Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Lea T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,
Ich bin Lea Thomssen, 16 Jahre alt und gehe in die 10 Klasse des John-Brinckman-Gymnasiums in Güstrow.
Zurzeit schreibe ich meine Facharbeit zum Thema „Frauen in der CDU“. Ich bin nämlich der Meinung das, dass Thema Frauen in der Politik von großer Bedeutung ist! Bekanntlich liegt der Frauenanteil der CDU bei nicht mehr als 26,5% .Das ist definitiv zu wenig! Ich möchte mehr darüber erfahren und da wäre es toll, wenn sie mir meine Fragen beantworten könnten.
-Haben sie erlebt, das mit Politikerinnen in der Öffentlichkeit anders umgegangen wurde als mit Politikern?
-Sehen Sie es als einen Nachteil mit der Mehrheit von Männern Politik zu machen ?
Wenn nicht gibt es vielleicht auch Vorteile ?
-Wie sollten Ihrer Meinung nach, Frauen gefördert werden? Was sagen Sie zur Quote?
-Was sind Ihre Wünsche oder Ratschläge an junge, politisch interessierte Frauen?
Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen !
Mit freundlichen Grüßen
Lea Thomssen
Liebe Lea,
vielen Dank für die Frage und das Interesse am Thema „Frauen in der Politik“.
- Dass mit Frauen anders umgegangen wird, erlebe ich immer wieder. Beispielsweise wurde ich immer wieder gefragt, wie ich es schaffe, meinen Fulltime-Job in der Politik mit meiner Familie zu vereinbaren. Bei Männern ist das überhaupt kein Thema. Als Frau in der Öffentlichkeit steht man stärker unter Beobachtung, vor allem in Bezug auf Kleidung, Aussehen und Verhalten.
- Ich habe keinerlei Vorbehalte gegen männliche Kollegen – die Zusammenarbeit funktioniert gut mit beiden Geschlechtern; auch Probleme kann es mit beiden geben. Insgesamt ist der Stil in gemischten Teams m.E. sachlicher und entspannter, als in reinen Männer- oder Frauenrunden. Ob frau eher von Männern oder Frauen profitiert, ist nicht leicht zu beantworten. M.E. macht die gelegentlich gezielte Förderung von Frauen den Nachteil von weniger Lautstärke, weniger Ellbogeneinsatz, weniger unverbrüchlichem Selbstvertrauen, mit dem Männer zumeist ausgestattet sind, bisher allerdings kaum wett.
- Abgesehen davon bin ich überzeugt, dass wir mehr Frauen an entscheidenden Stellen brauchen: (1.) für bessere Lösungen: Frauen setzen oft andere Prioritäten und bringen andere wichtige Erfahrungen mit. Ihre Sichtweise und ihre Argumente machen das Bild erst vollständig und das ist Voraussetzung dafür, gute Lösungen zu finden, die auch im wirklichen Leben funktionieren. (2.) Eine Volkspartei darf/muss auch wahltaktisch denken und muss alle BürgerInnen ansprechen. Die Hälfte der Wahlberechtigten ist weiblich und erwartet, dass sie angemessen repräsentiert wird. Das muss sich auch in sichtbaren Mandatsträgerinnen widerspiegeln. (3.) Gleichberechtigte Beteiligung ist auch eine Frage von persönlicher Chancengleichheit in diesem Beruf.
Eine Quote kann Veränderungen beschleunigen. Sie ist allerdings in der Politik schwierig, weil sie bei Wahlen nur sehr eingeschränkt mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen der freien und gleichen Wahl vereinbar ist. Mandate werden nach deutschem Wahlrecht (Bundestag, Landtage zum Teil unterschiedlich) als Direktmandate und als Listenmandate vergeben. Bei Direktmandaten kann jeder Wahlkreis allein entscheiden, wem er das Mandat überträgt. Hier spielt keine Rolle, ob schon in den Nachbarwahlkreisen Männer nominiert wurden; Quoten greifen hier deshalb nicht. Quoten wirken vor allem bei Listen und damit bei Parteien, die viele Mandate über Listen erhalten. Da ist es leicht, als Parteispitze von vornherein ein Reißverschlusssystem vorzugeben. Die CDU gewinnt bisher ihre meisten Mandate als Direktmandate, die von der Parteispitze kaum zu beeinflussen sind. Wenn es um interne Parteientscheidungen geht, ist es etwas einfacher: Parteien können sich Quoten für ihre Ämter geben, so dass dadurch mehr Frauen z.B. in Vorstandsämter gewählt und damit sichtbarer werden, wenn es um die Suche nach geeigneten KandidatInnen geht. Außerdem können Parteien auch intern beschließen, ihre Listen nach Quoten zu besetzen. All das muss eine Mehrheit finden, was keine einfache Sache ist. Denn viele Männer wollen lieber nichts ändern, und auch (vor allem junge) Frauen meinen oft, dass sie es mit Qualifikation und Einsatz auch schaffen können und dass sie nicht als „Quotenfrauen“ gelten wollen (m.E. eine Fehleinschätzung). Die CDU hat sich vorgenommen, hier zu mehr verbindlicher Beteiligung von Frauen zu kommen und hat dazu einen Stufenplan beschlossen, mit dem über einen Zeitraum von fünf Jahren die Repräsentation von Frauen in den Entscheidungsgremien der Partei gesteigert werden soll; dazu soll es auch eine Quote geben, siehe: https://www.cdu.de/strukturundsatzungskommission?utm_source=Newsletter&utm_medium=email&utm_content=&utm_campaign=email-campaign.
- Ich rate jungen Frauen in Parteien zu gehen, sich zu engagieren und eigene Ideen dort einzubringen. Wichtig ist, sich gut auf Themen vorzubereiten, um selbstsicher auftreten zu können und damit auch klar die eigene Qualifikation und das eigene Engagement unter Beweis zu stellen - auch als klare Ansage gegenüber männlichen Konkurrenten (außerdem trägt das gleich zu besseren Entscheidungen bei ;-)). Hilfreich sind auch Medientraining und MentorenInnenprogramme, die die Parteien für engagierte Mitglieder zumeist intern anbieten.
Ich hoffe das hilft weiter und wünsche viel Erfolg!
Elisabeth Winkelmeier-Becker