Frage an Elvira Drobinski-Weiß von Ralf Geck von K. bezüglich Verbraucherschutz
Bewertungsreserven - Lebensversicherung
Sehr geehrte Frau Drobinski-Weiß,
danke für die Beschreibung der Zusammenhänge und Abläufe.
Es ist verständlich, dass ein langfristiges Geschäftsmodell ( wie das eines Lebensversicherers ) bei sich grundlegend ändernden Rahmenbedingungen (Niedrigzinsumfeld) nicht unverändert tragfähig sein kann und Anpassungen vorgenommen werden müssen, um eine sinnvolle Fortführung zu gewährleisten.
In solchen Fällen ist Empörung und Suche nach Schuldigen kein Ansatz der die Faktenlage ändert. Es mag sein, dass Versicherer mit spekulativ hochgerechneten Ablaufleistungen Ihre Produkte verkauft haben. Majoritär sicherlich unter Hinweis auf die Unverbindlichkeit der Schätzungen und sonstigen Vorbehalten die angebracht sind.
Die Frage die aber beantwortet werden muss, ist die wie es auf der Ebene der Versicherten, der Betroffenen dieser Maßnahme konkret weitergeht.
Eine Versicherungsgesellschaft passt ihr Geschäftsmodell an, die Versicherungsnehmer müssen ihr „Geschäftsmodell“ ebenfalls anpassen. Wer eine Altersversorgung in Höhe von „X“ erwartet hat, und sich jetzt auf einen Leistung von „x-y“ einstellen muss, sollte auch seine Planung ändern. Dazu muss er konkret informiert werden.
Die Bewertungsreserven aller Lebensversicherer in Deutschland belaufen sich auf rund Euro 30 Mrd. Kürzungen um ein „paar Prozentpunkte“ ergeben dann in Summe einen erheblichen Betrag. Volkswirtschaftlich bei der Situation unseres Landes nicht vorteilhaft, aber so ist es eben.
Was man nicht so fatalistisch akzeptieren kann, sind die individuellen Auswirkungen bei jedem einzelnen Versicherungsnehmer.
Der Einzelne wird da weitgehend hilflos sein, also muss er von seinem Versicherer individuell informiert werden. Schwierig, nicht unmittelbar umzusetzen, aber es muss angekündigt werden, es muss aufmerksam gemacht werden.
Ein Engagement zum Thema „Altersarmut“ macht an diesem Punkt ein Handeln zwingend.
Was passiert konkret um den Versicherungsnehmer weiterzuhelfen ?
Sehr geehrter Herr Geck,
wie bereits im Schreiben an Herrn Hetzel erwähnt, bestritt die Bundesregierung während den Beratungen im Deutschen Bundestag, dass Lebensversicherungen, die kurz nach Inkrafttreten der Neuregelungen ausgezahlt werden, durch den Wegfall von Bewertungsreserven deutlich verringert werden. Diese Einschätzung teilten wir nicht und sahen uns in den letzten Wochen durch Schreiben betroffener Versicherungsnehmer nachdrücklich bestätigt. Selbst Bürgerinnen und Bürger, deren Lebensversicherungen erst in einigen Jahren fällig werden, sorgen sich wegen der möglichen Reduzierung ihrer Ansprüche, die durch abnehmende Überschussbeteiligungen ohnehin bereits sinken. Nachdem auch die Medien äußerst kritisch über die VAG-Änderungen berichteten, forderte schließlich sogar der CDU-Parteitag Anfang Dezember 2012 die eigene Bundesregierung und die CDU-Bundestagsfraktion auf, die Kürzung der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven der Lebensversicherer rückgängig zu machen (Beschluss C 89).
Erst angesichts dieser breiten Ablehnung veranlasste die Bundesregierung endlich die Folgenabschätzung, die sie der Opposition zuvor verweigert hatte. Die Überprüfung, die das Bundesfinanzministerium in Zusammenarbeit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vornahm, betätigte im Ergebnis, dass Auszahlungskürzungen über zehn Prozent möglich sind. Proberechnungen bei ausgewählten Unternehmen ergaben Abschläge in einer Bandbreite von 2,5 bis 11 Prozent.
In der Sitzung des Finanzausschusses am 12. Dezember 2012 erklärten Bundesregierung und Koalitionsfraktionen daraufhin, derart große Einschnitte für einzelne Versicherte seien nicht beabsichtigt gewesen. Das Bundesfinanzministerium kündigte an, die Abschläge – bezogen auf das jeweilige Unternehmen – per Rechtsverordnung auf durchschnittlich fünf Prozent der auszuzahlenden Versicherungsleistungen zu deckeln. Mit dieser Regelung sollen die Kürzungen für den einzelnen Versicherungsnehmer auf unter zehn Prozent begrenzt und somit „Härten“ vermieden werden. Die BaFin sagte zu, bei Bedarf im Wege der Missstandsaufsicht tätig zu werden, und kündigte außerdem an, die Umsetzung der Neuregelungen durch die Versicherer zu kontrollieren.
Die Erkenntnis, dass sich Bundesregierung und Koalitionsfraktionen der Konsequenzen ihrer Gesetzgebung für die Bürgerinnen und Bürger nicht bewusst waren, ist erschreckend. Doch mit diesem Eingeständnis von CDU/CSU und FDP sind die grundsätzlichen Einwände der SPD-Bundestagsfraktion nicht erledigt. Höchst bedenklich ist außerdem, dass die Regierung – und nicht der Gesetzgeber selbst – gerade beschlossene Rechtsänderungen noch vor ihrem Inkrafttreten korrigiert. Wir haben deshalb im Finanzausschuss gefordert, das Versicherungsaufsichtsgesetz im Frühjahr 2013 erneut auf den Prüfstand zu stellen und nach sorgfältiger Folgenabwägung notwendige Änderungen nachzuholen.
Auf Antrag der SPD-regierten Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Rheinland-Pfalz rief der Bundesrat am 14. Dezember 2012 den Vermittlungsausschuss zum SEPA-Begleitgesetz an. Damit traten die Änderungen des VAG nicht wie geplant am 21. Dezember 2012 in Kraft. In der Sitzung des Vermittlungsausschusses am 29. Januar 2013 konnten sich die Mitglieder aus Bundestag und Bundesrat nicht auf einen Vermittlungsvorschlag verständigen. Daher wurde eine Arbeitsgruppe beauftragt, die Notwendigkeit der Neuregelung sowie deren Auswirkungen nochmals eingehend zu überprüfen.
Die Vertreter der SPD werden sich in den kommenden Verhandlungen weiterhin für die berechtigten Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Elvira Drobinski-Weiß