Frage an Dilek Kalayci von Dogan A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr verehrte Frau Kolat,
Wie soll Integration gelingen, wenn selbst Kandidaten mit dem Migrationshintergrund sich nur um MIgrantenangelegenheiten kümmern und sich selber reduzieren?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Dogan,
viele Migranten, die politisch aktiv sind, machen die Erfahrung, dass sie auf die Integrationspolitik reduziert werden. Auch ich habe am Anfang meiner politischen Arbeit ähnliche Erfahrungen gemacht, habe mich aber auch bewusst, entsprechend meiner Kompetenzen, in andere Politikbereiche, wie Haushalts- und Wirtschaftspolitik eingebracht.
Heute hat sich vieles geändert. Aus meinen persönlichen Erfahrungen gibt es Hinweise, die belegen, dass Migranten nicht mehr auf ihre Herkunft reduziert werden, wie vielleicht vor zehn Jahren:
1. Ich beobachte, dass zunehmend mehr Politikerinnen und Politiker nichtdeutscher Herkunft sich in anderen Politikfelder einbringen und sich nicht auf das Politikfeld Integration beschränken. Auch ich mache als Wirtschaftmathematikerin und Bankerin leidenschaftlich gerne Haushalts- und Finanzpolitik und bringe meine Erfahrungen aus der Wirtschaft in die Politik ein. Beispielsweise wenn es um die Modernisierung der Verwaltung geht oder den effizienteren Einsatz der knappen öffentlichen Mittel. Ich bringe selbstverständlich meine Erfahrungen als Migrantin, insbesondere im Bildungsbereich, ein, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen in der Integrationspolitik zu entwickeln.
2. In meinen Bürgersprechstunden besuchen mich Bürgerinnen und Bürger mit ihren verschiedensten Anliegen. Ich werde also nicht nur zu Integrationsfragen angesprochen. Dies zeigt die Akzeptanz, unabhängig von der Herkunft. Ich bin Kreisvorsitzende der SPD Tempelhof-Schöneberg mit 2.220 Mitgliedern. In dieser Führungsaufgabe geht es um die Bundes-, Landes- und Bezirkspolitik. Integration spielt auch in der parteiinternen Willensbildung eine Rolle, aber nicht nur.
Mein Verständnis von Integration ist, dass Migrantinnen und Migranten in allen Bereichen unserer Gesellschaft und in allen Politikbereichen zur Normalität werden. Dies setzt aber auch voraus, dass Migranten sich selbst nicht einschränken und sich in verschiedenen Politikfeldern einbringen. Ich kann Sie nur ermuntern, auch wenn sie andere Erfahrungen gemacht haben sollten, sich politisch umfangreich nach ihren eigenen Interessen und Kompetenzen einzumischen und sich nicht auf eine einzige Rolle reduzieren zu lassen. Mir ist es gelungen. Also kann es auch vielen anderen gelingen.
Herzliche Grüße
Dilek Kolat