Frage an Elke Ferner von Robert K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Ferner!
(Nicht nur) Im Vorfeld der anstehenden vier Wahlen im Saarland - möchte ich Sie konkret fragen:
- wie stehen Sie zu einer Wahlrechtsänderung dahingehend, daß auf kommunaler, Landes- und Bundesebene Kumulieren und Panaschieren ermöglicht werden,
- auf kommunaler und Landesebene im Saarland das absolute Finanztabu bei Bürgerbegehren aufgehoben bzw. auf einen zu bestimmenden %-Satz des jeweiligen Haushalts begrenzt wird,
- der umfassende Ausschluß von Themen bei Bürgerbegehren reduziert wird?
- Wie ist Ihre Position zur Einführung des Volksentscheids auf Bundesebene? Dies auch vor dem Hintergrund, daß die Einführung des VE auf EU-Ebene ( in der ca. 80% der auch in der BRD wirksamen Gesetze verabschiedet werden ) vorgesehen ist, bislang aber hierzulande de facto auch von der SPD als (auf Bundesebene) verzichtbar/ obsolet/ problematisch nicht aktiv vorangetrieben wird.
Mit Dank im Voraus für Ihre Antwort und freundlichem Gruß
Dr.Robert Karge
Sehr geehrter Herr Dr. Karge,
vielen Dank für Ihre E-Mail über abgeordnetenwatch.de, in der Sie Fragen zu den Themen Wahlrecht/direkte Demokratie stellen, auf die ich im Folgenden gerne antworten möchte.
Kumulieren und Panaschieren
In einigen Bundesländern ist bereits jetzt bei Landtags- und/oder Kommunalwahlen Kumulieren und Panaschieren möglich. Sicherlich hat dies den Vorteil, dass die Menschen noch gezielter die Personen wählen können, von denen sie glauben, diese Personen könnten sie am besten in einem politischen Amt vertreten. Dies hat weder zu einer höheren Wahlbeteiligung geführt, noch dazu dass - von Einzelfällen abgesehen - die vorgeschlagene Listenreihenfolge wesentlich verändert wird. Jedes System hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil beim Kumulieren und Panaschieren ist, dass die Personen und weniger die politischen Ziele im Mittelpunkt stehen. Außerdem ist es wesentlich schwieriger, eine angemessene Vertretung von Frauen in den Räten sicherzustellen.
Die KandidatInnen werden von den Parteien ins Rennen geschickt und auch finanziell unterstützt. Sie vertreten die Partei nach außen und sind von deren Gremien letztendlich in die Position gewählt worden, die ihnen ermöglicht für ein öffentliches Amt zu kandidieren. Daher ist es meines Erachtens auch richtig, dass die Partei festlegt, welche Position auf der Liste die einzelnen KandidatInnen erhalten. Abgesehen von den wenigen Personenwahlen (zum Beispiel Bürgermeisterwahlen) werden im überwiegenden Teil der Wahlen in Deutschland Parteien gewählt. Wahlen durch eine stärkere Konzentration auf Personen attraktiver gestalten zu wollen, halte ich für den falschen Weg. Die politischen Inhalte der Programme sollten ausschlaggebend für die Wahl der einen oder anderen Partei sein. Wer diese präsentiert, sollte dabei nicht die wichtigste Rolle spielen. Ich denke, wir haben auf Bundes- und auf Landesebene ein Programm vorgelegt, für das es sich lohnt, die SPD zu wählen.
Bürgerbegehren / Volksentscheid
Für welche Themen im Einzelnen ein Volksentscheid auf Landesebene oder kommunaler Ebene denkbar wäre, wird man sicherlich noch im Detail beraten. Doch im Regierungsprogramm der SPD Saar ist bereits die Absenkung der Mindestbeteiligung und die Zulassung finanziell relevanter Volksentscheide bei Wahrung des Budgetrechtes des Parlaments aufgenommen worden. Dies findet meine volle Unterstützung.
Die SPD-Bundestagsfraktion hatte bereits 1993, im Anschluss an die Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission, einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem ein Volksentscheid auf Bundesebene ermöglicht werden sollte. Im Jahr 2002 hatten wir zusammen mit dem damaligen Koalitionspartner erneut einen Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid eingebracht. Da es sich um eine Verfassungsänderung handelte, bedurfte es aber einer Mehrheit von zwei Dritteln in Bundestag und Bundesrat, die nicht zustande kam, da die CDU/CSU-Fraktion das Vorhaben ablehnte.
Im Jahr 2004 haben wir deshalb nochmals versucht, die CDU/CSU-Fraktion umzustimmen, was leider nicht gelungen ist. Wir haben das Vorhaben trotzdem weiter verfolgt. Daher stand im Wahlmanifest der SPD zur Bundestagswahl 2005: "Wir brauchen mehr direkte Demokratie und damit den Volksentscheid." Im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU konnte 2005 leider nur vereinbart werden: "Die Einführung von Elementen der direkten Demokratie werden wir prüfen." Die CDU/CSU-Fraktion hält aber bis jetzt an ihrer überkommenen Auffassung fest, weshalb das Vorhaben in dieser Wahlperiode erneut zum Scheitern verurteilt ist.
Den Standpunkt der SPD haben wir nochmals im Hamburger Parteiprogramm von 2007 mit den Worten bekräftigt: "Der Verbindung von aktivierendem Staat und aktiver Zivilgesellschaft dient auch die direkte Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger durch Volksbegehren und Volksentscheide. In gesetzlich festzulegenden Grenzen sollen sie die parlamentarische Demokratie ergänzen, und zwar nicht nur in Gemeinden und Ländern, sondern auch im Bund." In unserem Regierungsprogramm 2009-2013 haben wir das ganze noch einmal sehr konkret gemacht: "Wir wollen Volksbegehren und Volksentscheide auch auf Bundesebene ermöglichen und dabei die Erfahrungen in den Ländern berücksichtigen."
Das Thema wird deshalb auf der Tagesordnung bleiben und ich hoffe, dass wir auch dafür im September eine Mehrheit bekommen.
Mit freundlichen Grüßen
Elke Ferner