Frage an Dietmar Köster von Heike S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Köster, beste Grüße nach Brüssel. Als Pflegewissenschaftlerin engagiere ich mich für ein öffentliches Gesundheitswesen für alle Menschen und wüsste gerne Ihre generelle Meinung zu TTIP, CETA und TiSA. Meinen Dank im Voraus für Ihre Antwort.
Sehr geehrte Frau S.,
ich möchte mich recht herzlich für Ihre Frage bedanken. Wir, die europäischen Sozialdemokraten, teilen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada. Deswegen ist unsere zentrale Parteiposition hierbei, den Abkommen mit Kanada (CETA) und den USA(TTIP) nur unter strengen Auflagen zuzustimmen. Bis zur Abstimmung am 16. April war ich als Schattenberichterstatter der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, der S&D Fraktion, für die Stellungnahme des Rechtsausschuss zu TTIP verantwortlich. Mit unseren zahlreichen Änderungsvorschlägen haben wir als S&D essentielle Forderungen zur öffentlichen Daseinsvorsorge, Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechten durchgesetzt. Außerdem haben wir erreicht, dass die Mehrheit der Ausschuss-Mitglieder für die Ablehnung der Schiedsgerichte (ISDS) in jeglicher Form gestimmt hat.
Auch im weiteren Verlauf der Verhandlungen werde ich mich dafür einsetzen, dass demokratisch zu fällende Entscheidungen nicht Gegenstand außergerichtlicher Mechanismen werden. Auch dürfen Investoren keine anderen Rechte haben als z.B. Arbeitnehmer. Sowohl die staatlichen Gerichte in den USA als auch in der EU sind absolut in der Lage, über Klagen von Unternehmen zu urteilen. In Bezug auf die TTIP-Verhandlungen fordere ich, dass die vorläufig ausgehandelten Texte umgehend veröffentlicht werden und somit der weitere Verhandlungsprozess breit und kritisch öffentlich begleitet werden kann. Nur dann ist eine eingehende und detaillierte Analyse möglich, ob die für Bürgerinnen und Bürger und Kommunen relevanten Themen im Abkommen ausreichend berücksichtigt und geschützt werden. Damit meine ich z.B. das Dienstleistungskapitel, die Arbeitnehmer- und Umweltschutzregeln des Nachhaltigkeitskapitels sowie der Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge, worunter auch das öffentliche Gesundheitswesen fällt. Um zum Beispiel die öffentliche Daseinsvorsorge zu sichern, fordern wir den Marktzugang für Dienstleistungen im Sinne des "Positivlisten-Ansatzes" zu verbessern. Dieser würde entgegen den bis dato bei Abkommen gebräuchlichen Negativlisten sicherstellen, dass nur Bereiche von der Liberalisierung betroffen sind, die tatsächlich explizit erwähnt werden und somit einen Interpretationsspielraum ausschließen. Diese Positivliste muss zusammen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Gewerkschaften diskutiert und erstellt werden. Außerdem muss sichergestellt sein, dass es angemessene Ausnahmeregelungen für sensible Dienstleistungen wie eben die der öffentlichen Dienstleistungen oder öffentlichen Versorgungsleistungen gibt. Die Behörden vor Ort müssen genug Spielraum für den Erlass von Gesetzen im Interesse der Öffentlichkeit haben. Hierzu wäre eine gemeinsame Erklärung der Verhandlungsführer erforderlich, dass diese Sektoren aus den Verhandlungen ausgeklammert sind. Ich fordere zudem, dass die inländische Rechtssetzung weiterhin ausschließlich durch legitime Legislativorgane der EU und USA erfolgen darf. Ein „Regulatory Cooperation Body“ darf keinerlei Gesetzgebungskompetenzen erhalten und keine bindenden Entscheidungen treffen dürfen, sondern lediglich der Kooperation und dem Informationsaustausch sowie der Beobachtung und Umsetzung der TTIP-Vorschriften dienen Des Weiteren bin ich der Auffassung, dass die Verhandlungen zu TTIP auch dazu genutzt werden sollten, eine stärkere Regulierung für bislang nicht ausreichend regulierte Bereiche der globalisierten Finanzmärkt einzuführen bzw. zu etablieren. Darüber hinaus verlange ich, dass die EU-Kommission Belange, die das Recht am geistigen Eigentum angeht, nicht in TTIP verhandeln sollte, solange keine Harmonisierung dieser Rechte auf europäischer Ebene stattgefunden hat.
Trotz aller Bedenken können Handelsabkommen jedoch auch ein guter Hebel sein, um weltweit einen besseren Arbeitnehmerschutz und nachhaltige Wirtschaft voranzutreiben. Es ist für mich jedoch klar, dass man die wirtschaftlichen Auswirkungen des TTIP-Abkommens mit Vorsicht genießen muss, da durch das Abkommen allein die wirtschaftlichen Probleme in der EU keineswegs gelöst werden.
Sehr geehrte Frau S., ich kann Ihnen zusichern, dass die sozialdemokratische Fraktion keinem Abkommen zustimmen wird, welches die öffentliche Daseinsvorsorge beeinträchtigt. Die gleichen Forderungen gelten für das bereits öffentliche CETA-Abkommen sowie für die Aushandlung von TiSA. Ich versichere Ihnen, dass ich mich mit Nachdruck weiter dafür einsetzen werde, dass die Interessen von Arbeitnehmern und Verbrauchern sowie der Kommunen bei den Freihandelsabkommen stärker einbezogen werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Prof. Dr. Dietmar Köster
Abgeordneter des europäischen Parlaments