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Elisabeth Motschmann
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Frage von Wolfgang S. •

Frage an Elisabeth Motschmann von Wolfgang S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Motschmann.

Mit großem Interesse habe ich Ihre Antwort vom 4.11. zum Thema TTIP und
CETA gelesen. Meine Fragen dazu:
1. Es ist mir nicht recht klar geworden, warum Sie gegen die Ablehnung von ISDS gestimmt haben, obwohl Sie doch sagen, dass Sie Investor-Staat-Schiedsverfahren in Freihandelsabkommen mit Rechtsstaaten ablehnen. Oder halten Sie die USA, Kanada oder manche EU-Staaten nicht für Rechtsstaaten?
2. Sie sagen, trotz Investorenschutzklausel dürfen die Staaten weiterhin Regelungen zum Schutz von Gesundheit oder Umwelt erlassen, solange diese verhältnismäßig sind. Nun kann man ja unterschiedliche Auffassungen vertreten, welche Bestimmungen verhältnismäßig sind. Z.B. könnte man sagen, genmanipulierte Lebensmittel oder Hormonfleisch zu verbieten wäre unverhältnismäßig, weil keine Gesundheitsgefahren nachgewiesen sind. Wäre es denkbar, dass Schiedsgerichte so entscheiden? Und ist es überhaupt mit GG Art.20 (2) (Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus) zu vereinbaren, wenn private Gerichte solche Entscheidungen treffen?

Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Schwarz.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schwarz,

gerne nehme ich zu Ihren Fragen Stellung:

1. In meiner Antwort auf die erste Frage zu diesem Themenkomplex habe ich darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung Investor-Staat-Schiedsverfahren in völkerrechtlichen Abkommen mit Rechtsstaaten, wie den Vereinten Staaten von Amerika oder Kanada ablehnt, weil sie sie für überflüssig hält. Für die Verhandlungen mit Kanada haben die Mitgliedstaaten der EU-Kommission keine Vorgaben bezüglich eines Investor-Staat-Schiedsverfahrens gemacht, so dass bei CETA Investor-Staat-Schiedsverfahren-Klauseln enthalten sind. Anders gesagt: Nach dem derzeitigen Stand der Dinge gäbe es kein CETA ohne ein Investor-Staat Schiedsverfahren.

Ich denke, dass man im Interesse der Erleichterung des Handels zwischen Kanada und der Europäischen Union eine Investor-Staat-Schiedsverfahren-Klausel, die keine Verschlechterung der Rechtsposition der Bundesrepublik Deutschland bewirken wird, akzeptieren sollte. Für TTIP dürfte ähnliches gelten.

2. Bei diesen Fragen geht es in etwa um das, was wir in Deutschland „enteignungsgleichen Eingriff“ nennen. Unternehmen müssen also eine Rechtsposition haben, die durch eine staatliche Reglementierung tangiert wird. Erst dann muss geprüft werden, ob diese Reglementierung verhältnismäßig ist. Wenn Unternehmen noch keine Rechtsposition haben, dann gibt es keinen Anlass zu prüfen, ob eine solche verletzt worden ist. Das ist sehr abstrakt – daher möchte ich drei sehr vereinfachte Beispiele nennen, die diesen Gedanken verdeutlichen:

Beispiel 1: Unternehmen A produziert in Deutschland das Produkt P und hat eine entsprechende Genehmigung (Rechtsposition). Die Bundesregierung verbietet z. B. die Herstellung des Produktes P, weil die Farbe des Produktes nicht „schön genug“ ist. Das ist keine Regelung zum Schutz von Umwelt oder Gesundheit. Das Unternehmen A erhält nach deutschem Recht oder – wenn es ein kanadisches Unternehmen ist – auch nach deutschem Recht oder auch nach CETA einen Schadensersatz, weil hier ohne rechtfertigenden Grund in seine Rechtsposition eingegriffen wurde.

Beispiel 2: Unternehmen B produziert in Deutschland das Produkt Q und hat eine entsprechende Genehmigung (Rechtsposition). Es stellt sich heraus, dass das Produkt Q gesundheitsgefährdend ist. Der Bundestag erlässt ein Gesetz, in dem die Herstellung von Produkt Q verboten wird. Auch das ist ein Eingriff in die Rechtsposition des Unternehmens. Dieser Eingriff ist aber durch die Gesundheitsgefährdung, die von dem Produkt ausgeht, gerechtfertigt und verhältnismäßig, so dass es weder nach deutschem Recht noch nach CETA einen Schadensersatz gibt.

Beispiel 3: Das Unternehmen C produziert in Kanada ein Produkt R, das aus verschiedensten Gründen nicht den CETA-Standards entspricht. Es möchte dieses Produkt R in die Bundesrepublik Deutschland importieren, was aber nicht gestattet wird. Dieses Unternehmen hatte niemals eine Rechtsposition, die das Verbot beeinträchtigen könnte, so dass es auch in diesem Fall keinen Schadensersatz gibt – weder nach deutschem Recht noch nach CETA.

Es ist richtig, dass es jetzt einige Juristen gibt, die die Vereinbarkeit solcher Schiedsgerichte mit dem Grundgesetz bezweifeln. Als Nicht-Juristin gehe ich aber davon aus, dass diese Frage schon intensiv bei den übrigen Handelsabkommen diskutiert worden wäre, wenn hier wirklich ein Verstoß vorläge.

Mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Motschmann