Frage an Doris Barnett von Hans M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Barnett,
ich möchte Sie einmal fragen, wie Sie denn zur Rente mit 67 abstimmen werden.
Als Arbeitnehmervertreter bin ich stets mit den älteren Kolleginnen/gen konfrontriert. Ich sehe keine Möglichkeit, bis 67 arbeiten zu können. Die statistischen Daten bestätigen dies.
Ich hoffe, dass Sie nicht vergessen werden, wer Sie in den Bundestag gewählt hat- wir, die Arbeitnehmer. Lassen Sie uns nicht sitzen, sonst wird es Ihre letzte Legislaturperiode im Bundestag sein.
Sehr geehrter Herr Maier,
seien Sie versichert, dass ich nie vergesse, dass ich ein Wahlamt für 4 Jahre habe und ich mir das Vertrauen der Menschen jedes Mal neu erwerben muss. Trotzdem ist das ständig benutzte Totschlag-Argument („Sie wissen ja, von wem sie gewählt werden … sonst wird es ihre letzte Legislaturperiode im Bundestag sein…“) für mich nicht so überzeugend, als dass ich mir selbst keine eigene Meinung mehr bilden würde. Ich hoffe, das verstehen Sie.
Ich weiß, Sie erwarten von mir die Aussage: „Ich werde (um wiedergewählt zu werden) dagegen stimmen.“ Aber so einfach mache ich mir das dann doch nicht.
Deshalb zur Sache:
Ich weiß, dass die Rente mit 67 kein populäres Thema ist, das man mit Freude und der Zustimmung sicher diskutieren kann.
Allerdings ist Politik selten eine „Schönwetterveranstaltung“, sondern wir müssen heute die Weichen für eine gute Zukunft stellen. Die Rente mit 67 gehört dazu. Denn was wir heute versäumen, holt uns in wenigen Jahren noch viel drastischer ein.
Wir machen die Rente mit 67 schließlich nicht aus Jux und Dollerei oder weil wir den Menschen ihren Ruhestand nicht gönnen. Hinter dieser Regelung stehen demografische Entwicklungen, die niemand ernsthaft anzweifeln kann.
Ich nenne Ihnen ein paar Daten, die verdeutlichen sollen, warum wir handeln müssen. Alles andere wäre unverantwortlich.
• Das Verhältnis der 65-jährigen und Älteren zu den 20- bis 65-jährigen beträgt zur Zeit rd. 1:3. Auf einen Rentner kommen drei Menschen, die arbeiten und eine Rente bezahlen. Im Jahr 2030 wird sich das Verhältnis auf 1:2 verschlechtern – dann müssen zwei Beitragszahler für einen Älteren sorgen. Grund dafür sind die sinkende Geburtenrate und die steigende Lebenserwartung. D. h. immer weniger junge Menschen müssen die Renten für immer mehr Ältere erwirtschaften. Das kann auf Dauer nicht ohne Auswirkungen bleiben.
• Die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer ist seit 1959 um 11 auf fast 76 Jahre gestiegen. Die Lebenserwartung der Frauen sogar um 13 auf gut 81 Jahre. Im Jahr 2030 werden Männer im Schnitt eine Lebenserwartung von 83 Jahren haben, Frauen werden dann fast 88 Jahre alt werden.
• Die wachsende Lebenserwartung verlängert die Rentenbezugszeit: 1960 betrug die durchschnittliche Rentenbezugsdauer knapp 10 Jahre; 1990 waren es bereits über 15 Jahre; 2006 17 Jahre. Im Jahr 2020 werden es fast 20 Jahre sein.
• Parallel dazu ist im selben Zeitraum die Geburtenzahl dramatisch zurückgegangen. 1969 brachte jede Frau durchschnittlich 2,1 Kinder zur Welt. Damit konnte das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den Generationen stabil gehalten werden. Das hat sich seit Mitte der siebziger Jahre verändert. Die Geburtenrate liegt nun bei 1,4 Kindern. Das Gleichgewicht der Generationen ist verschoben.
• Gleichzeitig nehmen die Versicherungsjahre immer weiter ab. Die normale Berufskarriere beginnt später und weist immer mehr Brüche auf. 1998 lagen die durchschnittlichen Versicherungsjahre bei Frauen bei 26,5 Jahren, 2004 bei nur 25 Jahren. Bei den Männern sind die Versicherungsjahre im selben Zeitraum von 40 Jahren auf 39,2 Jahre gesunken.
Diese Zahlen machen die Lage deutlich. Wir dürfen den Menschen nichts vorgaukeln. Allerdings werden wir die jetzt dem Gesetz zugrunde liegenden Annahmen in 2010 nochmals prüfen. Dafür haben wir im Gesetz die Bundesregierung verpflichtet, ab 2010 regelmäßig darüber zu berichten, ob die Maßnahmen mit der Entwicklung der Arbeitsmarktlage und der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer vereinbar ist. Trotz aller Notwendigkeiten darf die Anhebung des Renteneintrittsalters nur umgesetzt werden, wenn sie mit den tatsächlichen Entwicklungen im Einklang steht. Eine Revision bleibt also möglich. Dennoch müssen wir den Menschen schon heute ehrlich sagen, dass in 22 Jahren das normale Renteneintrittsalter bei 67 Jahren liegen wird. Aber auch erst in 22 Jahren und nicht schon heute, wie manche glauben machen wollen!
Ich kann es nicht verantworten, den Menschen eine „schöne heile Welt“ vorzugaukeln, in der man immer kürzer arbeiten muss, ohne dass die Beiträge steigen oder die Leistungen sinken. Das hielte ich für verantwortungslos, erst recht dann, wenn ich das nur sagen und so abstimmen würde, um mir Wählerstimmen zu sichern. Ich sitze hier, weil es mir um das tatsächliche Wohl und nicht das erträumte Wohl der Bevölkerung geht.
Bedenken Sie bitte auch:
1957 betrug der Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung 15 %, seit 1986 hat er die 19 %-Marke überschritten. Als der Beitragssatz auf 21 % hätte erhöht werden müssen, hat man das mit einem Mehrwertsteuerpunkt abgefangen.
An welcher Schraube sollte ich Ihrer Meinung nach drehen:
- höhere Beiträge
- höhere Steuern
- geringere Rentenzahlbeträge
- ein nach hinten verschobenes Renteneintrittsalter (entsprechend des sich nach hinten verschobenen Berufseintrittsalters wegen längerer Schulzeiten)
Und ganz zum Schluß darf ich Ihnen noch sagen, dass wir selbstverständlich in einer Arbeitsgruppe, der ich angehöre, auch an Vorschlägen arbeiten, die sich mit der EU-Rente, der Erwerbsminderungsrente, der Teilrente und einem gleitenden Übergang in Rente befassen.
Mit freundlichen Grüßen
Doris Barnett