Frage an Elke Ferner von Yves B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Ferner,
in folgendem Nachrichtenartikel: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,777968,00.html
werden brisante Vorwürfe in Bezug auf den Umgang der SPD, die in anderen Zusammenhängen gern Toleranz fordert, mit den "Laizisten in der SPD" erhoben:
In dem Artikel erklärt der Sprecher der Gruppe, Oliver Lösch: "Freiheit von der Religion, aber eben auch Freiheit zur Religion gibt es nur bei einer klaren Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften." Insbesondere kritisiert er finanzielle Privilegien der Kirche von ca. 19 Milliarden Euro. Diese trügen auch zum ständigen Mangel an Geld für soziale Zwecke bei, nur 8% der Kirchensteuer würden für solche ausgegeben.
Laut Artikel hat der Parteivorstand im Mai beschlossen, den Laizisten die Anerkennung als Arbeitskreis zu verweigern, während ein Arbeitskreis "Christen in der SPD" durchaus geduldet wird. Weiterhin werde ihnen die Domain „www.spd-laizisten.de“ untersagt und teilweise vorgehalten, Laizismus sei mit dem Parteiprogramm unvereinbar. Lösch, der sich, wie seine Mitstreiter, in Einklang mit den Werten der Partei sieht, beklagt, häufig würden "Werte" mit "christlichen Werten" gleichgesetzt, als könne es keinen anderen Unterbau geben.
Ich bitte um begründende Auskunft,
-ob (und wenn ja, welche) Programmpunkte der SPD Ihrer Meinung nach mit dem Laizismus unvereinbar sind
-wie Sie als Mitglied des Parteivorstands bzgl. seines Beschlusses im Mai agiert haben
-welche Haltung Sie als MdB gegenüber laizistischen Auffassungen vertreten.
Mit freundlichen Grüßen
Yves Busch
herzlichen Dank für Ihre Anfrage vom 14.08.2011 über die Webseite
WWW.ABGEORDNETENWATCH.DE bzgl. des Themas „Demokratie und Bürgerrechte“
Die SPD ist eine weltanschaulich plurale Partei, in der Menschen aus unterschiedlichen Begründungen für die programmatischen Ziele der Partei zusammen arbeiten. Das ist unser Markenzeichen. Selbstverständlich können deshalb innerhalb der SPD auch laizistische Positionen vertreten werden. Allen Mitgliedern ist es unbenommen, ihre Positionen und Forderungen in bestimmten Fragen innerhalb der Partei zu vertreten und für sie zu werben - das auch dann, wenn sie auf einen substanziellen Kurswechsel zielen.
Die Frage ist aber, in welcher Form dies geschehen sollte. Der Parteivorstand ist der Auffassung, dass dies nicht im Rahmen eines vom Parteivorstand anerkannten Arbeitskreises geschehen kann. Deshalb hat er in seiner Sitzung am 9. Mai 2011 den Antrag der Gruppe auf Anerkennung abgelehnt. Denn ein Arbeitskreis ist eine unselbständige Einrichtung des Parteivorstands oder des Vorstands einer Gliederung. Er handelt in dessen Auftrag und der Vorsitz von Arbeitskreisen kann sogar vom Vorstand bestimmt werden. Hätte der Parteivorstand dem Antrag auf Anerkennung eines „AK Laizistinnen und Laizisten in der SPD“ zugestimmt, so hätte er einem Kreis den Auftrag gegeben, für Forderungen zu werben, die im Widerspruch zum eigenen Grundsatzprogramm stehen. Denn die Gruppe, die sich am 16. Oktober 2010 in Berlin zusammengeschlossen hat, hat sich zum Ziel gesetzt, eine strikte Trennung nicht nur von Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern von Staat und Religion insgesamt durchzusetzen. Das widerspricht der historischen Tradition und dem Programm unserer Partei. Das Hamburger Grundsatz-Programm führt die religionspolitische die Linie des Godesberger (1959) und des Berliner Programms (1989) weiter und nennt die jüdischen und christlichen Wurzeln der SPD gleichberechtigt neben Humanismus und Aufklärung, marxistischer Gesellschaftsanalyse und den Erfahrungen der Arbeiterbewegung. Es bekennt sich zur Achtung vor den Kirchen und Religionsgemeinschaften, zur Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit ihnen und zur Anerkennung von deren Recht, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln. Für die SPD sind die Kirchen und Religionsgemeinschaften, so heißt es wörtlich, „unverzichtbare Partner auf dem Weg zu einer humanen, zukunftsfähigen Gesellschaft“. Der Hinweis auf die Existenz eines christlichen und eines jüdischen Arbeitskreises entkräftet die Argumente gegen einen AK Laizismus auch nicht. Denn der Laizismus ist kein religiöses oder weltanschauliches Bekenntnis, sondern ist eine Positionierung in einer bestimmten Sachfrage - zur Regelung des Verhältnisses zwischen Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften. Dem gegenüber bilden der christliche und der jüdische AK eine Arbeitsplattform, die sozialdemokratische Positionen in die Kirchen und in die jüdische Gemeinschaft hinein vermitteln. Laizistisch gesinnte SozialdemokratInnen können in den Gremien der SPD auf allen Ebenen für ihre Positionen werben und Mehrheiten hierfür suchen. Nur eben in den Gremien der Partei und nicht mit einem eigenen AK. Die Sachfragen, die hinter der Forderung nach Anerkennung eines solchen Arbeitskreises stehen, nehmen wir gleichwohl sehr ernst. Sie sollen in der politischen Diskussion der SPD Raum bekommen - gerade auch unter Einbeziehung der Genossinnen und Genossen, die sich für eine deutlichere Trennung von Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften einsetzen. Wir würden uns freuen, wenn sich religiöse und nichtreligiöse Menschen an den Debatten gleichermaßen beteiligen würden. Denn die SPD hat eine starke humanistische und freidenkerische Tradition, die sich lohnen würde, in den ethischen Debatten und für die Grundierung sozialdemokratischer Ziele zur Geltung gebracht zu werden. Dies gilt gerade angesichts der Tatsache, dass in Deutschland der Anteil der Menschen wächst, die nicht (mehr) Mitglieder einer Kirche oder Religionsgemeinschaft sind. Das wäre auch ein wichtiger Beitrag dazu, die religiöse und weltanschauliche Pluralität der Partei, die sie seit Godesberg 1959 kennzeichnet, für die gegenwärtige Gesellschaft fruchtbar zu machen.
Ich hoffe, ich konnte alle ihre Fragen, zu ihrer Zufriedenheit beantworten. Falls Sie weitere Fragen haben sollten, wenden Sie sich gern an mein Büro. Mit freundlichen Grüßen
Elke Ferner