Frage an Edelgard Bulmahn von Christian H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Frau Ministerin,
was tun Sie für die momentane Ausbildungssituation. Der Ausbildungspakt ist ja nun nicht wirklich umgesetzt worden. Tarifliche Regelungen sind auch nicht überalle eingeführt. Wie wollen Sie es schaffen, dass zukünftig alle Schulabgänger direkt einen Ausbildungsplatz erhalten?
Meine zweite Frage greift auf das Schulsystem zurück. Was wollen Sie dagegen tun, dass wir in Dtl. so viele unterschiedliche Standards haben (siehe PISA) und gibt es ggf. eine richtige Reform des Bildungssystems? Wie schaut es mit Studiengebühren aus? Und wie werden die Universitäten zukünftig unterstützt?
Mit freundlichen Grüßen
Christian Handt
Sehr geehrter Herr Handt,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Bildung. Ich finde es gut, dass Sie dazu fragen, denn Bildung ist schließlich das wichtigste Zukunftsthema! Trotzdem muss ich Ihnen gleich zu Beginn wider sprechen: Der Ausbildungspakt hat funktioniert. Im vergangenen Jahr haben alle Paktpartner durch gemeinsame Anstrengungen erreicht, dass allen Jugendlichen ein Angebot auf Ausbildung gemacht werden konnte.
Wir wollen, dass keine Jugendliche und kein Jugendlicher sein Arbeitsleben mit Arbeitslosigkeit beginnen muss. Deswegen werden wir weiterhin alles dafür tun, dass arbeitslose junge Menschen die Ausbildung oder Arbeit finden, die ihrer Eignung, Neigung und Leistungsfähigkeit entspricht. Unser Ziel bleibt: Kein junger Mensch unter 25 Jahren soll länger als 3 Monate ohne Arbeit, Ausbildung oder weiterführende Beschäftigung sein. Denn eine gute Ausbildung ist der beste Start ins Berufsleben.
Das duale Bildungssystem hat Zukunft, wenn es Schritt hält mit der Entwicklung neuer Märkte und Berufe. Mit der Erneuerung des Berufsbildungsgesetzes und der Modernisierung von rd. 180 Berufen haben wir einen großen Schritt zur Weiterentwicklung der beruflichen Bildung gemacht. Wir wollen die Anstrengungen verstärken, das Berufswahlspektrum für Frauen zu erweitern, insbesondere in der IT-Branche und in technischen Berufen, und junge Frauen mit Hochschulreife für naturwissenschaftliche und technische Studiengänge gewinnen.
Jugendliche, die Schule oder Ausbildung abbrechen, sollen eine zweite Chance bekommen.
Mit einem neuen Programm "Zweite Chance" wollen wir erreichen, dass Jugendliche ihren Schulabschluss nachholen oder ihre Ausbildung wieder aufnehmen können. Auch für junge Erwachsene ohne Berufsausbildung soll es neue Möglichkeiten zur Nachqualifizierung geben.
*Zur zweiten Frage nach dem Schul- und Bildungsystem*
PISA hat uns in aller Deutlichkeit gezeigt, wo die Schwächen unseres Bildungssystems liegen. Das gute am PISA-Schock war, dass er eine große Reformfreude ausgelöst hat, die bereits erste Erfolge zeigt. Die Bundesregierung hat als nationale Antwort auf PISA das größte je da gewesene Schulprogramm aufgelegt:4 Milliarden Euro werden in den Aus- und Aufbau von Ganstagsschulen investiert.
An Ganztagsschulen gibt es mehr Zeit für besseren Unterricht und gezielte Förderung jedes einzelnen Kindes. Sie bringen mehr für Schüler, Lehrer und auch die Eltern. Denn Väter und Mütter können sich nun auf eine vernünftige Betreuung verlassen.
Wir wollen ein durchlässiges, integratives und auf starke individuelle Förderung ausgerichtetes Schulsystem. Die zu frühe Selektion in unserem Schulsystem müssen wir überwinden. Wir wollen ein Schulsystem, das nicht in Sackgassen führt, sondern durchlässiger, integrativer und auf starke individuelle Förderung ausgerichtet ist. Das ist der sozialdemokratische Weg der Bildungsreform.
*Studiengebühren*
Ein Hochschulstudium darf nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern. Wir stehen für den offenen Zugang zu den Hochschulen, unabhängig von den sozialen und finanziellen Voraussetzungen der Jugendlichen. Deshalb bleibt das Erststudium frei von Studiengebühren.
Darüber hinaus wollen wir, dass auch künftig überall besonders qualifizierte Absolventen einer Berufsausbildung ohne Abitur an einer Hochschule studieren können. An der jetzigen BAföG-Regelung halten wir fest. Eine mögliche Umwandlung in ein Volldarlehen lehnen wir ab.
Nach der großen BAföG-Reform dieser Regierung zeigen sich Erfolge: Die Studienanfängerzahlen sind von 1998 bis 2003 von 251.601 auf 346.972 gestiegen. Sie liegen jetzt bei 37,5 % eines Jahrgangs. Jeder vierte Student oder Studentin in der Regelstudienzeit erhält BAföG.
Wir werden Mädchen und Frauen auch in Zukunft gezielt fördern. Dies gilt gerade für die Bereiche der Bildung, Wissenschaft und Forschung. Wir haben erste Erfolge von Frauen an unseren Hochschulen erreicht. So ist ihr Anteil an Habilitationen von 15,3% (1998) auf 22,7 % (2004) gestiegen, das sind 7,4 Prozentpunkte mehr.
*Hochschulförderung*
Die Ausgaben des Bundes für Hochschulen sind seit 1998 um 23 % gestiegen, die Gesamtausgaben für Bildung und Forschung, von denen auch die Hochschulen in Form von Drittmitteln profitieren, sind sogar um 37,5 % auf knapp 10 Mrd. Euro gestiegen. Wir werden zusätzlich zu unseren Vorschlägen zum Subenventionsabbau (wie der Abschaffung der Eigenheimzulage) weitere Mittel dadurch mobilisieren, dass sehr hohe Einkommen stärker zur Finanzierung von notwendigen staatlichen Aufgaben - vor allem für Bildung und Forschung - herangezogen werden.
Bei der Weiterentwicklung der Hochschulen setzen wir auf größtmögliche Autonomie, auf Wettbewerb und auf eigenständige Profilbildung statt auf staatliche Bevormundung. 2002 haben wir die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge in das Regelangebot der Hochschulen überführt, mit der "Juniorprofessur" die Personalstruktur der Hochschulen modernisiert und die Position der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler erheblich gestärkt. 2004 haben wir den Hochschulen die Möglichkeit eingeräumt, die Mehrzahl der Studienplätze (60 %) selbst zu vergeben. Wir stehen für den offenen Zugang zu den Hochschulen, unabhängig von den sozialen oder finanziellen Voraussetzungen der Jugendlichen.
Bereits jetzt haben wir eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, die einen echten Wettbewerb in der Spitzenforschung ermöglichen. Die Exzellenzinitiative für Spitzenuniversitäten ist für unsere Hochschulen ein Sprungbrett in die Weltklasse. Mit zusätzlich 1,9 Mrd. Euro können Deutschlands Hochschulen ihr Profil stärken und endlich auch international zeigen, wie leistungsfähig sie sind. Das ist eine enorme Chance für das deutsche Hochschulsystem und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Auch mit dem von uns angestoßenen "Pakt für Forschung" zielen wir auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Forschung durch eine bessere Ausschöpfung der vorhandenen Potentiale. Bund und Länder haben sich verpflichtet, den deutschen Forschungseinrichtungen finanzielle Planungssicherheit zu geben. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt wollen wir bis 2010 auf 3,0 % steigern. Wir glauben an diesen Standort. Wir setzen auf eine exzellente und offene Forschungsinfrastruktur, auf hervorragende Ausbildung und günstige Rahmenbedingungen für die Entwicklung neuer Märkte.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Edelgard Bulmahn