Frage an Elvira Drobinski-Weiß von Tomas W. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Drobinski-Weiß,
wie aus verschiedenen Medien zu entnehmen war, hat der Bundestag letzte Woche ein neues Meldegesetz verabschiedet. Darin ist angeblich in § 44 die Möglichkeit enthalten, dass Firmen der Privatwirtschaft Auskunft über gespeichterte Daten enthalten können. Eine Zustimmung des Bürgers ist hierzu nicht notwendig.
Weiterhin können Privatfirmen schon vorhandene Bestandsdaten abgleichen. Das Meldeamt gibt den Firmen Auskunft über die neue Adresse, gegebenenfalls frühere Namen, Geburtsdatum und Geburtsort, Einzugs- und Auszugsdatum.
Ein Widerspruch zur Datenübermittlung greift hier nicht.
Mich würde interessieren:
- Warum wurde entgegen dem Ursprungsentwurf (der eine konkrete Zustimmung zur Datenübermittlung vorsah) die Opt-Out-Variante gewählt, wo der Bürger konkret die Übermittlung untersagen muss?
- Wie kann ich die Weitergabe meiner Daten auch zum "Bestandsdaten-Abgleich" widersprechen, oder ist dies im verabschiedeten Gesetz nicht vorgesehen?
- Wie beurteilen Sie diesen Gesamtumstand als verbrauchspolitische Sprecherin aus Sicht des Datenschutzes?
- Wie haben Sie sich bei der Abstimmung verhalten (sofern Sie das mitteilen möchten) und warum?
- Die Meldeämter dürfen für die Auskunft Gebühren erheben. Wie hoch sind diese oder unterscheiden sich diese von Bundesland zu Bundesland?
Vielen Dank für Ihre Beantwortung.
Mit freundlichen Grüßen
Tomas Wissel
Sehr geehrter Herr Wissel,
vielen Dank für Ihre Email vom 7. Juli 2012, mit der Sie Fragen zum Bundesmeldegesetz stellen.
Als verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion setze ich mich für einen wirksamen Schutz von Verbraucherdaten ein. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein hohes Gut. Daraus folgt für mich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher jederzeit die Verfügungshoheit über ihre Daten haben müssen. Neben strengen Regeln auf nationaler und internationaler Ebene kommt es dafür meines Erachtens entscheidend darauf an, schon bei der Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen auf Datenschutzfreundlichkeit zu achten („privacy by design“). Die Privatsphäre von Verbraucherinnen und Verbraucher wird vor allem dann wirkungsvoll geschützt, wenn jede Datenweitergabe der ausdrücklichen Einwilligung (opt-in) durch die betroffene Verbraucherin/den betroffenen Verbraucher bedarf. Dienstleistungen in der digitalen Welt müssen durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen geschützt werden („privacy by default“).
Ihre Fragen möchte ich wie folgt beantworten:
- Warum wurde entgegen dem Ursprungsentwurf (der eine konkrete Zustimmung zur Datenübermittlung vorsah) die Opt-Out-Variante gewählt, wo der Bürger konkret die Übermittlung untersagen muss?
Die SPD-Bundestagsfraktion ist gegen die so genannte Opt-out-Variante, d.h. wir haben uns in den Beratungen des Gesetzentwurfs dafür eingesetzt, dass die Bürgerinnen und Bürger jeder Weitergabe ihrer Daten ausdrücklich zustimmen müssen. Die Ergebnisse der Beratungen im Innenausschuss des Bundestages sind auf der Bundestags-Drucksache Nr. 17/10158 dokumentiert
(abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/101/1710158.pdf )
Die schwarze-gelbe Koalition hat im parlamentarischen Verfahren dagegen die von Ihnen beschriebene Änderungen beschlossen. Über deren Beweggründe kann ich Ihnen leider nichts mitteilen, im Zweifel hat es Einflussnahmen von der Seite gegeben, die von der Regelung profitiert.
- Wie kann ich die Weitergabe meiner Daten auch zum "Bestandsdaten-Abgleich" wiedersprechen, oder ist dies im verabschiedeten Gesetz nicht vorgesehen?
Nach dem mit Stimmen von Schwarz-Gelb beschlossenen Gesetz können Sie einer Weitergabe Ihrer Daten nicht wiedersprechen. Die Regelung findet sich zukünftig in § 44 Absatz 4 Satz 2 (neu) des Bundesmeldegesetzes (Seite 7 der o.a. Bundestagsdrucksache), sofern der Bundesrat das Gesetz nicht noch stoppt. Die SPD-geführten Landesregierungen werden sich dafür einsetzen, den Vermittlungsausschuss anzurufen.
- Wie beurteilen Sie diesen Gesamtumstand als verbrauchspolitische
Sprecherin aus Sicht des Datenschutzes?
Der Gesetzentwurf ist aus Verbrauchersicht verheerend. Die schwarz-gelbe Koalition tritt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mit Füßen. Wir brauchen stattdessen dringend ein Gesamtkonzept für den Schutz von Verbraucherdaten im digitalen Zeitalter, denn die Weitergabe von Adressdaten ist erst der Anfang: Adresshändler, Scoringfirmen und Inkassounternehmen werden auf dieser Grundlage Datenprofile von Verbrauchern bilden, die unser Wirtschaftsleben drastisch verändern können. Schon jetzt werden Menschen wegen ihres Kundenprofils von günstigen Stromlieferanten und Versicherungen als Kunden abgelehnt. Nur eine Frage der Zeit ist, wann Unternehmen Daten aus sozialen Netzwerken auswerten, sie mit den Meldedaten kombinieren und systematisch zur Ausspähung von Verbrauchern verwenden.
- Wie haben Sie sich bei der Abstimmung verhalten (sofern Sie das
mitteilen möchten) und warum?
Der Gesetzentwurf wurde von der Fraktion der SPD in den Ausschüssen und im Plenum einstimmig abgelehnt. Da der Gesetzentwurf nicht namentlich abgestimmt wurde, habe ich mich – den üblichen parlamentarischen Gepflogenheiten entsprechend – an der Abstimmung nicht persönlich beteiligt. Ich war mir aber sicher, dass meine anwesenden Fraktionskolleginnen und –kollegen sich zu dem Gesetzentwurf so verhalten würden wie das vorher in der Fraktion besprochen worden war.
- Die Meldeämter dürfen für die Auskunft Gebühren erheben. Wie hoch
sind diese oder unterscheiden sich diese von Bundesland zu Bundesland?
Die Gebühren für Verwaltungshandeln richten sich auch im Meldewesen grundsätzlich nach landesrechtlichen Vorschriften. Eine zusammenfassende Übersicht liegt mir dazu nicht vor. Hier kann Ihnen sicherlich das Bundesinnenministerium weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Elvira Drobinski-Weiß