Frage an Doris Barnett von Birgit D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Barnett,
mit Fassungslosigkeit habe ich gerade gelesen, dass Sie auch für die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt haben. Das ist ein Skandal. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass auch die SPD eine Tierquäler-Partei ist. Das ging schon mit dem Koalitionsvertrag los, indem sich die SPD gemeinsam mit CDU/CSU darauf geeinigt hat, Tierschützer, die in Ställe „einbrechen“ (um Missstände aufzudecken!), härter bestrafen zu wollen. Im September hat die SPD zusammen mit CDU/CSU zwei verschiedene Anträge von FDP und Grünen zu Verschärfungen bei Tiertransporten abgelehnt. Und nun diese unselige Fristverlängerung!
Genau dieses "Weiter-So-für-die-Wirtschaft-koste-es-was-es-wolle" ist der Grund dafür, dass der SPD die Wähler in Scharen weglaufen.
Bitte erläutern Sie mir Ihre ganz persönlichen Beweggründe, warum Sie dafür gestimmt haben, dieses qualvolle Prozedere beibeahlten zu wollen.
Und kommen Sie mir nicht mit einer vorformulierten Textwüste von Ihrem SPD-Kollegen Rainer Spiering. Und auch nicht mit dem Totschlagargument Arbeitsplätze (ich weiß, eine makabre Wortwahl in Zusammenhang mit dem sensiblen Thema Tierschutz). Wenn Geschäftsgrundlagen ethisch nicht vertretbar sind und zu gesundheitlichen Gefahren von Mensch, Tier und Umwelt führen, dürfen Arbeitsplätze kein Argument mehr sein.
Mich interessiert wirklich, ob Sie als Politikerin noch Empathiefähigkeit für andere Lebewesen haben, und wie Sie persönlich zum Thema Tierschutz stehen.
Mit freundlichen Grüßen,
B. D.
Sehr geehrte Frau D.,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 21.12.2018 – ich nehme Ihre Sorgen sehr ernst und erläutere Ihnen im Folgenden gerne meinen Standpunkt. Natürlich setzt sich die SPD-Bundestagsfraktion dafür ein, die Lebensbedingungen von Nutz-, Heim- und Wildtieren zu verbessern. Und als Vorsitzende der Naturfreunde Rheinland-Pfalz ist mir persönlich der Tierschutz ein ganz besonderes Anliegen.
In der SPD-Bundestagsfraktion gab es eine heftige und sehr emotional geführte Diskussion zur Novellierung des Tierschutzgesetzes und auch ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Letztlich bin ich unserer Facharbeitsgruppe gefolgt und habe die Gesetzesänderung mitgetragen. Denn leider hat der ehemalige Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmid (CSU) es in den letzten fünf Jahren nicht geschafft, die Voraussetzungen für die im Tierschutzgesetz 2013 vorgesehene schmerzfreie Kastration zu schaffen. Hätte die SPD die Fristverlängerung verhindert, wären in der Tat massive Struktureinbrüche bei den deutschen Sauenhalterinnen und Sauenhaltern die Folge gewesen – und der Schutz dieser Arbeitsplätze ist für mich kein Totschlagargument. Gleichzeitig käme es zu Importen von Millionen von Ferkeln aus Ost- und Nordeuropa. Dem Tierschutz wäre damit ein Bärendienst erwiesen. Denn die importierten Ferkel würden im Ausland ebenfalls nicht nach deutschen Tierschutzstandards kastriert werden und müssten zudem noch die Transportwege über mehr als tausend Kilometer ertragen. In diesem Zusammenhang ist mir der heftige Kampf gegen lange Tiertransporte unseres ehemaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck noch sehr gut in Erinnerung.
Deshalb haben wir im Gesetz Sicherungen eingebaut, die sicherstellen, dass in zwei Jahren wirklich Alternativen zur bisherigen Praxis flächendeckend zur Verfügung stehen. Dazu zählen unter anderem die Entwicklung und Bereitstellung von Schulungsprogrammen, die Unterstützung der Betriebe bei der Anschaffung von Narkosegeräten und entsprechende Aufklärungskampagnen. Mit der vom Bundestag beschlossenen Gesetzesänderung haben wir dafür gesorgt, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft endlich handeln muss!
Mit freundlichen Grüßen
Doris Barnett