Frage an Edelgard Bulmahn von Dr. Martin T. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Bulmahn,
erst einmal gratuliere ich Ihnen zu den Erfolgen ihrer bisherigen Bildungspolitik und hoffe, dass sie dieses Amt weiter ausführen werden.
Doch wie stehen Sie zu Vergleichsmassnahmen, z. B. Lernstandserhebung oder Mini-Abitur, wie es sie in NRW gibt. Als Lehrer weiß ich, dass diese auf das richtige hinauszielen, Lernstandserhebungen aber an der Realität vorbei gehen. Wie wollen Sie wieder mehr junge Leute für den Lehrerberuf begeistern, denn der Altersschnitt an den Schulen ist erschreckend hoch und steigt immer höher.
Warum hat man in der Rechtschreibreform nicht eine Klausel eingebaut, so dass so etwas, wie es jetzt in NRW und Bayer geschehe ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Marton Tantonewsky
Sehr geehrter Herr Dr. Tantonewsky,
vielen Dank für Ihre guten Wünsche für die Zukunft und Ihre Fragen zum Thema Bildung. Vorausschicken muss ich natürlich, dass die von Ihnen angesprochenen Vergleichsmaßnahmen in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallen. Gleichwohl bin ich der Meinung, dass alle Maßnahmen, die zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit führen, richtig sind. Mit den Ergebnissen der Lehrstanderhebungen kann sich das Schulwesen im nationalen wie auch internationalen Vergleich messen und gegebenenfalls die Qualität an den Schulen verbessern. Sollten sich bei den Lehrstandserhebungen noch Defizite zeigen, sollten sie zügig abgebaut werden. Die Erhebungen dürfen aber auf keinen Fall demotivierend für die Schüler und Lehrer sein. Es sollte dafür gesorgt sein, dass es Beratung und Hilfestellung für Lehrer und Schulen gibt, die ihren Unterricht verändern oder verbessern wollen.
Zur Attraktivität des Lehrerberufes kann ich nur sagen, es ist sehr wichtig, wieder mehr junge Menschen für den Beruf zu begeistern. Lehrerinnen und Lehrer nehmen in unserer Gesellschaft eine Schlüsselrolle ein. Ihnen vertrauen wir unsere Kinder an, also die Zukunft unseres Landes.
Deshalb muss dieser Beruf wieder attraktiver werden. Dabei ist ein wichtiger Aspekt, dass wir die Leistungen, die in unseren Schulen erbracht werden, stärker anerkennen. In der Regel wird nur dann aus deutschen Schulen berichtet, wenn dort etwas nicht gut läuft. Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit häufig ein schiefes Bild, das den engagierten Lehrerinnen und Lehrern nicht gerecht wird.
Um die Probleme, die uns PISA aufgezeigt hat, zu beheben, brauchen wir Lehrerinnen und Lehrer, die sich nicht damit begnügen, im Rahmen der vorgegebenen Lehrpläne Wissen zu vermitteln, sondern ihre Aufgabe darin sehen, Lernpfade zu individualisieren und Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, durch eigenständiges Denken und Handeln selbstständig, gemeinsam und voneinander zu lernen. Kurz: Lehrerinnen und Lehrer, denen die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler ein Herzensanliegen ist.
Wenn wir diese hohe Erwartungshaltung an Lehrende richten, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass sie die hierfür erforderlichen Fähigkeiten erwerben können, in einer fundierten fach- und erziehungswissenschaftlichen Ausbildung. Hier leistet die Lehrerausbildung in Deutschland bisher viel zu wenig und es gibt immer noch zu wenig Weiterbildungsangebote.
Hinzu kommt ein weiterer Punkt, der mir sehr wichtig ist. Wir müssen die Schulen in die Selbstständigkeit entlassen und ihnen so die Verantwortung übertragen. Sie müssen für ihre Schülerinnen und Schüler das Optimum anbieten können und anbieten dürfen. Und deshalb sage ich ausdrücklich: Wir brauchen eine Reform, die obrigkeitsstaatliche Bevormundung durch Selbstverwaltung und verantwortliche Beteiligung ersetzt. Eine solche Reform wird bei allen Beteiligten - Lehrern, Schülern und Eltern - in ungeahnter Weise Aktivität und Kreativität freisetzen.
Der Bund hat im Schulbereich keine Zuständigkeit. Mit dem Ganztagsschulprogramm, der nationalen Berichterstattung, der Unterstützung bei der Einführung von Bildungsstandards und vielem mehr haben wir uns trotzdem für eine neue Schulkultur stark gemacht. Und ich werde mich auch weiterhin dafür einsetzen, auch in den vielen Diskussionen, die ich immer wieder führe.
Ich bin davon überzeugt, dass wir den eingeschlagenen Reformkurs konsequent fortsetzen müssen. Es geht um bestmögliche Bildungschancen für unsere Kinder. Und ich bin mir zudem sicher, dass moderne Schulen, in denen Kinder mit Freude lernen und Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und außerschulische Partner gemeinsam an einem Strang ziehen, auch attraktiv sind für viele junge Menschen und sie sich deshalb für den Beruf des Lehrers bzw. der Lehrerin entscheiden werden.
Bei der Rechtschreibreform sind mir leider die Hände gebunden. Mein Ministerium kann hier gestalterisch nicht tätig werden - die Beschlüsse sind von der Kultusministerkonferenz gefasst worden. Das Ausscheren von Bayern und Nordrhein-Westfalen ist sachlich nicht nachvollziehbar und schadet dem internationalen Ansehen Deutschlands. Ginge es nach mir, hätten wir eine einheitliche Rechtschreibung in Deutschland, da unterschiedliche Länderregelungen den Schülern, Eltern und Lehrern nicht zuzumuten sind.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Edelgard Bulmahn