Frage an Doris Rauscher von Florian K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Rauscher,
warum betrachtet der deutsche Staat seine Bürger nicht als vollmündige Partner? Leider fühle ich mich in sehr vielen Themen sehr gequengelt.
Obwohl ich mich selbst als sehr vernünftigen Menschen sehe.
Gerade ärgere ich mich über die neue Rundfunkgebühr. Warum muss ich für Inhalte die ich nicht nutze, die mich nicht interessieren, respektive welche ich nicht wünsche, wie z.b. Verbotene Liebe etc, zur Kasse gebeten?
Selbst wenn dies ein Fakt wäre, welchen ich einfach nur zu akzeptieren hätte. Warum gibt es keinen unabhängigen, mit Bürgern besetzten, Kontrollrat?
Weitere Beispiele wären unser Steuererklärungsdschungel und der zum Glück inzwischen abgeschaffte Grundwehrdienst.
Mir scheint es, als hätte die Politik kein vertrauen mehr in die eigene Bevölkerung beziehungsweise deren Glauben an unsere Demokratie.
Vielen Dank
F.
Sehr geehrter Herr Kainz
vielen Dank für Ihre Email!
Wie Sie bin auch ich Bürger(in) und erwarte, vom Staat als vollmündige Partnerin in die Gestaltung unserer Bürgergemeinschaft einbezogen zu werden. Nun kandidiere ich erstmals für den Bayerischen Landtag. Wenn ich gewählt werde, bin ich für eine bestimmte Zeit „Politikerin“ - Bürgerin bleibe ich mein Leben lang. Bürgerbeteiligung hat für mich zwei Bedeutungen: ich beteilige mich, und ich will beteiligt werden. Vor 20 Jahren habe ich bei der Gründung einer Kindergarteninitiative zum ersten Mal selbst erlebt, dass durch persönliches Engagement Politik in Bewegung gebracht und mitgestaltet werden kann. Ich wünsche mir, dass sich mehr Menschen in die Politik einmischen. Das gelingt am besten in einer Gruppe Gleichgesinnter, die sich gemeinsam Gehör verschafft - zum Beispiel in Bürgerinitiativen oder Ortsvereinen von Parteien. Auf der Landesebene haben wir das Instrument der Volksentscheide. Ich denke, dass jeder Bürger kritisch betrachten sollte, wer in der Politik seinen Versprechen und Positionen treu bleibt, wer respektvoll mit Bürgerentscheidungen umgeht und wer nicht. Es gibt etliche Beispiele, bei denen sich der Bürger nicht mehr auf Zugesagtes verlassen kann. Demokratisch gewählte Volksvertreter sollten sich ihrer Verantwortung gegenüber ihren Mitbürgern sehr bewusst sein. Wenn der Eindruck entsteht, dass die Grundwerte der Demokratie (und damit die Bürgerinnen und Bürger) nicht ernst genommen werden, sollte das bei der Wahl quittiert werden.
Ihren Ärger über die unnötige Kompliziertheit von Steuererklärungen und aktuell über den neuen Rundfunkbeitrag verstehe ich. Es ist tatsächlich so, dass man sich nicht selten über die Programmauswahl wundern kann. Ich sehe mir auch keine Telenovelas an, finde aber zu anderen Zeiten für mich interessante Sendungen, die auch über die Gebühr finanziert werden. Ich denke, wenn ein Sender für die unterschiedlichsten Menschen und jede Altersgruppe interessant sein will, muss das Angebot sehr breit sein. Dabei ist es wichtig, dass populäre Sendungen mit hohen Einschaltquoten nicht Angebote verdrängen, die hohe Qualität bieten, aber vielleicht nur wenige Nutzer interessieren. Bei den privaten Sendern, die sich ausschließlich über Werbung finanzieren, funktioniert diese Mischung nicht. In den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Sender arbeiten Mitglieder gesellschaftlicher Gruppierungen und Organisationen mit (z.B. Gewerkschaften, Kirchen, politische Fraktionen). Sie sollen einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden - das funktioniert aber nur, wenn wirklich Menschen aus jeder Bevölkerungsschicht sich in solchen Gruppen engagieren.
In vielem ist Politik nicht perfekt, aber wir können daran mitwirken, sie zu verbessern.
Ich hoffe, dass Sie mit mir Ihren Glauben an unsere Demokratie bewahren! Sie ist ein hohes Gut.
Herzliche Grüße,
Ihre Doris Rauscher