Frage an Dietmar Bartsch von Jochen M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Tag Herr Bartsch,
werden Sie in einer neuen Bundesregierung die völkerrechtswidrige Annexion Afrins durch die Türkei ebenso verurteilen wie die die derzeitige Bundesregierung die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland verurteilt? Werden Sie dafür eintreten, diesen Völkerrechtsverstoß entsprechend zu sanktionieren?
Und werden Sie sich dafür einsetzen, die völkerrechtliche Anerkennung der Republik Arzach (Bergkarabach) durchzusetzen? Arzach hat zwar das Völkerrecht auf seiner Seite (s. Prof. Luchterhand, Uni Hamburg), aber nicht die Meinung der Welt, die durch Bakus Ölmilliarden gesteuert wird - der Austritt aus der UdSSR erfolgte gemäß der geltenden sowjetischen Verfassung, die Unabhängigkeit wurde durch Volksabstimmung untermauert.
Vielen Dank, ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Jochen Mangelsen
Sehr geehrter Herr Mangelsen,
DIE LINKE ist eine Partei, die Sanktionen für kontraproduktiv hält, weil sie unserer Auffassung nach eher politische Lösungen erschweren. Deshalb sind wir die einzige Fraktion im Bundestag, die für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit der Krim-Annexion ist, obwohl wir diese ebenso wie die anderen Fraktionen als völkerrechtswidrigen Akt einstufen. Allerdings machen wir bzgl. der Sanktionen eine wichtige Ausnahme. Wir sind für ein wirksames Waffenexportverbot in Krisen- und Kriegsgebiete. Zudem treten wir für eine Beendigung von Sicherheitskooperationen mit extrem repressiven Regimen ein. Wenn es also nach uns ginge, würde die Türkei aufgrund ihrer aggressiven Außenpolitik (wozu auch die Besetzung und faktische Annexion von Afrin gehört) mindestens mit einem Waffenlieferstopp belegt werden.
Was die völkerrechtliche Beurteilung des Status von Arzach betrifft, teile ich Ihre Einschätzung nicht ganz. Ein Austrittsrecht aus der Sowjetunion hatten gemäß der Sowjetverfassung nur die Sowjetrepubliken (SSR), nicht Autonome Sowjetrepubliken (ASSR) und weitere Autonomiestrukturen (Autonome Gebiete). Arzach war in der Sowjetunion ein Autonomes Gebiet innerhalb der Aserbaidschanischen SSR, hatte selbst daher kein Austrittsrecht aus der UdSSR. Aus Sicht der Vereinten Nationen und auch des Europarats ist Arzach daher Bestandteil des Territoriums von Aserbaidschan. Allerdings ist das nur eine Seite der Medaille. Seit 1994 galt es ein Waffenstillstandsabkommen und die Erklärung von Armenien und Aserbaidschan, den Konflikt friedlich zu lösen. Der Krieg, den Aserbaidschan mit starker Unterstützung durch die Türkei lostrat, ist die eigentlich relevante Völkerrechtsverletzung, weil sie die politische Lösung verhindert, zumindest auf Jahre absehbar erschwert hat. Was also die völkerrechtliche Anerkennung von Arzach betrifft, so wird die LINKE jene Ergebnisse unterstützen, die bei einer friedlichen Konfliktlösung herauskommen.
Aber wie dem auch sei, die Bundesregierung behandelte diesen Konflikt beinahe so, als sei er nicht da. Man will der Türkei nicht auf die Füße treten, was ich für falsch halte. Die Türkei bedrohte in jüngster Vergangenheit Zypern und Griechenland, intervenierte in Syrien, ist im Konflikt in Libyen aktiv und heizte den Berg-Karabach-Konflikt an und setzte dort auch islamistische Terrorbanden ein. Ein Kurswechsel gegenüber der Türkei im Interesse des Friedens ist dringend geboten. Dafür hat sich DIE LINKE eingesetzt, dafür wird sie sich auch weiterhin einsetzen.
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch