Frage an Elisabeth Scharfenberg von Christian S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Scharfenberg
Mein Name ist Christian Schwarz, ich arbeite seit 1973 in der Pflege und leite z. Z. eine psychiatrische Klinik.
Es gibt derzeit kein Bewerbermangel für Pflegeberufe, aber es gibt leider ein Mangel an qualifizierten Bewerbern.
Bisher ist die Vorrausetzung zum Erlernen eines Pflegeberufes (Krankenpflege oder Altenpflege gleichermaßen) in Deutschland ein mittlerer Bildungsabschluss.
Deutschland ist damit Schlusslicht in der EU, da in fast allen EU - Mitgliedsstaaten die Ausbildung als Hochschulstudium oder zumindest parallel als Hochschulstudium und Ausbildung in Sekundarstufe II geregelt wird. Obwohl wir Schlusslicht in Europa sind, und die Koalition in Berlin eine Weiterentwicklung der Pflegeberufe im Koalitionsvertrag festlegt (auch die damit verbundene Qualität), will sie nun, allen voran Ulla Schmidt, aus Arbeitsmarktpolitischen Gründen den Zugang zur Pflegeausbildung für Hauptschulabsolventen absenken und das in aller Heimlichkeit. Die Ausbildung der Pflege jedoch ist heutzutage eine hoch komplexe Angelegenheit. Schon heute, so berichten viele Schulen haben Pflegeschüler mit mittlerem Bildungsabschluss oft Schwierigkeiten die Anforderungen der theoretischen Ausbildung zu bewältigen sowie geeignete Bewerber mit dem aktuell verlangten Schulabschluss zu finden.
Sollte sich die Koalition in Berlin mit ihrem Vorhaben der Absenkung der Zugangsberechtigung durchsetzen bedeutet das, dass der Ausbildungsanspruch drastisch gesenkt werden muss womit automatisch die Qualität der Pflege gesenkt wird. Sie wird auch nicht auf dem heutigen Stand gehalten werden können.
Ich möchte Sie bitten, dem Änderungsantrag (BT-Drucksache 16 (14) 0527: Artikel 12a) zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (BT-Drucksache 16/12256) nicht zuzustimmen. Für eine baldige Antwort Ihrer Sichtweise sowie Stimmverhaltens bezüglich des Änderungsantrages wäre ich Ihnen sehr verbunden.
MfG
Christian Schwarz
Sehr geehrter Herr Schwarz,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 10. Juni 2009, in der Sie auf den im Rahmen der Arzneimittelgesetzes-Novelle (AMG) eingebrachten Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zur Absenkung der Zugangsvoraussetzungen zur Krankenpflegeausbildung im Krankenpflegegesetz Bezug nehmen. Mit dem entsprechenden Änderungsantrag wollen CDU/CSU und SPD Personen mit einem Hauptschulabschluss den direkten Zugang zur Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung ermöglichen. Begründet wird dieser Vorschlag mit den in den kommenden Jahren zu erwartenden Folgen der demografischen Entwicklung und dem damit verbundenen Personalmangel im Pflegesektor.
Auch wenn wir Grüne die Problematik durchaus erkennen, halten wir den Vorschlag der großen Koalition ebenfalls keineswegs für sinnvoll. Er fokussiert einseitig die quantitative Seite des Problems und lässt dabei die Frage nach der Qualität außer Acht. In den vergangenen Jahren haben sich die Berufsfelder von Gesundheits-, Kranken-, und Altenpflege zunehmend ausdifferenziert. Ausbildungsinhalte sind sehr anspruchvoller geworden und verlangen ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz. Schon heute klagen viele Ausbildungsstätten über das geringe Qualifikationsniveau von BewerberInnen. Zudem verweisen sie auf die hohe Zahl derer, die an den Anforderungen der Lehrinhalte scheitern und die Ausbildung vorzeitig abbrechen müssen. Schon heute rangiert Deutschland im europäischen Vergleich auf den unteren Plätzen hinsichtlich des Zugangniveaus zur Pflegeausbildung. In den meisten europäischen Staaten ist diese bereits an akademische Zugangsvoraussetzungen gebunden. Daraus würden sich für deutsche Krankenpflegekräfte auch innerhalb der EU Probleme ergeben, weil die Qualifikationsniveaus zwischen den Ländern nicht mehr vergleichbar wären.
Die Anforderungen an Pflegekräfte werden auch in den kommenden Jahren weiter steigen. Es werden neue Aufgabenfelder entstehen, die sich u. a. aus dem veränderten Krankheitspanorama und aus dem Alterwerden der Gesellschaft ergeben. Auch die Ausweitung der Handlungs- und Entscheidungskompetenz von Pflegfachkräften wird dabei zunehmend diskutiert werden (müssen).
Wir Grüne wollen selbstverständlich, dass auch Hauptschüler und Hauptschülerinnen die Möglichkeit erhalten, sich im Berufsfeld Pflege zu qualifizieren. Dies setzt ein durchlässiges und abgestuftes Ausbildungssystem voraus. Jeder soll die Chance bekommen, ihre/seine Qualifikation ohne bürokratische Hürden zu erweitern. BewerberInnen mit Hauptschulabschluss ist es bereits heute möglich nach einer Pflegehelfer-Ausbildung, in einigen Bundesländern nach einer Pflegeassistenten-Ausbildung, in die nächst höhere Ausbildungsstufe zu wechseln. Das wollen wir erhalten und ausbauen. Auch weitergehende Abschlüsse bis hin zum Fachhochschul- oder Universitätsabschluss sollen möglich werden. Ein solcher Ansatz benachteiligt niemanden, der Interesse am Pflegeberuf hat. Er schafft, im Gegensatz zum Vorschlag der Koalitionsfraktionen, eine sinnvolle Balance zwischen dem Gewinnen neuer Bewerber und der Beachtung der Qualität. Ganz wesentlich scheint für uns dabei, dass hierdurch auch die Attraktivität des Berufsbildes insgesamt erhöht werden kann, da Aufstiegs- und Weiterentwicklungschancen für alle möglich sind.
Vor diesem Hintergrund lehnen wir den Vorstoß der großen Koalition ab und werden uns im weiteren Verfahren dafür einsetzen, dass er zurückgezogen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Scharfenberg
Sehr geehrter Herr Roth,
auch finde ich die derzeitige Kinder- und Familienförderung unübersichtlich und sozial ungerecht.
Unser Familienfördersystem ist in einer Schieflage. Mit der Kindergelderhöhung per Gießkanne wurde die Ungerechtigkeit des Familienfördersystems zementiert. Der Kinderbonus hat mit nachhaltiger Familienförderung nichts zu tun. Kinderarmut in Deutschland ist vor allem Familienarmut. An dieser Stelle braucht man kein Herumdoktern am System, sondern Mut, Familienleistungen neu zu denken. Wenn wir Gerechtigkeit ernst meinen, müssen wir das System vom Kopf auf die Füße stellen. Wir brauchen eine einfache und transparente Lösung, die das Kind in den Mittelpunkt stellt. Die von den Grünen vorgeschlagene sogenannte Einkommensorientierten Kindergrundsicherung (EKiG) wäre eine solche Lösung. Sie beträgt 330 Euro im Monat pro Kind und sieht eine Besteuerung der Eltern entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit vor. Mit diesem Instrument würde Armut wirksam bekämpft und vor allem Geringverdiener würden profitieren. Aber auch in den Haushalten, die derzeit von ALG II leben, würde die Kindergrundsicherung ankommen. Die Kindergrundsicherung würde die Regelsätze für Kinder ersetzen. Auch Familien mit mittlerem Einkommen würden mehr bekommen als heute. Familien mit hohen Einkommen würden nach diesem Modell weniger bekommen als heute. Voraussetzung dafür wäre die Zusammenfassung von bestehenden Familienleistungen und die Reduktion der Eheförderung.
Augenblicklich ist es gleichwohl so, dass das Kindergeld beim Unterhalt gegen gerechnet wird, wenn der Bar-Unterhaltspflichtige 135% der Betrages überweist.
Darüber hinaus verstehe ich ihr Problem bezüglich der Zuweisung der Barunterhaltspflicht an die Väter und der Betreuungsunterhaltspflicht an die Mütter, die jedoch keinen gesetzlichen Automatismus darstellt, sondern durchaus familiär unterschiedlich geregelt und gelöst werden kann. Der Gesetzgeber hat hier im Sinne des Kindes eine Entscheidung getroffen und diese auch begründet. Dabei können jedoch, wie gesagt, die Eltern einvernehmlich jederzeit eine alternative Regelung treffen, solange das Wohl des Kindes gesichert ist.
Jenseits dessen kann die Diskussion auch dahingehend geführt werden, dass gerade in Mangelfällen, in denen der barunterhaltspflichtige Elternteil keinen Selbstbehalt von 900 Euro monatlich hat, auch kein Unterhalt gezahlt wird. In diesen Fällen muss nach geltendem Recht der betreuungsunterhaltspflichtige Elternteil zudem auch den notwendigen Barunterhalt für das Kind selbst leisten.
Hinsichtlich ihrer Frage zum Sorgerecht, kann ich Ihnen nur zustimmen. Bündnis 90/ Die Grünen haben sich auch parlamentarisch dafür eingesetzt, dass das Recht des Kindes auf beide Eltern gewährleistet ist und zudem für Väter auch gegen das Vetorecht der Mutter eine gerichtliche Einzelfallprüfung hin zur gemeinsamen Sorge möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Scharfenberg MdB