Frage an Dirk Nockemann von Steffen P. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Nockemann,
des öfteren fallen mir Wahlsprüche von größeren mitbewerbenden Parteien des christ- und sozialdemokratischen Spektrum ins Auge, wonach deren Partei dem geneigten Wähler massenweise Ausbildungsplätze verspricht und somit jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz.
Frage hierzu: Wie glaubwürdig ist diese Aussage des Wahlplakates einzuschätzen, wenn man doch über die Webseite der Handwerkskammer bei den Innungs- und Meisterbetrieben des Handwerks als Grundvoraussetzung eine 3 in Deutsch benötigt, die ja nun ein gerüttelt Maß an Sprachgrundverständnis voraussetzt, was ja nun aufgrund der Anglifizierung und Turkisierung der deutschen Sprache, nicht mehr allgemeines Sprachgut ist?
Ein Gespräch mit diversen Handwerksmeistern in meinem Wahlkreis hat hier ergeben, daß eben durchaus genügend Lehrstellen vorhanden sind, aber die Bewerber von Jahr zu Jahr sprachlich unqualifizierter sich darstellen und somit spätestens beim IHK-Eignungstest (wenn dann die Zeugnisse der letzten 2 Jahre stimmen) einfach mal durchfallen. Wegen mangelhafter bis ungenügender Deutschkenntnisse, die ja auch an der Berufsschule benötigt werden.
In der Hoffnung auf eine sachliche sachbezogene (Achtung angewandte Tautologie) Antwort.
Hochachtungsvoll
Steffen Pfeiffer
Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Sehr allgemein darf ich Ihnen zunächst antworten, dass politische Wahlwerbung generell mit einem Glaubwürdigkeitsproblem behaftet ist. Vieles wird versprochen. Die Realität zeigt, was von den "Sprechblasen" der Politiker zu halten ist. Das ist im Übrigen ein Grund dafür, dass sich unsere Partei in Hamburg gegründet hat.
Die politischen Parteien können und dürfen keine Lehrstellen versprechen. Lehrstellen werden von Betrieben und Unternehmen geschaffen. Die Politik muss aber die Voraussetzungen schaffen, damit die Unternehmen nicht durch Steuern und Abgaben finanziell erdrückt werden. Und - sehr wichtig: Die Politik muss dafür Sorge tragen, dass unsere Jugendlichen eine bestmögliche schulische Bildung und Ausbildung erhalten. Schulpolitik und der Wert von Bildung sind zwar in aller Munde, aber an der Umsetzung hapert es. Angesichts der katastrophalen Bildungssituation ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass in Hamburg innerhalb der letzten Jahre 600 Lehrerstellen gestrichen worden sind. Der Bildungs- und Ausbildungsstand hängt aber nicht nur von objektiven Gegebenheiten (z.B Zahl der Lehrerstellen) ab. Zunehmend sind unsere Jugendlichen auch zu wenig lernbereit oder lernorientiert. Statt leere Versprechungen zu machen, sollten die Politiker vielmehr unmissverständlich deutlich machen, dass das Erlangen eines Ausbildungsplatzes harte Vorarbeit des Jugendlichen verlangt und dass ein Ausbildungsplatz nicht als "gebratene Taube" zugeflogen kommt. Politik und Gesellschaft müssen von den Jugendlichen endlich mit deutlichen Worten Bildungs- und Ausbildungsbereitschaft einfordern und klipp und klar sagen, dass an erster Stelle die Erlangung hinreichender Kenntnisse der deutschen Sprache steht. Ohne gute Deutschkenntnisse wird es auch kein Erlernen der sonstigen Voraussetzungen geben, die für eine Lehrstelle von zentraler Bedeutung sind. In Deutschland und in Hamburg ist leider nicht nur das mangelnde Sprachverständnis ein Grundproblem. Auch die Grundkenntnisse der Schülerschaft in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern lassen erheblich zu wünschen übrig.
Aber leider sind unsere Politiker nicht ehrlich und versprechen lieber das Blaue vom Himmel. Dass ein Großteil der Jugendlichen die deutsche Sprache kaum noch beherrscht, liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Medien unsere Sprache ständig verhunzen. Medien, Gesellschaft und Politik müssen eben radikal umdenken. Eltern müssen ihre Kinder zum Lernen anhalten und motivieren. Sprachliche Integration muss so früh wie möglich erfolgen - nötigenfalls mit Zwang in Vorschulklassen. Sonst gibt es zukünftig nicht nur keine Ausbildungsplätze mehr für "Versager". Wenn große Teile unserer Jugend nicht endlich motiviert werden, aus eigenem Antrieb Lernbereitschaft und Lerndisziplin zu entwickeln, sieht es mit unser aller Zukunft nicht gut aus. Die Arbeit wird verstärkt abwandern. Im Handwerk ist diese Tendenz zwar nicht so gravierend wie in der Industrie, aber die insgesamt sinkende Wirtschaftskraft wird auch massive Auswirkungen auf das Handwerk in Deutschland haben. Sehr geehrter Herr Pfeiffer, die Bildungspolitik der letzten drei Jahrzehnte hat komplett versagt. Es ist kaum verständlich, dass Deutschland, ein Volk von 80 Millionen Menschen, nicht in der Lage ist, in ausreichender Zahl Facharbeiter hervorzubringen!! Dieses Versagen laste ich den etablierten Parteien an. Im Übrigen empfehle ich Schülern, die sich vergeblich um eine Ausbildungsstelle beworben haben, sich verstärkt um sogenannte berufsvorbereitende Maßnahmen zu bewerben.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Nockemann