Frage an Erich Sturm von Sebastian J. bezüglich Medien
Sehr geehrter Herr Sturm,
mit Schrecken lese ich u.a. in der online-Ausgabe der Zeit ( http://www.zeit.de/news-042011/11/iptc-bdt-20110411-598-29774152xml ), dass die Länder über den Glücksspielstaatsvertrag nun doch Internetsperren einführen wollen.
Meine Fragen dazu:
1. Wie steht der Bremer Landesverband der Piraten zu diesem Thema konkret?
2. Wären sie persönlich für die Alternative, juristisch gegen illegale Glücksspielangebote im Inland vorzugehen und eine Blockade von internationalen Überweisungen an Konten bekannter ausländischer Anbieter hierzulande illegaler Glücksspiele zu veranlassen?
Sehr geehrter Herr Jauert,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Zu Frage 1: Der Landesverband Bremen lehnt die Einführung von Internetsperren konsequent ab und damit auch den voraussichtlich aktuellen Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages.
Unter dem Deckmantel des Glücksspielstaatsvertrages wird erneut versucht, eine Zensurinfrastruktur zu errichten und das Fernmeldegeheimnis einzuschränken.
In der von der Piratenpartei Deutschland am 11. April veröffentlichten - wahrscheinlichen - Endversion des GlückStV-Vertragstextes heisst es in Paragraph 9 Absatz 1 Nummer 5: "Die zuständige Behörde des jeweiligen Landes kann Diensteanbietern [..], insbesondere Zugangsprovidern und Registraren, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen. *Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.*"
Diese Gesetzesvorlage erweitert das aus gutem Grund nie umgesetzte Zugangserschwerungsgesetz in der Weise, dass nicht nur das BKA unkontrolliert Sperren vornehmen kann, sondern sogar jedes Bundesland in Eigenverantwortung.
Zu allem Überfluss ist die technische Umsetzung im Entwurf des Staatsvertrages nicht eindeutig geregelt. Es ist zu befürchten, dass die Eingriffe noch tiefer gehen werden als beim Zugangserschwerungsgesetz. Denkbar wäre, dass die Zugangsprovider zu Sperren auf IP-Adress-Ebene oder gar einer sogenannten "Deep Packet Inspection" - und damit der Überwachung des gesamten Netzverkehrs - genötigt werden sollen. Dies wären Techniken, wie sie sonst nur in China und anderen totalitären Regimes zum Einsatz kommen.
Hier wurde in einer typischen "Kungelrunde" der regierenden Landesparteien eine Gesetzesvorlage in geschlossenen Hinterzimmern erarbeitet, die die Grundrechte jedes Bürgers beeinträchtigen. Im besten Fall gesteht man den Beteiligten von CDU/CSU/GRÜNEN UND FDP Lernresistenz und technischen Unverständnis zu, im schlimmsten Fall muss man Vorsatz unterstellen.
Zu Frage 2: Ja, der Rahmen der bestehenden Gesetzgebung sollte genutzt werden, und wenn die Blockade von Überweisungen verhältnismäßig ist, könnte sie auch als Alternative eingesetzt werden.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass mir ein Urteil zum Thema Glücksspiel selbst sehr schwer fällt. Hier geht es anscheinend vor allem um wirtschaftliche Interessen, sowohl der Anbieter als auch der durch die Einnahmen geförderten Verbände und dem Staat, der dann selbst keine Steuergelder in die Hand nehmen muss. Die Suchtprävention und die Diskussion über das Glücksspiel im Allgemeinen kommen erst an zweiter Stelle. In dem Sinne sind Aussagen wie "Hohes Suchtpotential bei illegalen Anbietern" wohl mit Vorsicht zu genießen. Haben die bestehenden legalen Angebote kein Suchtpotential? Die Debatte um Glücksspiele, ausländischer und inländischer Anbieter, dürfte ruhig öffentlicher geführt werden. Hier scheinen mir persönlich schon wieder zu viel Interessenverbände hinter den Kulissen am intervenieren.
Mit freundlichen Grüßen
Erich Sturm