Frage an Elisabeth Jeggle von Thorsten J. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Jeggle,
ich habe zwei Fragen zum Vertrag von Lissabon, dem Sie zugestimmt haben.
Der Vertrag von Lissabon enthält ein Protokoll, durch das Bedienstete und Beamte der EU im Unterschied zu ihren nationalen Kollegen in den Mitgliedsstaaten vor Strafverfolgung geschützt sind. Art. 11 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union entlässt EU-Beamte aus der Gerichtsbarkeit bezüglich ihrer Amtshandlungen einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen. Das gilt auch nach Beendigung der Amtstätigkeit. Dieses Protokoll stammt aus dem Jahre 1965 und hat – bis auf sprachliche Anpassungen – unverändert Eingang in den Vertrag von Lissabon gefunden. Lediglich bei Streitigkeiten zwischen der Union und ihren Bediensteten sowie bei der Haftung gegenüber der Union kann dieses Prinzip durchbrochen werden, nicht aber im Verhältnis zu den Bürgern der Union.
Straffreiheit der EU-Beamten für Korruption erhält damit quasi Verfassungsrang. Ich habe deshalb zwei Fragen an Sie:
1. Ist korruptes Verhalten von EU-Beamten aus Ihrer Sicht so belanglos, dass es strafrechtlich nicht sanktioniert werden sollte und diese Straffreiheit zudem quasi Verfassungsrang erhält?
2. Wenn korruptes Verhalten von EU-Beamten aus Ihrer Sicht doch strafrechtlich sanktioniert werden sollte, wieso haben Sie dann dem Vertrag von Lissabon zugestimmt und nicht darauf bestanden haben, dass dieses Protokoll vor Ihrer Zustimmung aus dem Vertrag entfernt wird?
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten
Sehr geehrter Herr Jakubowski,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne möchte ich auf Ihre Fragen antworten:
1. Korruptes Verhalten von Beamten in der Europäischen Union ist natürlich nicht straffrei. Wie jeder andere Bürger kann auch ein Beamter für korruptes Verhalten bestraft werden.
In dem von Ihnen angesprochenen Protokoll geht es darum, dass die amtlichen Handlungen nicht vor jedem nationalen Gericht geprüft werden sollen, sondern dass die Beamten sich vor dem Europäischen Gerichtshof bzw. dem Europäischen Gericht erster Instanz verantworten müssen. Dies gilt natürlich nur für amtliche Handlungen. Ist ein Beamter der Europäischen Union beispielsweise im Ausland während seines Urlaubs in einen Unfall verwickelt, muss er sich hier vor einem ordentlichen Gericht rechtfertigen. Der Zusatz: "Diese Befreiung gilt auch nach Beendigung ihrer Amtstätigkeit" (lit. a letzter Satz) gilt natürlich nur bezogen auf Handlungen in amtlicher Eigenschaft, also Handlungen, die als Beamte vorgenommen wurden. Es handelt sich hierbei keineswegs um eine Generalbefreiung auf Lebenszeit des Beamten. Ferner möchte ich klarstellen, dass der Vertrag von Lissabon keine Verfassung ist und damit das Protokoll auch nicht "quasi Verfassungsrang" erhält. Die Europäische Union setzt sich darüber hinaus stark gegen die Betrugsbekämpfung ein, wie Sie an den intensiven Aktivitäten des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) nachvollziehen können: http://ec.europa.eu/anti_fraud/index_de.html
2. Ich habe dem Vertrag von Lissabon zugestimmt, weil er die Europäische Union demokratischer, handlungsfähiger und transparenter machen wird. Der momentan geltende Vertrag von Nizza basiert auf einer Europäischen Union mit nur 15 Mitgliedstaaten und trägt einem Europa der 27 nicht mehr ausreichend Rechnung. Eine Vertragserweiterung ist daher, wie auch in der Vergangenheit üblich, allein aus pragmatischen Gründen notwendig. Darüber hinaus enthält der Vertrag von Lissabon viele wichtige Änderungen, von denen ich nur einige wenige erwähnen möchte. Das Mitspracherecht der direkt gewählten Abgeordneten wird sowohl in den nationalen Parlamenten als auch im Europäischen Parlament gestärkt. Neben dem damit verbundenen stärkeren Mitspracherecht für die Bürger setzt der Vertrag von Lissabon Akzente durch eine schnellere und effizientere Entscheidungsfindung, stabilere und schlankere Institutionen und eine Rückbesinnung auf ein Europa der Rechte und Werte, der Freiheit, Solidarität und Sicherheit. Der Vertrag von Lissabon baut auf bestehenden Rechten auf und führt neue Rechte ein. Insbesondere garantiert er die Freiheiten und Grundsätze, die in der Charta der Grundrechte verankert sind, und verleiht den Bestimmungen der Charta Rechtsverbindlichkeit. All diese Punkte sind Grund genug, mich auch zukünftig für die Umsetzung dieses Vertrags einzusetzen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe am 30. Juni 2009 hat den Vertrag von Lissabon, der in deutscher Ratspräsidentschaft erarbeitet und die Unterstützung der Bundesregierung genießt, im Übrigen voll bestätigt. Nur der Bundestag ist nun in der Pflicht sein Begleitgesetz zu ändern, welches eine frühere und ausführlichere Befassung von europäischen Themen und damit mehr Demokratie und Transparenz zukünftig garantieren wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Elisabeth Jeggle