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Edelgard Bulmahn
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Frage von Lothar W. •

Frage an Edelgard Bulmahn von Lothar W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Die wirtschaftliche Produktivität hat auf Grund umfassender technologischer
Erfolge in den letzten Jahrzehnten weltweit enorm zugenommen. Seitdem wird
in immer größerem Umfang menschliche Arbeitskraft durch den Einsatz von
Maschinen und neue Produktionstechniken ersetzt. Mit anderen Worten: Immer
weniger Menschen erwirtschaften immer mehr Güter, Waren, Dienstleistungen.
Und immer weniger Menschen können sich die inzwischen im Überfluss
hergestellten Waren und Güter leisten.

Der Ausweg aus dem Dilemma sieht der Mainstream in Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft - national wie international - in der Steigerung der
Produktivität bei Senkung der Arbeitskosten, Rationalisierungen und einem
drastischen Abbau der sozialen Sicherungssysteme. Angeblich soll dieses
Patentrezept, den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu stoppen und neue
Arbeitsplätze zu schaffen.
Im Ergebnis wird jedoch lediglich die Produktivität steigen: es werden noch
weniger Menschen noch mehr Waren, Güter, Dienstleistungen für ein geringeres
Einkommen erwirtschaften und noch weniger Menschen werden sich noch weniger
leisten können.

Dazu folgende Fragen an Sie:

1) Halten Sie Vollbeschäftigung zu menschenwürdigen Bedingungen in
Deutschland in den nächsten 20 Jahren für erreichbar?
2) Wenn nein, wie wollen Sie verhindern, dass die beschriebene Entwicklung
zu einer dauerhaften Benachteiligung und Verarmung weiter Bevölkerungskreise
geht?
3) Wie beurteilen Sie die Chancen und Möglichkeiten, die ein bedingungsloses
Grundeinkommen (siehe z.B. www.grundeinkommen.de) in diesem Zusammenhang
bietet?

Mit freundlichen Grüßen

Lothar Walczak

Portrait von Edelgard Bulmahn
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Walczak,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Arbeit.

Vollbeschäftigung gilt in fast allen Industrieländern als eines der vier Ziele des so genannten "Magischen Vierecks" der Konjunkturpolitik. Das zeigt ihren Rang neben den anderen drei Zielen Preisniveaustabilität, Zahlungsbilanzgleichgewicht und angemessenes Wachstum. Das Attribut "magisch" deutet an, dass sich diese vier gesamtwirtschaftlichen Ziele meist nicht gleichzeitig erfüllen lassen.

Vollbeschäftigung gilt in Wissenschaft und Politik als erreicht, wenn die Zahl der Arbeitslosen die Zahl der offenen Stellen nicht übersteigt und gesamtwirtschaftlich eine vorab festgelegte durchschnittliche Arbeitslosenquote nicht überschritten wird. So galt zum Beispiel Anfang der achtziger Jahre eine Arbeitslosenquote von 4,5 Prozent als Vollbeschäftigung, zehn Jahre zuvor lag diese Zielmarke noch bei 0,8 Prozent. In einzelnen Wirtschaftsregionen oder Branchen kann die durchschnittliche Arbeitslosenquote der Volkswirtschaft bei Vollbeschäftigung erheblich unter- oder überschritten werden.

Vom langfristigen Ziel der Vollbeschäftigung lassen wir nicht ab. Aus diesem Grund investieren wir wieder mehr in Forschung und Entwicklung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wendet jährlich weit über eine Mrd. Euro allein für Projekte in der Nano-, Informations- und Kommunikationstechnologien und Biotechnologie auf. Solche Zukunftsinvestitionen zahlen sich aus und schaffen zukunftsfähige Arbeitsplätze.

Hierfür brauchen wir aber auch Menschen mit einer guten Ausbildung. Aus diesem Grund wollen wir auch gleiche Bildungschancen für alle. Bildung und Forschung haben deshalb große Priorität bei der Bundesregierung und im Wahlmanifest der SPD.

Zu Ihrer Frage nach dem bedingungslosen Grundeinkommen glaube ich, dass es auf den ersten Blick sozial erscheinen mag. Allerdings haben die entsprechende Konzepte ein großes Grundproblem: Wenn keinerlei Verpflichtungen bestehen, für das Geld, was man vom Staat empfängt, eine Gegenleistung zu erbringen, dann lohnt es sich unter Umständen auch nicht zu arbeiten. Das würde die Transferleistungsempfänger von der Arbeit und vom Wert des Geldes entfremden, das sie ja schließlich nur als Rente, nicht als Lohn für eine Gegenleistung empfangen würden. Es ist natürlich keine Frage, dass eine Gesellschaft Sorge für die materielle Existenz ihrer Mitglieder tragen muss, aber ein Grundeinkommen, das von der Notwendigkeit der Erwerbsarbeit abgekoppelt ist, ist arbeitsmarktpolitisch und sozialpolitisch höchst abenteuerlich und hat nichts mit Verteilungsgerechtigkeit zu tun. Das "bedingungslose Grundeinkommen" wäre nur mittels Steuererhöhungen finanzierbar.

Der Ansatz der SPD und der Gewerkschaften ist ein anderer: Statt Arbeitslosigkeit wird Arbeit finanziert, nach dem Prinzip Fordern und Fördern sollen auch Langzeitarbeitslose besser und schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dieses Konzept liegt auch der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zugrunde. Mehr als eine Million erwerbsfähiger Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger sind damit aus der Sozialhilfe herausgeholt worden. Sie erhalten jetzt endlich das gleiche umfassende Angebot an Förderung und Jobvermittlung wie alle anderen Arbeitssuchenden. Beratung, Vermittlung und Weiterbildung haben dabei Vorrang vor passiven Leistungen, also Geldzahlungen.