Frage an Elke Ferner von Susanne D. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Ferner,
ich möchte wissen, warum die Bundesregierung ignoriert, daß mehr als 2 Drittel der Bevölkerung gegen den Einstz der Bundeswehr in Afghanistan sind?
Susanne Dosch
Sehr geehrte Frau Dosch,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Afghanistan. Leider ist mir die repräsentative Umfrage in der Bevölkerung Afghanistans zum Einsatz der Bundeswehr nicht bekannt. Bitte senden Sie mir diese doch unter elke.ferner@bundetag.de zu.
Davon abgesehen habe ich in vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, die selber vor Ort waren, um sich ein Bild von der Situation der afghanischen Bevölkerung und dem Zustand der ISAF-Truppe zu machen, einen anderen Eindruck vermittelt bekommen:
Der Einsatz von ISAF in Afghanistan ist unverzichtbar für die Schaffung eines sicheren Umfeldes, in dem langfristig Stabilisierung und Entwicklung stattfinden können. Insofern verfolgt ISAF keine militärische, sondern eine politische Zielsetzung. Die Erfolge, die politisch und beim Aufbau erreicht wurden, bestätigen die Notwendigkeit eines weiteren Einsatzes.
Zur bisherigen Bilanz des Einsatzes gehört die Durchführung von freien Wahlen und die Entstehung von Verfassungsorganen. Seit Januar 2004 hat Afghanistan mit Hamid Karzai einen frei gewählten Staatspräsidenten, seit September 2005 gibt es auch erstmals ein in freien und allgemeinen Wahlen bestimmtes Abgeordnetenhaus. Afghanistan hat eine Verfassung, die den Frauen und Mädchen gleiche Rechte wie den Männern einräumt.
Der Rückgang der Kindersterblichkeit und die Tatsache, dass mittlerweile 85% der Afghanen Zugang zur medizinischen Versorgung haben, zeigen z.B., dass das Gesundheitswesen bedeutsame Fortschritte gemacht hat. Erfolge gibt es z.B. auch im Bildungsbereich: 75% der Jungen und 35% der Mädchen gehen inzwischen zur Schule. Seit 2001 wurden landesweit 3.500 Schulen gebaut, die Zahl der Schülerinnen und Schüler hat sich auf rund sechs Millionen mehr als verfünffacht. Die afghanische Wirtschaft kommt voran: Die Exporte steigen, das Bruttoinlandsprodukt wächst jährlich mit zweistelligen Raten. Das Pro-Kopf-Einkommen hat sich in den letzten fünf Jahren auf rund 220 Euro verdoppelt. Auch wenn diese und weitere Fortschritte nicht ausreichen, sie eröffnen den Afghanen neue Chancen.
Es gibt keine einfache und keine rasche Lösung für die Probleme in Afghanistan. Deshalb fällt eine Entscheidung für oder gegen einen internationalen Einsatz niemandem leicht. Jeder weiß, die Arbeit in Afghanistan ist nicht einfach und alles andere als ungefährlich. Dennoch ist die Bundesrepublik Deutschland hier im Wort. Es geht im Kern um zwei Dinge: um die Zukunft Afghanistans und um unsere eigene Sicherheit. Die afghanische Bevölkerung vertraut auf deutsche Hilfe und die internationale Gemeinschaft auf unsere Solidarität. Ein Abzug zum jetzigen Zeitpunkt würde die geleistete Arbeit in Frage stellen und erhebliche negative Folgen haben: Für die Afghanen und unsere Partner wie für uns selbst. Verantwortbar ist dies erst, wenn sichergestellt ist, dass Afghanistan aus eigener Kraft für Frieden und Sicherheit seiner Bevölkerung sorgen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Elke Ferner