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Dorothee Schlegel
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Frage von Michael E. •

Frage an Dorothee Schlegel von Michael E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag....ich habe folgende Fragen an sie und ihrer Partei. Schon jetzt vielen Dank für ihre Antworten.

1. was wollen sie, gegen die steigende Altersarmut tun?
2. Wie stehen Sie zu Harz4 und deren "Sanktionswut" dieser Stelle?
3. Wie sehen sie die Leiharbeit?
4. Was sagen sie zu der massiv gestiegenen Überwachung, durch die neue Gesetzgebung von Herrn Maas, der Bevölkerung?
5. Zur Zeit sieht des so aus: Kapital vor Volk....wie wollen oder können Sie das ändern, dass die Schere zwischen Arm und Reich, nicht weiter auf geht?
6. Wie sagen sie zu der neuen Rüstungsspirale und den Beziehungen zu Russland und den USA?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr E.,

vielen Dank für Ihre E-Mail, gerne beantworte ich Ihren Fragenkatalog. Sie sprechen in Ihrer Mail wichtige und komplexe Themen an. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass manche meiner Antworten daher etwas umfangreicher ausfallen. Da Sie explizit nicht nur mich sondern zugleich auch „meine“ Partei ansprechen erlaube ich mir, bei einigen Formulierungen auf „mein“ SPD-Wahlprogramm zurück zu greifen.

1. was wollen sie, gegen die steigende Altersarmut tun?

Die gesetzliche Rente ist grundsätzlich ein Spiegelbild des Erwerbslebens. Entsprechende Maßnahmen für eine gute Rente müssen daher bereits im Erwerbsleben ansetzen. Die individuelle Erwerbsbeteiligung im Lebensverlauf muss durch Qualifizierung, kinderfreundliche Infrastruktur und familienfreundliche Lebensarbeitszeitmodelle erhöht werden. Um die Erwerbsbeteiligung insbesondere von Frauen weiter zu steigern, wollen wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch weiter verbessern, unter anderem durch einen flächendeckenden Ausbau der Ganztags- und Randzeitenbetreuung (auch im Grundschulbereich), familienfreundliche Arbeitszeitmodelle im Rahmen einer Wahlarbeitszeit und durch den Anspruch auf eine befristete Teilzeit.

Mit einer weiteren Stärkung der Tarifbindung, einem Pakt für anständige Löhne (insbesondere im Dienstleistungsbereich) und einer Bildungs- und Qualifizierungsoffensive werden wir die Weichen für eine gute Lohnentwicklung in der Zukunft stellen. Die Einbeziehung der bisher nicht versicherten Selbstständigen ist der erste Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel, die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung auszubauen.
Tätigkeiten in der Gleitzone (Midijob) führen derzeit zu reduzierten Rentenanwartschaften. Wir wollen diese Gleitzone ausweiten (bis 1300 Euro Monatsbrutto), dabei gleichzeitig aber in der Zukunft sicherstellen, dass die reduzierten Rentenversicherungsbeiträge durch Steuern ergänzt werden und sich die Gleitzone nicht schädlich auf die Rentenanwartschaften auswirken.

Weiterhin setzen wir uns dafür ein, dass ein vorgezogenes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben aus gesundheitlichen Gründen künftig möglichst vermieden werden kann. Zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation haben wir bereits wichtige Maßnahmen ergriffen. Diesen Weg wollen wir weitergehen.

Wer 35 Jahre oder länger Beiträge gezahlt hat und/oder Zeiten für Kindererziehung und Pflege angerechnet bekommt, soll einen Anspruch auf eine gesetzliche Solidarrente haben, sofern keine ausreichende Anzahl an Entgeltpunkten und kein umfangreiches sonstiges Einkommen im Haushalt vorhanden ist. Mit der Solidarrente wollen wir ein Alterseinkommen für langjährig Beschäftigte gewährleisten, das zehn Prozent über dem durchschnittlichen Grundsicherungsanspruch am Wohnort liegt. Regional unterschiedliche Wohnkosten werden so berücksichtigt. Das Ziel ist ein möglichst einfaches Verfahren zur Beantragung und Bewilligung ohne Vermögensprüfung, bei der Einkommensberücksichtigung gibt es angemessene Freibeträge, insbesondere für Partnereinkommen.

Wir setzen auf eine gesetzlich festgelegte doppelte Haltelinie bei Beitragssatz und Rentenniveau. In einem ersten Schritt wird das weitere Absinken des Niveaus der gesetzlichen Rente (Sicherungsniveau vor Steuern) umgehend gestoppt und bis 2030 mindestens auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent stabilisiert. Dazu bringen wir direkt nach der Bundestagswahl ein Gesetz auf den Weg und ermöglichen den Menschen im Alter ein Leben in Würde. Wir sichern damit die verlässliche gesetzliche Rente als Fundament für die Sicherung des Lebensstandards im Alter.

2. Wie stehen Sie zu Harz4 und deren "Sanktionswut" dieser Stelle?

Sanktionen sieht das Gesetz vor allem für die Fälle vor, in denen die Hilfebedürftigen vereinbarte Pflichten insbesondere zur Eingliederung in Arbeit und unterstützende Maßnahmen nicht einhalten.

Bei einer Minderung des Regelbedarfs um mehr als 30 Prozent können aber ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Sofern minderjährige Kinder im Haushalt leben, müssen diese Leistungen erbracht werden.

Die SPD lehnt die Sanktionierung von Kosten der Unterkunft ab. Niemand darf aufgrund einer Sanktion wohnungslos werden. Ebenfalls lehnt die SPD die verschärften Sanktionen für unter 25-Jährige ab. Diese schärferen Sanktionen wollen wir aus dem SGB II streichen. In beiden Fällen haben allerdings CDU und CSU in der Vergangenheit eine entsprechende Lösung verhindert und blockiert.
Außerdem wollen wir das Schonvermögen im SGB II verdoppeln.

3. Wie sehen sie die Leiharbeit?

Bei uns im Main-Tauber-Kreis ist Leiharbeit in großem Maße gewachsen. Das war offenbar in vielen Regionen der Fall. Deshalb haben wir Begrenzungen der Überlassung festgelegt. Für mich steht fest, dass Arbeitnehmer*innen die Chance bekommen müssen, in die Stammbelegschaft mit all den Vorteilen übernommen zu werden.
Denn als SPD wollen wir existenzsichernde Arbeit anstelle prekärer Beschäftigung ermöglichen. Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter und Werkvertragsnehmerinnen und -nehmer brauchen besseren Schutz. Mit der erwähnten Einführung einer Höchstüberlassungsdauer und dem Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ haben wir bereits viel erreicht. Diesen Weg werden wir weitergehen. Unser Ziel ist, dass Leiharbeit vom ersten Tag an genauso vergütet wird, wie in der Stammbelegschaft. Davon darf nur durch repräsentative Tarifverträge abgewichen werden. Die Koppelung eines Leiharbeitsverhältnisses an einen Arbeitseinsatz (Synchronisation) soll unzulässig sein. Wir werden die Mitbestimmung der Betriebsräte beim Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen deutlich ausbauen. Und den Missbrauch von Werkverträgen werden wir bekämpfen.

4. Was sagen sie zu der massiv gestiegenen Überwachung, durch die neue Gesetzgebung von Herrn Maas, der Bevölkerung?

Zunächst teile ich nicht Ihre Einschätzung, die Sie in Ihrer Frage äußern. Aus drei Gründen:

1. Ich finde nicht, dass die Überwachung „massiv“ gestiegen ist. Gleichwohl, da gebe ich Ihnen Recht, wurde auf neue Bedrohungen auch durch neue Gesetze reagiert. Und als SPD mussten wir so manchen schmerzhaften Kompromiss mit der CDU/CSU eingehen.

2. Heiko Maas habe ich als engagierten „Gegenspieler“ gegenüber dem CDU-Innenminister und auch gegenüber so manchem konservativen Hardliner aus der Unionsfraktion erlebt. Bitte vergessen Sie nicht: Für die CDU/CSU ist innere Sicherheit ein Prestigethema, bei dem Konservative gerne über das Ziel hinaus schießen. Obwohl die CDU/CSU im aktuellen Bundestag über 100 Abgeordnete mehr stellt als die SPD, ist es uns – gerade auch dank Justizminister Maas – gelungen, nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Bürgerrechte immer mit im Blick zu behalten! Als kleinerer Koalitionspartner war unsere Verhandlungsposition in den vergangenen vier Jahren alles andere als komfortabel.

3. Heiko Maas ist ausschließlich Minister, er ist (bisher) nicht Mitglied des Parlamentes. Gesetze kann ausschließlich das Parlament erlassen – als Abgeordnete, zu deren Aufgabe die Kontrolle der Regierung gehört – lege ich darauf Wert!

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie mit Ihrer Frage auf die sogenannte „Vorratsdatenspeicherung“ anspielen, oder generelles Interesse an der SPD-Position zur inneren Sicherheit haben. Falls es um die Vorratsdatenspeicherung geht: Dazu habe ich hier auf Abgeordnetenwatch bereits zweimal ausführlich Stellung genommen. Leider ist diese Plattform nicht ganz übersichtlich, meine Antworten sind aber noch online, Sie finden sie hier:
www.abgeordnetenwatch.de/profile/dr-dorothee-schlegel-0

Unser Schwerpunkt bei der inneren Sicherheit liegt bei der Schaffung neuer Polizeistellen. Denn es ist natürlich die Aufgabe des Staates, für Sicherheit zu sorgen. Nur Reiche können sich einen schwachen Staat leisten und sich etwa private Sicherheitsdienste kaufen. Gefahren müssen erkannt, Verbrechen bekämpft, Straftäterinnen und Straftäter verfolgt werden. Dafür brauchen wir einen starken und handlungsfähigen Rechtsstaat. Wir wollen daher 15.000 neue Stellen bei der Polizei – und sorgen damit für mehr Sicherheit.

Grundsätzlich unterscheidet sich aber unser Sicherheitsbegriff durchaus von dem der politischen Konkurrenz. Für uns gehören präventive Maßnahmen und eine aktive Sozialpolitik, die soziale Ungleichheit bekämpft, genauso fest zu unserem Sicherheitsbegriff dazu.

5. Zur Zeit sieht des so aus: Kapital vor Volk....wie wollen oder können Sie das ändern, dass die Schere zwischen Arm und Reich, nicht weiter auf geht?

Die Antwort auf diese Frage füllt ganze Bibliotheken – das Verhältnis von Kapital und Volk zu erörtern ist abendfüllend. Daher bitte ich um Verständnis, dass ich da grundsätzlich bleibe:

Wohlstand wird von den Menschen erarbeitet – Menschen dienen nicht der Wirtschaft. Wir haben einen solidarischen Sozialstaat. Damit dieser funktioniert, brauchen wir zugleich eine funktionierende Wirtschaft. Der Staat – in unserer Demokratie also die Bürger – darf sich aber nicht der Wirtschaft unterordnen!

Einen Buchtipp möchte ich Ihnen noch geben: Thomas Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert. Ein sehr gutes Buch mit sehr klugen Gedanken zum Thema.

Und a propos abendfüllend: Das Thema liegt mir sehr am Herzen, deswegen habe ich in den vergangenen Jahren mehrere Veranstaltungen im Wahlkreis zum Thema organisiert. Sei es mit einem Ökonomieprofessor zu Pikettys Thesen oder mit meinem Heidelberger Fraktionskollegen Lothar Binding zur progressiven Kapitalbesteuerung – um nur zwei Beispiele zu nennen. An diesem Donnerstag wird der stellvertretende SPD Parteivorsitzende Thorsten Schäfer Gümbel zu Gast in Mosbach sein und bei einem Weißwurstfrühstück zum SPD-Steuerkonzept Rede und Antwort stehen. Sie sind herzlich eingeladen, kommen Sie vorbei!

6. Wie sagen sie zu der neuen Rüstungsspirale und den Beziehungen zu Russland und den USA?

Aufrüstung lehne ich ab. Wir setzen auf gute Ausrüstung und nicht auf Aufrüstung! Wir sind ganz klar gegen eine Erhöhung der Rüstungsausgaben. Stattdessen wollen wir eine Abrüstungsinitiative starten und den Export von Kleinwaffen außerhalb der EU und Nato verbieten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dorothee Schlegel, MdB