Frage an Dirk Becker von Richard E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Becker
Natürlich wollen wir unsere Kinder schützen. Dieses Thema löst sehr starke Emotionen aus. Aber können starke Emotionen nicht auch unser Urteilsvermögen trüben? Ist es nicht bedenklich, wenn Grundrechte mittels Emotionalisierung in Frage zu gestellt werden?
Vielleicht sind die Internetsperren ja wirklich gut gemeint und es geht nicht nur um Macht, Wahlkampf, der Aufwertung des Ego oder geschieht aus kopflosem Aktionismus.
Das Übel wird hier aber nicht bei der Wurzel gepackt. Die betreffenden Internetseiten werden nicht abgeschaltet und die Verantwortlichen werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Stattdessen soll der gesamte Internetverkehr jedes Bürgers in Deutschland gefiltert werden.
Wohlgemerkt: die Seiten bleiben bestehen. Die Verbrechen geschehen also weiter, nur wie hinter einem Vorhang, durch den die Verbrecher geschützt werden.
Auch hat sich längst gezeigt, dass in anderen Ländern, die das Internet filtern, diese Technik für Zensur missbraucht wird.
Gerade erst zeigt sich, wie sehr dieses Thema zu machtpolitischen Zwecken missbraucht wird: In Bayern vom Innenminister Herrn Joachim Herrmann und seiner Gleichsetzung mit Computerspielen und Drogen.
Es tut mir leid, aber ich verliere mein Vertrauen in die Anständigkeit von Politikern.
Daher habe ich ein paar Fragen:
Können Sie belegen, dass sich Länder dem Abschalten von Seiten widersetzen?
Warum werden auf diese kein politischer Druck aus ausgeübt?
Was tun Sie konkret für die Opfer und für die Prävention?
Wie bewerten Sie den Vergleich von Herrn Herrmann?
Sind Sie für die Ausweitung der Filter auf andere Bereiche?
Mit freundlichen Grüßen
Richard Ehrmann
Sehr geehrter Herr Ehrmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne gebe ich Ihnen dazu Antwort.
Zu Ihren ersten beiden Fragen kann ich Ihnen sagen, dass wir uns seit Jahren für eine Verbesserung der internationalen Strafverfolgung und eine bessere Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen. So wurden beispielsweise auf dem Dritten Weltkongress in Rio gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern und Heranwachsenden im November 2008 weitere Maßnahmen vorgeschlagen, die auf internationaler und nationaler Ebene angestoßen werden sollen. 16 Staaten, darunter auch Deutschland, haben eine Zusatzerklärung unterzeichnet, mit der sie das Ziel, Kinderpornografie in den neuen Medien zu bekämpfen, bekräftigen.
Auch auf europäischer und internationaler Ebene wurden zahlreiche Maßnahmen initiiert. So hat das Bundesjustizministerium innerhalb der Bundesregierung als federführendes Ressort auch auf internationalem Gebiet vielfältige Anstrengungen zur Bekämpfung von kinderpornographischen Schriften und Inhalten unternommen. Dazu zählen beispielsweise das VN-Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie; die Empfehlung des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung; der Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom 22.12.2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und von Kinderpornographie; das Übereinkommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch sowie im Rahmen der G 8 in der Roma/Lyon-Gruppe, die sich mit einer Reihe von Projekten zur Bekämpfung von Kinderpornographie beschäftigt. Diese Maßnahmen zeigen auch auf internationaler Ebene Wirkung. Dennoch verbleiben eine Reihe von Staaten, die wir mit diesen Maßnahmen nicht erreichen - und auch hier gilt es, dass die Maßnahmen zur Verbesserung der internationalen Strafverfolgung weiter verbessert werden müssen.
Bezüglich Ihrer dritten Frage kann ich Ihnen sagen, dass wir in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen ergriffen haben. Wir haben auf Bundesebene einen Aktionsplan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung umgesetzt. Aufklärung und Prävention sind Schwerpunkte dieses Aktionsplans von 2003. Wir haben unter rot-grüner Regierungsverantwortung u.a. eine bundesweite Präventionskampagne "Hinsehen - Handeln - Helfen" durchgeführt, einen Elternratgeber ("Mutig fragen - besonnen handeln") herausgegeben und ein nationales Servicetelefon eingerichtet. Wir haben auch zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, um den Kinderschutz nachhaltig zu verbessern. Zu nennen sind beispielsweise der Nationale Aktionsplan "Für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010", die Fortentwicklung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes oder das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls. Darüber hinaus haben wir haben seit den 1990er Jahren das Strafrecht verschärft, um den sexuellen Missbrauch von Kindern wirksam zu bekämpfen und noch wirksamer gegen Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften vorzugehen. Auch die Einrichtung einer "Zentralstelle Kinderpornografie im BKA" war ein wichtiger Schritt nach vorn. In den vergangenen Jahren hat es in diesem Bereich zehntausende strafrechtliche Ermittlungen gegeben. Die Behörden leisten bei der Strafverfolgung Enormes, sie sind aber personell nicht immer optimal ausgestattet. Schließlich haben wir in den letzten Jahren den Opferschutz mit gesetzlichen Regelungen verbessert. Beispielsweise haben wir die Stellung der Verletzten im Strafverfahren, den Täter-Opfer-Ausgleich und die Schadenswiedergut-machung im Erwachsenenstrafrecht gestärkt.
Den von Ihnen angesprochenen Vergleich in Ihrer vierten Frage, welchen der bayrische Innenminister zwischen Computerspielen und Drogen angestellt hat, möchte ich nicht kommentieren.
Zu Ihrer letzten Frage: Der Kampf gegen Kinderpornografie im Internet ist seit Jahren ein wichtiger Schwerpunkt. Kinderpornografische Seiten auf deutschen Servern werden schon heute gesperrt und entsprechende Strafverfolgungsmaßnahmen eingeleitet. Das Internet wird auf illegale und jugendgefährdende Inhalte hin kontrolliert, zudem gibt es Internet-Beschwerdestellen, bei denen man solche Inhalte melden kann. Aktuell diskutiert werden Zugangssperren von ausländischen Websites, die kinderpornografische Inhalte enthalten. Wir setzen uns dafür ein, dass auch in Deutschland wirksame Zugangssperren von ausländischen Websites, die kinderpornographische Inhalte enthalten, eingesetzt werden - und zwar auf gesetzlicher Grundlage. Solche Sperren werden von anderen Staaten wie Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark, Großbritannien oder Italien bereits angewendet. Hierzu wird die SPD-Bundestagsfraktion ein Gesetz zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet vorlegen. Auf dieser Grundlage kann der Deutsche Bundestag Chancen und Risiken einer solchen Zugangssperre diskutieren und zeitnah eine verfassungskonforme und wirksame Lösung finden. Insbesondere ist sicher zu stellen, dass ausschließlich kinderpornografische Inhalte gesperrt werden - eine Ausweitung auf andere Inhalte lehnen wir ab.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Becker