Frage an Dirk Heidenblut von Richard Friedrich A. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Bundestagsabgeordneter Heidenblut,
zunächst bedanke ich mich für Ihre zeitnahe Reaktion auf meine letzte Anfrage
an Sie.
Leider nehmen Sie zu der aufgeworfenen Frage zu der seitens des Bundesfinanzministers Dr.Schäuble der Versicherungswirtschaft versprochenen
"Erleicherung" bei der strittigen Frage der Neubewertunf/Reduzierung der Bewertungsreserven bei bestehenden und bald auslaufenenden Lebensversicherungs-
Verträgen keinerlei inhaltliche Stellung, was ich sehr bedauere.
Schließlich handelt es sich hierbei schon im Sinne des Verbraucherschutzes bei
ca.90 Mio.Versicherten um einen wesentlichen Eingriff in deren Alters-und Lebensplanung, was verständlicherweise zu deren und meiner erheblicher Verunsicherung führt. Wenn Sie daher noch nicht richtig im Thema darüber sein
sollten, dann empfehle ich Ihnen sehr dringend die Kenntnis der letzten ZDF-Sendung "WISO-Wirtschaft-und Soziales", in der dieses Thema durch Herrn
Michael Opoczynski in aller Deutlichkeit behandelt hatte und die Betroffenen
Versicherten aufgerufen hatte, bei baldigem Ablauf sehr dringend deren Verträge
unter Zuhilfsnahme der Verbraucherschützer zu prüfen und ggf.zu handeln durch
vorzeitige Kündigung selbst.
Insofern erwarte ich von Ihnen um eine abschließende klärende Stellungnahme, da
dieses Gesetzesvorhaben auch schon bereits in den wichtigsten Deutschen Tageszeitungen behandelt wurde und die Verunsicherung darüber recht groß ist.
Gerade Ihre Partei hat doch ansonsten den Verbraucherschutz immer so groß
geschrieben und insofern sollten dann auch Worte und Taten übereinstimmen.
Mit besten Grüßen
Richard Friedrich Arens
Sehr geehrter Herr Arens,
auch wenn Sie dies noch so vehement einfordern, eine abschließende Stellungnahme kann ich nicht abgeben. Es gibt bisher nicht einmal einen Referentenentwurf in der Sache.
Unabhängig davon, selbstverständlich hat für mich (und das gilt für die SPD insgesamt), der Verbraucherschutz höchste Priorität, genau deswegen werden von der SPD die u.A. von Ihnen geäußerten Sorgen und Kritik hinsichtlich möglicher Rechtsänderungen im Bereich der Lebensversicherung sehr ernst nehmen.
Es ist mir, wie allen Vertretern der SPD, wichtig, dass Sie, wie die Versicherten insgesamt, auch in Zukunft auf die Sicherheit und Rendite ihrer Vermögensanlage und Altersvorsorge vertrauen können. Das muss auch in der anhaltenden Niedrigzinsphase gelten, die die Versicherungsunternehmen belastet. Deshalb wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, Maßnahmen zur Stabilisierung der deutschen Lebensversicherer zu treffen. Dabei werden wir die berechtigten Interessen der einzelnen Versicherungsnehmer, der Versichertengemeinschaft sowie der Unternehmen sorgfältig abwägen.
Tatsächlich wollten CDU/CSU und FDP bereits in der letzten Legislaturperiode die Beteiligung der Versicherungsnehmer an den sogenannten Bewertungsreserven einschränken. Das Gesetzgebungsvorhaben wurde aber von den SPD-geführten Ländern im Bundesrat gestoppt. Sie lehnten die einseitige Belastung der Versicherten ab und forderten einen spürbaren Beitrag auch der Unternehmen zur Stärkung ihrer Risikotragfähigkeit.
Im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Deutschem Bundestag gelang es damals nicht, kurzfristig eine ausgewogene Lösung zu entwickeln. Die Vertreter der Länder und der Bundestagsfraktionen waren sich einig, dass die Auswirkungen möglicher gesetzlicher Maßnahmen genauer zu prüfen sind als dies im Rahmen des Vermittlungsverfahrens möglich war. Deshalb beauftragen sie die Bundesregierung im Februar 2013, die tatsächliche Situation der deutschen Versicherungsunternehmen sorgfältig zu untersuchen.
Auf Basis dieser Analyse und vor dem Hintergrund der europäischen Regulierung des Versicherungssektors will die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag nunmehr ein umfassendes Maßnahmenbündel verschlagen. Wie von der SPD gefordert, soll das Gesamtkonzept den Verbraucherschutz im Bereich der Lebensversicherung nachhaltig verbessern. Einen konkreten Gesetzentwurf, wie oben bereits ausgeführt, der mir auch eine abschließende Beurteilung, ob das angestrebte Ziel erreicht wird, ermöglicht gibt es nicht, aber einige Eckpunkte zu dem angestrebten Gesetz sind mir bekannt:
So sollen die Versicherten künftig stärker als bisher an den Risikogewinnen der Lebensversicherer beteiligt werden. Die Aufsichtsrechte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sollen erweitert werden, so dass sie bei Unternehmensschieflagen früher eingreifen und beispielsweise auch Dividendenausschüttungen untersagen kann. Ergänzend sollen die Provisionen von Versicherungsvermittlern eingeschränkt werden. Aus meiner Sicht Aspekte die durchaus im Sinn des Verbraucherschutzes sind.
Hinsichtlich der von Ihnen angesprochenen Bewertungsreserven, die auch Inhalt der Überlegungen sind, ist folgendes zu bedenken:
Im Jahr 2005 verpflichtete das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber, den einzelnen Versicherungsnehmer bei der Ermittlung der Ablaufleistung ihrer Versicherung auch an den Vermögenswerten angemessen zu beteiligen, die durch seine Prämienzahlungen geschaffen wurden. Mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) regelte die schwarz-rote Koalition 2007 die Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung erstmals gesetzlich. Seither erhalten die Versicherten bei Vertragsende neben der garantierten Leistung auch eine Beteiligung an den Überschüssen und grundsätzlich die Hälfte der ihnen zugeordneten Bewertungsreserven. Bei diesen Reserven handelt es sich nicht um tatsächlich erzielte Erträge, sondern um die rechnerische Differenz zwischen dem Markt- und dem Buchwert der Kapitalanlagen des Versicherungsunternehmens.
Im VVG wurde aber nicht nur die Überschussbeteiligung geregelt, sondern auch darauf verwiesen, dass die Lebensversicherer vorrangig zur dauernden Erfüllbarkeit der Verträge verpflichtet bleiben.
Entsprechend ihrem Geschäftsmodell tätigen Versicherungsunternehmen regelmäßig längerfristige und damit höherverzinsliche Vermögensanlagen. Soweit es sich um festverzinsliche Wertpapiere handelt, vervielfachten sich die darin enthaltenen Bewertungsreserven in der anhaltenden Niedrigzinsphase. Aus diesem Grund erhalten ausscheidende Versicherungsnehmer derzeit weit überdurchschnittlich hohe Ablaufleistungen - verglichen mit normalen Kapitalmarktverhältnissen.
Dies kann zu Lasten der Versicherten gehen, deren Leistungen erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig werden. Damit entstünde eine Ungleichbehandlung innerhalb der Versichertengemeinschaft. Mit einer Neuregelung soll für eine gerechtere Beteiligung aller Versicherungsnehmer auch an dem Vermögen, das die Unternehmen in festverzinslichen Papieren anlegen, geschaffen werden. Das entspricht dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, das den Gesetzgeber verpflichtet hat, für einen fairen Interessenausgleich innerhalb der Solidargemeinschaft der Versicherten zu sorgen.
Die Kritik, die betroffene Versicherungsnehmer, Verbraucherschützer und Lebensversicherer momentan an diesen Aspekten der Gesetzespläne äußern, nehmen wir in der SPD sehr ernst. Die Aufteilung der Erträge aus Lebensversicherungen auf die Versicherten und die Unternehmen muss im Gesetzgebungsverfahren gründlich diskutiert werden. Dabei werden wir in unsere Beurteilung der Rechtsänderungen die das Bundesfinanzministerium derzeit erarbeitet die Darlegungen der Verbraucherschützer und anderer Quellen einbeziehen.
Die Vertreter der SPD werden sich in den anstehenden Verhandlungen wie bisher für die berechtigten Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dirk Heidenblut