gepflegtes Bier" trinkt, oder ob er etwas Hanf konsumiert, genauso wenig wie ich keinen Unterschied sehen kann, wenn sich eine Person bis zur Besinnungslosigkeit betrinkt oder ob sie Unmengen Cannabis raucht und bekifft in die Gegend starrt.
Die Legalisierung in den Niederlanden hat nicht zu einem Untergang von Holland geführt, sondern stattdessen den Markt sogenannter weicher Drogen von dem harter Drogen getrennt. Entgegen landläufiger Meinung haben die Niederländer keine laxe Drogenpolitik und eine funktionsfähige Zivilgesellschaft.
Betrachtet man das Problem wirtschaftlich (Was auf Grund des bereits angesprochenen Tabus kaum geht) sind alle zu Grunde liegenden Zahlen Schätzwerte, da es ja keine offizielle Statistik gibt.
Schätzungen gingen Ende der 90er Jahre davon aus, dass der Jahresverbrauch von Cannabis-Produkten bei über 100t lag. Neuere Schätzungen liegen mir nicht vor. Bei 100t spricht man von einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro. Bei einer Konsumsteuer in Höhe von 25 % reden wir also von jährlich 375 Millionen Euro. Ob eine Legalisierung in Bremen möglich ist, und ob eine mögliche Konsumsteuer zu hundert Prozent in Bremen bliebe, kann ich Ihnen nicht beantworten, da ich die dazu nötigen Bestimmungen oder Verbote noch nicht kenne.
Sie sehen also, dass meine Intention weniger in einer sofortigen Umsetzung lag als in der Möglichkeit eine aus meiner Sicht notwendige Diskussion anzuregen.
Genau darin liegt der Charme seine Zeit und seine Energie in eine junge außerparlamentarische Opposition zu investieren. Es ist die Freiheit (noch) nicht jede Aussage und jede Überlegung unter dem Aspekt "Darf ich das oder kostet das Stimmen" beleuchten und unter Umständen unterdrücken zu müssen und neben ganz realpolitischen Forderungen, die wir natürlich auch haben, auch über Tabus, neue Ideen und Ansätze streiten zu dürfen. Das gilt z. B. auch für Themen wie das "Bedingungslose Grundeinkommen" oder "Liquid Democracy".
Mit freundlichen Grüßen
Erich Sturm