Das Wirtschaftsprogramm von Volt ist neoliberal geprägt. Aber gerade die Dominanz des Marktliberalismus in der Politik hat die derzeitigen Probleme erzeugt. Brauchen wir nicht einen starken Staat?
Politik hat sich weltweit am Maximieren der Unternehmensgewinne orientiert. Seit Reagan und Thatcher gilt diese Maxime. Dabei wurden die Folgekosten für die Umwelt und die Gesellschaft als externe Kosten betrachtet und ignoriert. Benötigen wir nicht für die schnelle Bewältigung der Krise mit einem sozialen Puffer einen Staat, der die notwendigen Investitionen in Erneuerbare Energien und Umweltschutz aktiv selbst vornimmt?
Vielen Dank für die Frage
Wir bei Volt würden unser Wirtschaftsprogramm nicht als "neoliberal", sondern als "sozialliberal" bezeichnen. In Anbetracht der großen Herausforderungen unserer Zeit wie der Bewältigung der Corona-Pandemie, der Klimakrise, aber auch der fortschreitenden Digitalisierung, sind wir davon überzeugt, dass es keine Alternative zu einer starken sowie ökologischen, sozialen und ökonomisch nachhaltigen Marktwirtschaft geben kann. Natürlich funktioniert das nicht ohne Rahmenbedingungen von Seiten des Staates. Volt stellt sich hierbei Rahmenbedingungen vor, welche positive Veränderungen, neue Arbeitsplätze und Unternehmer*innentum entstehen lassen und nicht durch Bürokratie, ineffiziente Strukturen (z.B. in der Verwaltung) und unzureichende Finanzierung ausbremsen. Volt schlägt daher eine Wirtschafts- und Finanzpolitik vor, die öffentliche Mittel effizient und zielgerichtet einsetzt. Damit werden strukturelle Barrieren reduziert und private Investitionen multipliziert. Außerdem werden notwendige Anpassungen von Unternehmen ermöglicht und neue unternehmerische Chancen geschaffen.
Für uns ist für die Zukunft der Wirtschaft, wie wir sie uns vorstellen, die Förderung von Unternehmer*innen zentral. Wir wollen beispielsweise die Gründung von Unternehmen vereinfachen und die Unternehmenssteuersätze in Richtung eines mittleren europäischen Niveaus senken. Dies mag auf den ersten Blick neoliberal wirken, im gleichen Zuge erhöhen wir allerdings die Kapitalertragssteuer auf 35 %. Zudem wollen wir Investitionen fördern, damit junge und innovative Unternehmen Zugriff auf privates Investitions- und Beteiligungskapital sowie zu öffentlichen Fördermitteln haben. Über öffentliche Beteiligungen an privaten Investitions- und Beteiligungskapitalgeber*innen nimmt der Staat hierbei direkten positiven Einfluss auf die Kapitalausstattung der am Markt etablierten und vernetzten Investierenden. Dies könnte durch Investitionen aus einem neu aufgelegten Staatsfond geschehen.
Volt steht außerdem für eine solidarische Haushalts- und Steuerpolitik, in welcher die starken Schultern unserer Gesellschaft bewusst finanzielle Verantwortung übernehmen. Unsere Politik überzeugt sie davon, dass ein höherer Beitrag zur Finanzierung politischer Vorhaben nicht nur eine Belastung, sondern ein positiver Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur gesellschaftlichen Entwicklung ist. Zentrale Forderungen beinhalten z.B. eine leichte Erhöhung der Einkommenssteuer im oberen Einkommensbereich, die bereits erwähnte Erhöhung der Kapitalertragssteuer oder die perspektivische Abschaffung des Ehegattensplittings.
Zu Ihrer zweiten Frage: Die Klimakrise stellt für uns ganz klar die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts dar. Unter der Transformation zur Klimaneutralität verstehen wir aber nicht nur die Klimawende, sondern einen Dreiklang aus Klimawende, wirtschaftlichem Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit. Uns ist hier klar bewusst, dass die vor uns liegenden Veränderungen einen ganz besonderen sozialen Zusammenhalt benötigen. Die Bewältigung der Klimakrise darf nicht zu Lasten von sozial schwächer gestellten ablaufen. Ein gutes Beispiel für den zuvor beschriebenen Dreiklang ist unsere Herangehensweise bei der CO2-Bepreisung: Die Erlöse sollen zu gleichen Teilen als direkte Rückzahlungen an die Bürger*innen ("Klimadividende"), als Subventionen für umweltschonende Produkte und für staatliche Investitionen in Forschung und Entwicklung genutzt werden. Die Bewältigung der Klimakrise kann aber nicht nur durch innovatives Unternehmer*innentum (bzw. den Markt) und staatliche Investitionen gelingen. Auch die Bürger*innen unseres Landes (und ganz Europas) müssen hier berücksichtigt werden. Für uns stellt Bürger*innenbeteiligung daher ein Schlüsselelement der Transformation dar. Wir wollen daher ihre Bteiligungsmöglichkeiten (z.B. durch Bürger*innen-Energiegenossenschaften und -gesellschaften) stärken und weitere finanzielle Mittel für Nachhaltigkeits- und Transformationsprojekte zur Verfügung stellen.
Ich hoffe dies bringt Ihnen die Wirtschafts-, Sozial- und Klimapolitik von Volt ein wenig näher, bei detaillierteren Fragen können Sie sich natürlich gerne jederzeit melden!
Viele Grüße
Domenic Gehrmann