Frage an Elvira Drobinski-Weiß von Horst R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Drobinski-Weiß.
Sie sind ja nun DIE Abgeordnete im Bundestag, welche bei Abstimmungen Ihre Stimme für den Wahlkreis Offenburg (oder vom WK Offenburg) hergibt oder verweigert. Also sind Sie genau die Richtige, die ich anschreiben muss, wenn es demnächst im Bundestag um die Zustimmung zum ESM gehen wird.
Sie haben bestimmt schon alle Seiten dieses Werkes selbst gelesen. Noch nicht? - Dann wird es höchste Zeit sich selbst darum zu kümmern, über WAS Sie da demnächst abstimmen sollen. Denn bei einigen Vertragsinhalten stellt sich die Frage, ob der Bundestag überhaupt vom Gesetz her befähigt ist, solche Dinge beschliessen zu dürfen. Speziell die UNKÜNDBARKEIT des ESM ist meines Ermessens - eine extreme Sittenwidrigkeit. Das wäre der buchstäbliche "Pakt mit dem Teufel". Als besorgter Bürger muss ich davon ausgehen, daß SIe - und all die anderen im Bundestag - das wieder durchwinken werden. Alles ganz easy - nicht viel denken, nur schön brav der Parteilinie folgen und zustimmen.
Das MÜSSEN Sie verhinden! Auch wenn Sie sich hinter Ihrer Abgeordeneten-Immunität sicher fühlen können, Sie machen sich moralisch schuldig, wenn Sie diesem Vertragswerk zustimmen. Sie sind von den Bürgerinnen und Bürgern des Wahlkreises Offenburg gewählt worden, daß Sie diese "vertreten". Von "verkaufen" war nie die Rede, aber genau das wäre eine Zustimmung zum ESM.
Bitte teilen Sie mir doch auf diesem Wege hier mit, wie Sie zu diesem Thema stehen. Reden Sie Klartext und kein Politgeschwafel. Die Sache ist zu ernst.
Horst Roser
Sehr geehrter Herr Roser,
der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben über den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin in Europa und den dauerhaften Euro-Rettungsschirm, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) entschieden. Die SPD trägt beide Entscheidungen mit großer Mehrheit mit.
Ein „Ja“ der SPD zum ESM und Fiskalpakt ist jedoch mitnichten ein „Ja“ zur Merkelschen Politik, die es bislang nicht vermocht hat, die krisengeschüttelte EU dauerhaft zu stabilisieren. Die Zustimmung der SPD zeigt vielmehr: Wir nehmen unsere Verantwortung für ein solidarisches und handlungsfähiges Europa auch als Oppositionspartei ernst und verfallen nicht in einen Euro-Populismus. Das kann sich Europa in dieser dramatischen Lage nicht leisten.
Es ist ein „Ja“ der SPD zu zwei Instrumenten gegen die Krise, die sicher nicht in allen Belangen vollständig sozialdemokratischen Vorstellungen entsprechen. Insbesondere der Euro-Rettungsschirm ist jedoch ein zentraler Beitrag zur Krisenbewältigung. Das Überleben eines wirtschaftlich erfolgreichen und unseren Sozialstaatsprinzipien verpflichteten Europa ist wichtiger als eine Blockadepolitik, die der SPD – wenn überhaupt – nur kurzfristig Vorteile bescherte. Für uns ist aber auch klar: ESM und Fiskalpakt sind nur Etappenziele auf dem Weg zur Rettung der Eurozone. Für eine endgültige Lösung der Krise brauchen wir weitere Schritte in Europa.
FISKALPAKT
Die SPD hat sich ihre Entscheidung beim Fiskalpakt wahrlich nicht leicht gemacht. Ein Vertrag, der in strikter Haushaltsdisziplin und massivem Schuldenabbau die Lösung aller Probleme der Eurozone sieht, trägt alles andere als eine sozialdemokratische Handschrift. Ein kategorisches „Nein“ zum Fiskalpakt wäre aber das falsche Signal in der Krise: Auch für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist unbestritten, dass die Euro-Staaten ihre gigantischen Schuldenberge in den Griff bekommen müssen. Schließlich können wir uns dauerhaft nur aus den Fängen der Finanzmärkte befreien, wenn wir die öffentliche Verschuldung nicht weiter ausufern lassen. Und vergessen wir nicht: Sowohl im Bund als auch in einigen Ländern haben wir dazu beigetragen, Schuldenbremsen verfassungsrechtlich zu verankern. Und wir haben dabei durchgesetzt, dass eben nicht nur eine Verantwortung für die Ausgaben, sondern auch für die Einnahmen besteht. Daher ist die Behauptung vieler Kritiker, dass Schuldenbremsen automatisch zu Sozialabbau führen, schlichtweg falsch.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Noch nie hat sich ein Land mitten in einer Rezession aus einer Krise heraus gespart. Neben Haushaltsdisziplin brauchen die überschuldeten Staaten auch Impulse für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung, um dauerhaft wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Dem „nackten“ Fiskalpakt hätte die SPD nicht zustimmen können, da er die Krise eher verschärft als eingedämmt hätte. Deswegen haben wir hart mit der Bundesregierung verhandelt – das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Ergänzung des Fiskalpakts durch einen europäischen
Wachstums- und Beschäftigungspakt ist letztlich auch das Eingeständnis der schwarz-gelben Koalition, dass ihre bisherige fantasielose Sparpolitik krachend gescheitert ist. Das ist ein großer Erfolg der deutschen Sozialdemokratie. Es ist keine Selbstverständlichkeit, als Oppositionspartei einer Bundesregierung einen solchen Kurswechsel abzuringen.
1) Union und FDP haben die gerechte Besteuerung des Finanzsektors lange Zeit blockiert und damit verhindert, dass auch die Verursacher der Krise an den Kosten ihrer Überwindung beteiligt werden. Dank uns wird die Finanztransaktionssteuer nun endlich kommen, leider nicht in allen, aber doch zumindest in voraussichtlich zehn Partnerländern. Das Gesetzgebungsverfahren soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.
2) Wir haben erreicht, dass sich die Bundesregierung zu erheblichen Impulsen für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa bekennt. Dazu gehört, dass nicht abgerufene Mittel aus den Strukturfonds der laufenden Finanzperiode gezielt für wachstums- und beschäftigungsfördernde Maßnahmen eingesetzt werden.
Zudem darf es bei den Verhandlungen über den neuen EU-Finanzrahmen 2014-2020 zu keinen Kürzungen bei den Struktur- und Kohäsionsfonds kommen. Um zusätzliche Investitionen zu mobilisieren, soll das Kapital der Europäischen Investitionsbank erhöht und das Programm für europäische Projektanleihen aufgestockt werden. Insgesamt stehen damit rund 130 Milliarden Euro für Wachstumsimpulse zur Verfügung.
3) Die Bundesregierung hat in den Verhandlungen auch unserer Forderung zugestimmt, ein Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit auf den Weg zu bringen. Mit einer Jugendgarantie soll jedem Jugendlichen spätestens vier Monate nach Schulabschluss oder Eintritt in die Arbeitslosigkeit eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle angeboten werden. In den Mitgliedstaaten mit besonders hoher Jugendarbeitslosigkeit sollen durch zeitlich befristete Lohnzuschüsse Anreize für Unternehmen gesetzt werden, Jugendliche auszubilden oder neu einzustellen.
Die Bundesregierung wird sich ebenfalls dafür einsetzen, dass das bisher als Pilotprojekt laufende EURES-Programm zur Förderung der europaweiten Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf die Ausbildungsvermittlung erweitert und finanziell aufgestockt wird.
4) Die Bundesländer haben weiterhin bis 2020 Zeit, die Regeln der Schuldenbremse einzuhalten. Der Bund hat sich verpflichtet, die Kommunen im Sozialbereich finanziell um mehrere Milliarden Euro zu entlasten.
EUROPÄISCHER STABILITÄTSMECHANISMUS (ESM)
Der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM soll den zeitlich befristeten Rettungsschirm EFSF ablösen. Das Kreditvergabevolumen des ESM beträgt 500 Milliarden Euro, zudem stellen die teilnehmenden Staaten erstmals nicht nur Garantien zur Verfügung, sondern zahlen auch 80 Milliarden Euro Barkapital ein. Der deutsche Anteil beträgt derzeit 21,7 Milliarden Euro. Deutschland geht durch die Gewährung von Bürgschaften für notleidende Staaten im Rahmen der europäischen Rettungsschirme
erhebliche finanzielle Risiken ein. Diese Risiken sind jedoch vertretbar – denn sie sind nicht nur ein Signal der innereuropäischen Solidarität, sondern auch ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft.
In der aktuellen Debatte über die mit der Euro-Rettung verbundenen Kosten rückt der Mehrwert der Euro-Mitgliedschaft für die Bürgerinnen und Bürger leider zunehmend in den Hintergrund. Zu einer ehrlichen Bilanz gehört aber auch, Belastungen und Vorteile gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Wer das beherzigt, erkennt, dass Deutschland nicht der „Zahlmeister Europas“, sondern der größte Gewinner der Währungsunion ist. Etwa 40 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Eurozone, wodurch in Deutschland mehr als drei Millionen Arbeitsplätze gesichert werden. Im Jahr 2010 belief sich der positive Effekt der Währungsunion für die deutsche Wirtschaft auf 165 Milliarden Euro, das entspricht 6,4 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Die Stabilität des Euros und unserer Partnerländer liegt daher vor allem im deutschen Interesse, weil uns ein Zusammenbruch der Währungsunion am härtesten treffen würde. Der Exportnation Deutschland kann es auf Dauer nicht gut gehen, wenn die Wirtschaft im Rest Europas am Boden liegt. Unser Wohlstand beruht auf den in Deutschland hergestellten Produkten, die auch von unseren europäischen Partnerländern gekauft werden. Wenn es uns nicht gelingt, diese Länder dauerhaft zu stabilisieren, dann droht die Krise auch auf Deutschland überzugreifen. Wir retten nicht Griechenland oder Spanien, sondern wir retten letztlich auch den Wohlstand und die Arbeitsplätze in Deutschland!
Diese Solidarität ist selbstredend keine Einbahnstraße. Die betroffenen Staaten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden, Fehlentwicklungen abstellen und Schulden abbauen. Nur wenn die Eurozone stabilisiert wird, können die Länder die gewährten Kredite zurückzahlen. Wer jetzt aber ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone fordert, beschleunigt damit nur einen Staatsbankrott und vermindert so die Chance auf die vollständige Rückzahlung der deutschen Forderungen. Zudem hätte ein unkontrollierter Staatsbankrott auch verheerende Folgen für andere Krisenstaaten, die dann ebenfalls zur Zielscheibe spekulativer Angriffe würden.
AUSBLICK: WAS FOLGT NACH FISKALPAKT UND ESM?
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass Europa den Mut zu einer Lösung der Krise findet, die mehr ist als nur der Versuch das Schlimmste zu verhindern. Das gemeinsame europäische Handeln muss unsere Antwort auf die neuen Herausforderungen in einer immer stärker globalisierten Welt sein. Als Europapartei will die SPD „mehr Europa“ wagen, weil weder Deutschland noch ein anderes Land in Europa in der Lage sind, den Wohlstand, die Freiheit, das Klima und den Sozialstaat im Alleingang zu sichern. Statt des „Europas der Hinterzimmer“ à la Merkel arbeiten wir jedoch an einem Europa der Demokratie und starker Parlamente. Dafür bitten wir auch Sie um Unterstützung!
Mit freundlichen Grüßen
Elvira Drobinski-Weiß