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Doris Barnett
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Frage von Elena L. •

Frage an Doris Barnett von Elena L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Barnett,

wir sind Schüler des Leistungskurses Sozialkunde 12. Klasse der Integrierten Gesamtschule Ernst Bloch in Oggersheim. Im Unterricht haben wir uns mit dem Bundestag beschäftigt und sind auf diese Seite gestoßen.
"Abgeordnete sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" (GG Art. 38).
Wir fragen uns, was Sie davon halten, dass die Abgeordneten Ihrer Partei in Hessen Frau Ypsilanti die Stimmen nicht gegeben haben und sie damit in eine Krise gestürzt haben.
Wie stehen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen
Elena Lippe und Anika Wels

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Antwort von
SPD

Liebe Elena, liebe Anika,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, in der Sie mich um meine Meinung zu Gewissensfreiheit und Abstimmungsverhalten in Hessen gefragt haben.

Ja, es trifft zu, dass Abgeordnete als Vertreter des ganzen Volkes weder an Aufträge noch an Weisungen gebunden sind und nur ihrem Gewissen unterworfen. Auch hier in Berlin kommt immer wieder die Frage auf, was ist jetzt eine Gewissensentscheidung und wo sollen wir so entscheiden, wie die Mehrheit der Fraktion entscheiden hat.

Auch Parteien sind demokratisch organisiert. So werden in der Fraktion die Themen behandelt, wie z.B. Rentenreform, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, Gesundheitsreform, Auslandseinsätze der Bundeswehr und vieles andere mehr. Die Facharbeitsgruppen bereiten regelmäßig eine Entscheidungsgrundlage für die Fraktion vor. Die Fraktion selbst diskutiert dann in der Sache nicht nur einmal, sondern mehrmals darüber, manchmal haben wir sogar fraktionsinterne Anhörungsrunden dazu. Aber irgendwann muss die Fraktion zu einer Entscheidung kommen. Dann muss man auch wissen, insbesondere das Volk draußen, wo die SPD bzw. die anderen Parteien stehen. Da ist es wenig hilfreich, wenn es heißt, ein Viertel der Fraktion X ist dafür, eine Viertel dafür, ein Viertel hat keine Meinung usw. Regelmäßig werden aufgrund demokratischer Abstimmungen Entscheidungen in der Fraktion getroffen. Und diejenigen Abgeordneten, die mit ihrer Meinung bei der Minderheit waren, müssen sich dann der Mehrheitsmeinung fügen. Denn sonst könnten wir nie sagen, wie wir als Gesamtfraktion bzw. als Partei zu einem bestimmten Problem stehen. Dann wären wir eine Ansammlung von Einzelmeinungsträgern, aber keine Fraktion, die unter demokratischen Spielregeln sich zu einer Entscheidung durchgerungen hat.

Es gibt allerdings Angelegenheiten, bei denen es z.B. um die Existenz des Menschen an sich geht, wie z.B. Auslandseinsätze, Abtreibung und ähnliches. Bei diesen existenziellen Fragen gibt es zwar auch in der Fraktion heftige Debatten, aber anschließend ist die Abstimmung immer freigestellt. Es gibt also keine fraktionsinterne Abstimmung, an die man sich halten sollte, sondern jeder ist für sich selbst verantwortlich.

Ich weiß, keiner von beiden Abstimmungsvorgängen trifft auf den Vorgang in Hessen zu. Jetzt, im Nachhinein, zu sagen, ich hätte so oder so abgestimmt, ist einfach, weil die Nagelprobe von mir nicht verlangt wird. Aber ich gebe zu, dass ich schon Verständnis für die habe, die gesagt haben, dass sie einen solchen Wortbruch nicht mittragen können. Insbesondere Frau Metzger hat dies von Anfang an deutlich gemacht und sich entsprechend verhalten. Für mich ist auch wichtig, wie man einen Wahlkampf führt und was man den Leuten dabei in die Hand verspricht. Wenn man einem Wähler in die Augen sieht und ihm zusichert, unter keinen Umständen eine Koalition mit den Linken einzugehen, dann hätte ich persönlich auch mehr als Probleme, hinterher zu sagen, das mich das vorher Gesagte nicht stört.

Dass die drei weiteren Verweigerer einer SPD-geführten Minderheitsregierung, die von der Linkspartei geduldet werden sollte, so lange gewartet haben, finde ich persönlich auch nicht in Ordnung. Allerdings haben sie vor der entscheidenden Wahl mit offenem Visier ihre Meinung gesagt und Frau Ypsilanti nicht ins Messer laufen lassen wie seinerzeit Heide Simonis in Schleswig-Holstein.

Ich hoffe, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben. Gerne bin ich auch bereit, in den Sozialkundeunterricht zu kommen und vor Ort Rede und Antwort zu stehen. Ihnen und Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern und auch dem Lehrkörper wünsche ich frohe Festtage und ein erfolgreiches und glückliches, vor allem gesundes neues Jahr.

Mit freundlichen Grüßen
Doris Barnett