Frage an Dorothee Schlegel von Heike S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dr. Schlegel,
mit Entsetzen musste ich feststellen, dass Sie gegen ein Fracking-Verbot gestimmt haben.
Würden Sie mir bitte erläutern, warum Sie trotz Gefahren für Umwelt und daraus resultierend auch für Gesundheit sowie der (angeblich) angestrebten Energiewende, mit gutem Gewissen dagegen stimmen konnten?
Ich bin auf Ihre ausführliche Antwort sehr gespannt, denn auch wenn ich nur ein ganz kleines Rädchen am Wagen bin, wird mein zukünftiges Wahlverhalten entscheidend davon abhängen.
Hochachtungsvoll
Heike Schreiber
Sehr geehrte Frau Schreiber,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Es freut mich, dass Sie Interesse an meiner politischen Arbeit haben. Gerne antworte ich Ihnen – wie gewünscht ausführlich – auf Ihre Frage nach meinem Abstimmungsverhalten zum Votum über Fracking in der letzten Sitzungswoche. In einer persönlichen Erklärung, die ich vor der Abstimmung zu Protokoll gegeben habe, habe ich inhaltlich Stellung bezogen.
Im Koalitionsvertrag heißt es: „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang“. Diese Festlegung im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition. Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft. Wir wollen damit klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen.
Nach heutigem wissenschaftlichen Informationsstand ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht zu verantworten. Die Risiken für Mensch und Umwelt überwiegen gegenüber den potentiellen wirtschaftlichen Chancen. Um Wissenslücken zu schließen, halte ich in diesem Bereich allenfalls Erprobungsmaßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter strenger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht für zulässig. Diese müssen den Zweck verfolgen, die Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich nur gemeinsam mit den Bundesländern eine Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt. Deshalb streben wir als SPD gemäß des Koalitionsvertrags eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an.
Es ist für mich selbstverständlich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss. Eine Expertenkommission, wie sie bislang geplant ist, kann das demokratisch-legitimierte Parlament zwar beraten, aber ihm keinesfalls die Entscheidung abnehmen. Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen gesetzlichen Regelungen. Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmlichen Erdgasförderung. Ein lediglich undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlreichen Landesregierungen beteiligt sind. Selbst in den Ländern, in denen Grüne und Linke Verantwortung tragen, wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhandene Fördermethoden ausgesprochen.
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetzentwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbesserungen vereinbaren können. Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen. Würde es nicht verabschiedet werden, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt werden. Einen Schutz gibt es dann allein in den Kernzonen von Wasserschutzgebieten, nicht aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen. Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden.
Angesichts dieser Fragestellungen und Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung über Fracking ohne Debatte zu beantragen. Gerade besonders wichtige Entscheidungen werden im Bundestag – aus gutem Grund – üblicherweise ausführlich diskutiert und im Anschluss namentlich abgestimmt. Für mich als Abgeordnete kam es da schon überraschend, dass die Grünen und Linken zwar eine namentliche Abstimmung, aber keine Debatte beantragt hatten. Sehr geehrte Frau Schreiber, ein solcher, allein taktisch motivierter Winkelzug, wird der Problematik nicht gerecht. Auch aus diesem Grund habe ich die Anträge abgelehnt. Ich habe es sehr begrüßt, dass sich mein Fraktionskollege Lars Klingbeil mit dem Vorgehen der Opposition nicht zufrieden gegeben hat. Er kommt aus Niedersachsen. In seinem Wahlkreis ist Fracking ein großes Problem. Lars Klingbeil hat daher darauf bestanden, vor der Abstimmung zumindest eine persönliche Erklärung abgeben zu dürfen. Den Videomitschnitt seiner Erklärung finden Sie in der Mediathek des Deutschen Bundestages unter folgendem Link: http://dbtg.tv/fvid/6791901
Sehr geehrte Frau Schreiber, ich stelle mich Ihren Fragen und antworte Ihnen gerne und ausführlich. Dennoch ziehe ich den direkten Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis dem Kontakt über eine anonyme Onlineplattform vor. Ich würde mich daher freuen, wenn Sie mich bei Ihrer nächsten Frage direkt anschreiben oder auch in meine Bürgersprechstunde kommen. Ich habe ein Wahlkreisbüro in Lauda, also nicht weit weg von Wertheim. Meine Mitarbeiterin vor Ort übernimmt gerne die Terminabsprache.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dorothee Schlegel, MdB