Haben Schweden und Finnland nicht über Jahrzehnte gute Erfahrungen mit ihrer Neutralität gehabt? Sollten sie die nicht weiterhin beibehalten?
Sehr geehrter Herr Köster,
es gibt in diesen Ländern Überlegungen, ihre Neutralität aufzugeben und in die Nato einzutreten. Wenn dann dort US-Atomwaffen mit kurzer Vorwarnzeit installiert werden – erhöht das nicht das Risiko für diese Länder? Oder falls dann dort Raketenabwehrsysteme installiert werden – könnten diese dann auch für einen Angriff mit Marschflugkörpern verwendet werden? Sind diese Länder nicht jetzt vor einem Krieg geschützt, weil sie keine Bedrohung darstellen?
War nicht die Forderung der Ukraine nach einem schnellen Eintritt in die Nato ein Grund für den Beginn des Krieges? Putin hat auch die enge militärische Zusammenarbeit der Ukraine mit der Nato, zum Beispiel bei Militärmanövern auf dem Gebiet der Ukraine, stark kritisiert. (Zum Beispiel in seiner Rede vom 21.2.2022.)
Sollte der Konflikt nicht mit Deeskalation und Verhandlungen gelöst werden? Sollte man sich nicht gerade jetzt wieder auf eine Entspannungspolitik besinnen?
Mit freundlichen Grüßen
Frage 1: Sehr geehrter Herr Köster,
es gibt in diesen Ländern Überlegungen, ihre Neutralität aufzugeben und in die Nato einzutreten.
Wenn dann dort US-Atomwaffen mit kurzer Vorwarnzeit installiert werden – erhöht das nicht das Risiko für diese Länder?
Antwort 1: Sehr geehrter Herr Gr.,
ja, das erhöht das Risiko. Daher unterstütze ich alle Bemühungen, dass eine NATO-Mitgliedschaft dieser Länder vorsehen sollte, dort keine Atomwaffen zu stationieren. Es sollte auch keine atomare Teilhabe geben. Schweden sollte der UN-Konvention zum Verbot von Atomwaffen beitreten.
Frage 2. Oder falls dann dort Raketenabwehrsysteme installiert werden – könnten diese dann auch für einen Angriff mit Marschflugkörpern verwendet werden?
Antwort 2: Ich befürworte den Ansatz einer strukturellen Nichtangriffsfähigkeit. Ich würde es begrüßen, wenn die Raketenabwehrsysteme nicht für Marschflugkörper genutzt werden können. In dieser Hinsicht muss von allen Beteiligten alles transparent gemacht werden.
Frage 3. Sind diese Länder nicht jetzt vor einem Krieg geschützt, weil sie keine Bedrohung darstellen?
Antwort 3: Nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine kann man nicht mehr davon ausgehen, dass sich die Sicherheitslage durch eine Mitgliedschaft in der NATO verschärfen wird. Ich begrüße es allerdings, dass im gesamten Ostseeraum Initiativen für vertrauensbildende Maßnahmen und Rüstungskontrolle und Abrüstungsverhandlungen entwickelt werden.
Frage 4. War nicht die Forderung der Ukraine nach einem schnellen Eintritt in die Nato ein Grund für den Beginn des Krieges? Putin hat auch die enge militärische Zusammenarbeit der Ukraine mit der Nato, zum Beispiel bei Militärmanövern auf dem Gebiet der Ukraine, stark kritisiert. (Zum Beispiel in seiner Rede vom 21.2.2022.)
Antwort 4: Ein grundlegendes Problem ist, dass Russland nicht in die europäische Sicherheitsarchitektur eingebunden wurde. Sicherheitsinteressen müssen immer als gemeinsame Sicherheitsinteressen interpretiert werden. Daher kann es durchaus sein, dass die russischen Machthaber die NATO-Osterweiterung als Bedrohung wahrgenommen haben. Das Kriegsrisiko wäre vermutlich geringer gewesen, falls es gelungen wäre, wenn die Ukraine als neutraler Staat keinen Raum für NATO-Manöver geboten hätte.
Frage 5. Sollte der Konflikt nicht mit Deeskalation und Verhandlungen gelöst werden? Sollte man sich nicht gerade jetzt wieder auf eine Entspannungspolitik besinnen?
Antwort 5: Die gesamte politische Kraft muss darauf gerichtet werden, diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Dazu muss in einem ersten Schritt ein Waffenstillstand erzielt werden und Russland muss seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen. In einem weiteren Schritt müsste die Neutralität der Ukraine verhandelt werden. Dies muss letztlich die Entscheidung der Ukraine sein. Zudem muss das Sicherheitsinteresse der Ukraine gegen eine weitere mögliche russische Aggression gesichert werden, in der weitere Staaten, oder noch besser, die Vereinten Nationen, als Garant der Sicherheitsinteressen der Ukraine aufträten.