Frage an Elke Ferner von Rainer Z. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Ferner,
gelten Marktwirtschaftliche Prinzipien nur wenn sie dem Kapital dienen ?
Wieso wird eine funktionierende marktwirtschaftliche Konkurenz der
Krankenkassen von der Regierung außer Kraft gesetzt ? Wo liegt der Vorteil für die Versicherten?Für mich persönlich steigt der Beitrag um
3,2 %, ohne eine Leistungsverbesserung!
Bravo Rainer Zimmer
Sehr geehrter Herr Zimmer,
vielen Dank für Ihre E-Mail über abgeordnetenwatch.de und ich bitte vielmals um Entschuldigung für die späte Beantwortung.
Die bisherigen Beitragsunterschiede von bis zu 4,7 Beitragssatzpunkten hatten nichts mit Marktwirtschaft zu tun, sondern mit der unterschiedlichen Risikoverteilung bei den einzelnen Krankenkassen und dem nicht ausreichenden Ausgleich der Risiken zwischen den Kassen. Dies führte zu Ungerechtigkeit und Wettbewerbsverzerrungen. Durch den ab 1. Januar 2009 (Absenkung zum 1. Juli 2009 von 15,5 % auf 14,9 %) geltenden einheitlichen allgemeinen Beitragssatz und die Einführung eines besseren Risikoausgleiches (Gesundheitsfonds) wurde dies beseitigt. Ein gleicher Beitragssatz für gleiche Leistungsansprüche entspricht dem Grundprinzip eines Solidarsystems wie der gesetzlichen Krankenversicherung. Das System wird dadurch gerechter und transparenter und führt zu mehr Verteilungs- und Belastungsgerechtigkeit, wie sie von der SPD angestrebt wird.
Die höhere Verteilungsgerechtigkeit wird erzielt, weil der Verteilungsmechanismus durch den Gesundheitsfonds verändert wird. Das Einkommen und die Höhe der Beitragszahlung der Mitglieder spielt für die Krankenkasse keine Rolle mehr, weil alle Beitragszahlungen an den Gesundheitsfonds gehen. Der Gesundheitsfonds verteilt die Beitragseinnahmen an die Krankenkassen. Diese erhalten für jede Versicherte/jeden Versicherten standardisierte Zuweisungen, für Versicherte mit kostenintensiveren Erkrankungen gibt es Zuschläge.
Der Wettbewerb der Kassen wird sich künftig auf gute und am Behandlungsbedarf der Patientinnen und Patienten ausgerichtete Angebote konzentrieren, was insbesondere auch Rentnerinnen und Rentner zugute kommt. Bis Ende 2008 mussten die großen Versorgerkassen, die rund 70 Prozent der Rentnerinnen und Rentner versichern, überwiegend aufgrund der Risiko- und Einkommensstruktur ihrer Mitglieder einen überdurchschnittlichen Beitragssatz erheben, während sogenannte Internetkassen gesunde Versicherte mit geringem Leistungsbedarf durch zum Teil deutlich unterdurchschnittliche Beitragssätze absichern konnten.
Die AOK Berlin musste beispielsweise einen Beitragssatz von 15,8 Prozent plus dem zusätzlichen Beitragssatz von 0,9 Prozent erheben, vor allem weil etwa die Hälfte ihrer Versicherten Rentnerinnen oder Rentner sind. Auch die AOK Saarland hat diesen hohen Beitragssatz erhoben und hat mittlerweile nur noch 170.000 Versicherte, von denen gut 84.000 Rentnerinnen und Rentner sind. Dagegen konnte ihr größter Konkurrent, die IKK-Südwest, bei 314.000 Versicherten und nur 10.000 Rentnerinnen und Rentnern einen Beitragssatz von nur 12,3 Prozent erheben.
Diese Verteilung war unfair und deshalb haben wir diese Wettbewerbsverzerrung beseitigt. Krankenkassen, die mehr ältere und mehr kranke Menschen versichern, erhalten durch die Neuordnung der Finanzierung mehr Geld aus dem "Solidartopf" als bisher, weil die Unterschiede im Leistungsbedarf der Versicherten durch die neuen Umverteilungsmechanismen des Gesundheitsfonds besser ausgeglichen werden können.
Sie erwähnen in Ihrer Anfrage, dass es für Sie zu keinen Leistungsverbesserungen gekommen ist. Das ist nicht der Fall, im Gegenteil! Dies ist die erste Gesundheitsreform seit vielen Jahren, durch die keine Zuzahlungen erhöht oder Leistungsbereiche ausgeschlossen wurden. Vielmehr wurden Leistungen dort zielgenau ausgebaut, wo es notwendig war.
Menschen, die an schweren oder seltenen Krankheiten leiden und eine spezialisierte Versorgung benötigen (zum Beispiel Aids- oder Krebspatientinnen und -patienten), sollen eine bestmögliche Behandlung erhalten. Deshalb haben wir die Krankenhäuser für die ambulante Versorgung dieser Patientinnen und Patienten geöffnet. Sterbende und schwerstkranke Menschen sollen in Würde sterben können und möglichst wenig Schmerzen erleiden müssen. Deshalb werden wir für ihre Versorgung so genannte Palliative Care Teams aus ärztlichem und pflegerischem Personal zulassen. Insbesondere wird die Versorgung schwerstkranker und sterbender Kinder in Kinderhospizen verbessert. Unter anderem werden stationäre Kinderhospize finanziell entlastet, indem der Kostenanteil, den sie bisher zum Beispiel durch Spenden aufbringen mussten, von zehn auf fünf Prozent gesenkt wird.
Ältere Menschen sollen nach einem Unfall oder einer Krankheit weiter nach ihren eigenen Vorstellungen den Alltag gestalten können und nicht in einem Pflegeheim untergebracht werden müssen. Deshalb wird es für diese Menschen zukünftig einen Rechtsanspruch auf Rehabilitation geben. Damit dadurch keine Verwerfungen entstehen, machen wir alle Reha-Leistungen zu Pflichtleistungen.
Die (zumeist älteren) Menschen, die in Wohngemeinschaften oder anderen neuen Wohnformen leben, erhalten einen Rechtsanspruch auf häusliche Krankenpflege und werden dadurch den Patienten in normalen Privathaushalten gleichgestellt. Zukünftig kann jede/jeder Versicherte, egal ob gesetzlich oder privat, direkten Zugang zu den besten Ärzten des Landes erhalten. Entsprechende Tarife werden zukünftig auch von den gesetzlichen Krankenkassen angeboten. Empfohlene Impfungen sowie notwendige Mutter-/Vater-Kind-Kuren müssen zukünftig von den Krankenkassen bezahlt werden.
Viele dieser zusätzlichen Leistungen haben wir Sozialdemokraten gegen den Widerstand der Union in den schwierigen und langwierigen Verhandlungen zur Gesundheits- und Pflegereform durchsetzen können. Auch wenn ich hoffe, dass Sie diese Leistungen nie in Anspruch nehmen müssen, stehen sie Ihnen offen, wenn Ihr Gesundheitszustand dies erfordert.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Elke Ferner