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Emanuel Herold
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Frage von Andre K. •

Wie stehen Sie zu dem Atomkraftausstieg, wo wir doch sowieso schon Energieprobleme haben?

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Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Frage!

Eine Reihe von Argumenten gegen die Weiternutzung der Atomkraft sind Ihnen aufgrund der langjährigen Debatte sicherlich bekannt – u.a. die Sicherheitsrisiken im Betrieb und die Endlagerproblematik. Da Ihre Frage auf die aktuelle Krise zielt, möchte ich auf folgende Aspekte ausführlicher eingehen:

1) Der Beitrag der verbliebenen Atomkraftwerke zur deutschen Energieversorgung wird manchmal überschätzt: Die Leistung der AKW in Landshut (Isar 2), in Niedersachsen (Emsland) und in Baden-Württemberg (Neckarwestheim 2) lag zusammengenommen zuletzt bei rund 4 GW. Allein im ersten Quartal dieses Jahres wurden in Deutschland Wind- und Solarkapazitäten von über 3 GW aufgebaut. Für das gesamte Jahr 2023 sind knapp 13 GW an neu installierter Leistung bei den Erneuerbaren geplant. D.h. der Ausbau der Erneuerbaren kompensiert den Wegfall der Kernenergie um ein Vielfaches. Der Ausbau der Erneuerbaren trägt erheblich zur Lösung unserer Energieprobleme bei, indem das Stromangebot zügig ausgeweitet wird. Das wirkt sich positiv auf Strompreise und Versorgungssicherheit aus.

2) Die ökonomischen Kosten der Atomenergie werden von einigen Stimmen aktuell schöngeredet – insbesondere solchen, die gar einen Wiedereinstieg in die Kernenergie fordern. Die größten europäischen Kernenergieprojekte in Finnland und Frankreich sind jedoch finanziell und planerisch abschreckende Vorhaben:

Reaktor Olkiluoto-3: Baubeginn 2005, geplante Inbetriebnahme 2009, faktische Inbetriebnahme 2023; Kostenentwicklung: von ursprünglich 3 auf letztlich 12 Mrd. Euro.

Reaktor Flamanville-3: Baubeginn 2007, geplante Inbetriebnahme 2012, voraussichtliche Inbetriebnahme 2024; Kostenentwicklung: von ursprünglich 3,3 auf voraussichtlich 19,1 Mrd. Euro.

Beide Reaktoren haben lediglich eine Leistung von je 1,6 GW. Das zeigt: Kernenergie ist nicht wettbewerbsfähig. Selbst Laufzeitverlängerungen versenken Milliardenbeträge. Um einen Reaktor zehn Jahre länger laufen zu lassen, fallen in Frankreich zusätzliche Kosten von rund 1,7 Milliarden Euro an. Und das allein dafür, dass an alternden Reaktoren zwingend notwendige Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt und die daraus folgenden Umbaumaßnahmen umgesetzt werden. Atomkraft bleibt eine der teuersten Stromerzeugungstechnologien - jeder Euro an Steuergeld kann aber nur einmal ausgegeben werden. Rein ökonomisch betrachtet ergibt es keinen Sinn, Milliarden in eine nicht wettbewerbsfähige Hochrisikotechnologie zu investieren anstatt in verfügbare und günstige erneuerbare Technologien.

3) Kernenergie und Klimakrise sind nicht kompatibel: AKW sind zur Kühlung auf enorme Mengen Wasser aus Flüssen und der Umgebung angewiesen sind. Dürren, Hitzewellen und sinkende Flusspegelstände, wie wir sie in Europa seit Jahren erleben und die sich weiter zuspitzen, sorgen dafür, dass Atomkraftwerke immer wieder gedrosselt oder heruntergefahren werden müssen. Bei unseren französischen Nachbarn kann man immer wieder beobachten, dass Kernenergie nicht zu mehr Versorgungssicherheit führt – durch häufigeren und oft kurzfristig notwendigen Abschaltungen ist das Gegenteil der Fall.

Kurz gesagt: Die Erneuerbaren sind günstiger, schneller und sicherer als die Kernenergie – deswegen lösen wir unsere Energieprobleme mit ihnen und nicht mit der Verlängerung oder gar dem Neubau von AKW.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage beantworten – ansonsten melden Sie sich gern!

Herzliche Grüße,

Emanuel Herold

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