Frage an Elke Ferner von Yves B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Ferner,
wie ich der Dokumentation Ihres Abstimmungsverhaltens auf Abgeordnetenwatch entnehme, haben Sie das neue Gesetz zur Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung am 21.02.2014 mitgetragen. Obgleich ich die Ausweitung des bisherigen Straftatbestandes begrüße, lässt mich folgender (hier gekürzt wiedergegenbene) Bericht Gregor Hackmacks von der Bundestagsanhörung am 18.02.2014 an ihrer faktischen Wirksamkeit zweifeln:
"Alle anderen Sachverständigen - selbst die der Großen Koalition! - schlossen sich unserer Forderung an: Die Formulierung ,im Auftrag oder auf Weisung´ sollte aus dem Entwurf gestrichen werden. Eine von der Union geladene Strafverteidigerin gab zu, dass es aufgrund dieser Formulierung wohl nie zu einer Verurteilung kommen wird. Einem Politiker dürfte nicht nachzuweisen sein, dass er im Auftrag oder auf Weisung gehandelt hat. Leider interessiert das die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD nicht. Längst ist der Gesetzestext von den Fraktionsspitzen beschlossen und Teil eines Gesamtpakets. Zu diesem Paket auch eine saftige Diätenerhöhung um mehr als 10 Prozent. Als ich die Abgeordneten aufforderte, sich nicht an die Vorgaben der Fraktionsspitze zu halten und nur nach dem eigenen Gewissen zu entscheiden, ging ein empörtes Rauen durch den Saal."
Diesbezüglich bitte ich um Auskunft,
-ob auch Sie als Koalitionsabgeordnete den Änderungsantrag der Grünen, die strittige Formulierung zu ändern, abgelehnt haben, und wenn ja, warum,
-warum Sie, wie ich ebenfalls sehe, der Diätenerhöhung zugestimmt haben,
-und ob Sie in Betracht ziehen, dass der Entwurf zur Diätenerhöhung von Teilen der Öffentlichkeit als Versuch der Regierungsfraktionen gesehen wird, den eigenen Abgeordneten die Zustimmung zu einem Anti-Bestechungsgesetz abzukaufen.
Mit freundlichen Grüßen
Yves Busch
Sehr geehrter Herr Busch,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 03. März 2014. Gerne beziehe ich zur angesprochenen Thematik Stellung.
Zunächst sprechen Sie die Neuregelung der Abgeordnetenbestechung an. Die Formulierung des Gesetzentwurfs beruht auf Artikel 38 Absatz 1 Satz des Grundgesetzes und schützt die Ausübung des freien Mandates. Demnach sind Abgeordnete an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Strafbar macht sich ein Abgeordneter, wenn er einen Vorteil – beispielsweise ein Bestechungsgeld – annimmt und als Gegenleistung dafür seine innere Überzeugung den Interessen des Vorteilsgebers unterordnet.
Der vorliegende Gesetzentwurf setzt eine konkrete Unrechtsvereinbarung voraus, der Vorteil muss also gerade dafür gefordert oder gewährt werden, dass der Mandatsträger sich in einer bestimmten Weise im Auftrag oder nach Weisung des Auftraggebers verhält. Ein derartiges Verhalten steht nämlich in Widerspruch zur Ausübung des freien Mandats. Ein förmliches Auftrags- oder Abhängigkeitsverhältnis muss dafür jedoch nicht bestehen. Für ein Verhalten „im Auftrag oder auf Weisung“ und damit für eine Verletzung des freien Mandats ist es aus-reichend, dass der Abgeordnete durch den Vorteil dazu verleitet wird, den Interessen des Vorteilsgebers zu folgen, und sich auf diese Weise „kaufen“ lässt.
Darüber hinaus sehe ich durch die Formulierung „im Auftrag oder auf Weisung“ auch keine speziellen Beweisschwierigkeiten. Korruption findet im Verborgenen statt und lässt sich daher in den meisten Fällen nicht leicht nachweisen. Das liegt im Wesen der Korruption und nicht in der Formulierung des Tatbestandes. Beweisschwierigkeiten sind jedoch keine Rechtfertigung für eine Überkriminalisierung. Kritikern ist auch entgegenzuhalten, dass sich Abgeordnete schon dann strafbar machen können, wenn sie einen Vorteil fordern und als Gegenleistung dafür weisungsgemäßes Verhalten anbieten. Dass Geld tatsächlich geflossen ist und der Abgeordnete seine Gegenleistung weisungsgemäß erbracht hat, muss nicht nachgewiesen werden. Politik und damit auch jeder und jede Abgeordnete ist auf Informationen, Meinungsaustausch, dem Werben für Positionen und der Artikulation unterschiedlicher Interessen angewiesen. Der Austausch von Meinungen und die Durchsetzung von Auffassungen und Interessen sind Kernbestandteile unsrer pluralistischen Gesellschaft.
Als weiteren Punkt sprechen Sie die Anpassung der Abgeordnetenentschädigung an. Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind in der besonderen Situation, selbst über ihre Abgeordnetenentschädigung entscheiden zu müssen. Dazu gibt es keine verfassungsrechtlich zulässige Alternative. Diese Haltung des Bundesverfassungsgerichts wird immer wieder kritisiert, hat aber auch den Vorteil, dass Erhöhungen von Abgeordnetenentschädigungen transparent und öffentlich nachvollziehbar geschehen.
Grundlage des Gesetzentwurfs sind die Empfehlungen einer unabhängigen Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts. Der Deutsche Bundestag hatte sie Ende 2011 einvernehmlich eingesetzt. Auftrag der Kommission war es, Vorschläge für ein transparentes, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechendes Verfahren für die Höhe der Abgeordnetenentschädigung und deren zukünftige Anpassung sowie für die Altersversorgung der Abgeordneten vorzulegen. Am 19. März 2013 hat die SPD-Bundestagsfraktion den Bericht im Rahmen der Fraktionssitzung unter Beteiligung von zwei Mitgliedern der unabhängigen Kommission, Professor Dr. Suzanne S. Schüttemeyer und Professor Dr. Wolfgang Zeh, eingehend beraten (der Kommissionsbericht ist abrufbar unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/125/1712500.pdf ).
Die Kommission empfiehlt, die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten (R 6) zu orientieren. Die Tätigkeit einer/eines Abgeordneten als Mitglied eines obersten Verfassungsorgans ist nach Auffassung der Kommission am ehesten mit einem Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes vergleichbar. Beide nehmen ihre Tätigkeit unabhängig wahr. Damit ist ein nachvollziehbarer und zuverlässiger Bezugsrahmen gefunden, der den Bürgerinnen und Bürgern eine bessere Orientierung bietet als z. B. die große Bandbreite der Bezüge von freiberuflich Tätigen, Geschäftsführern und Vorständen. Mit dieser Orientierungsgröße erhalten Abgeordnete eine Entschädigung wie Unterabteilungsleiter_innen in Bundesministerien oder Landrät_innen und Bürgermeister_innen mittelgroßer Städte. Dies entspricht der Größe eines Wahlkreises, der etwa 250 000 Einwohner umfasst.
Die letzte Diätenerhöhung erfolgte zum 08. November 2011. Die nunmehr beschlossene Anhebung der Diäten auf die Bezugsgröße R6 erfolgt in zwei Schritten am 01.07.2014
und am 01.01.2015.
Ab dem 01. Juli 2016 soll die Abgeordnetenentschädigung dann entsprechend der Erhöhung des Nominallohnindexes des Statistischen Bundesamtes jährlich angepasst werden. Dieser Index erfasst die Entwicklung der Bruttomonatsverdienste aller abhängig Beschäftigten im Bundesgebiet. Zukünftig soll der Bundestag einmal zu Beginn der Legislaturperiode be-schließen, dass die Diäten jährlich entsprechend der Veränderung des Index durch den Bundestagspräsidenten angepasst werden. Damit ist sichergestellt, dass die Abgeordneten an der durchschnittlichen - positiven wie negativen - Einkommensentwicklung teilhaben, ohne dass der Bundestag jedes Jahr einen neuen Beschluss fassen muss.
Wir machen mit dem Gesetzentwurf nicht nur für jetzt einen Vorschlag, sondern legen auch für die Zukunft die Grundlage für einen Konsens über die Frage „was Abgeordnete verdienen sollen“.
Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass auch eine Verschlechterung bei der Altersversorgung Gegenstand der Änderungen im Abgeordnetengesetz war.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Elke Ferner