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Dietmar Bartsch
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Frage von Susanne H. •

Frage an Dietmar Bartsch von Susanne H. bezüglich Senioren

Sehr geehrter Herr Dr. Bartsch,

ich bin als Bevollmächtigte für meine an Demenz erkrankte Mutter verantwortlich. Mit der Vollmacht hat meine Mutter mir ihre Angelegenheiten nicht nur übertragen, sondern ich solle auch in ihrem Interesse handeln. Es gibt in Deutschland unterschiedliche Pflegeschlüssel in den Bundesländern. Das ist aus meiner Sicht nicht hinnehmbar. Sind pflegebedürftige Menschen in Bayern bessere Menschen, als in M-V? Der Unterschied beträgt 10. In Bayern kümmern sich 10 Pflegekräfte mehr um die gleiche Anzahl von Personen. Das kann nicht richtig sein. Meine Mutter entwickelt eine leichte Weglauftendenz. Das Heim verfügt über keine Sicherungsmaßnahmen, wie Chip im Schuh. Nun soll meine Mutter in eine geschlossenen Einrichtung. In Schwerin Stadt gibt es nur ein Heim mit geschlossener Abteilung für demente Menschen. Schlimm genug, dass Menschen mit dieser Erkrankung weggesperrt werden sollen, habe ich als Tochter nur noch die Möglichkeit in Wismar, Ratzeburg, Lübeck oder Hamburg eine solche Einrichtung zu finden. Das ist für mich keine Lösung. Ich möchte meine Mutter in der Nähe wissen, zu ihr gehen, wann immer ich es möchte. Ich fahre kein Auto. Ich wünschte mir mehr Personal für die Betreuung dieser Menschen. Meine Mutter läuft weg, weil sie sich langweilt, weil sich niemand um sie kümmert, weil sie keine Aufmerksamkeit bekommt. Ansonsten ist meine Mutter ein liebenswerter Mensch, umgänglich und händelbar. Noch erkennt sie mich, aber es ist menschenunwürdig, demente Personen wegzusperren. Ich ertrage diesen Gedanken nicht. Ich wünschte mir nicht nur mehr Personal, sondern auch, dass alle Heime mit Sicherungssystemen ausgestattet werden müssen. Mit einem Sicherungssystem, welches ein Signal abgibt bei Überschreitung eines bestimmten Umkreises oder Bewegungsmelder und -matten, die Alarm geben, wenn ausgesuchte Bereiche verlassen werden, geben nicht nur dem Pflegepersonal Sicherheit, sondern auch den Angehörigen.

MfG Susanne Hullmann

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Hullmann,

Ihre Sorgen und Ihre Kritik an den unzumutbaren Zuständen kann ich sehr gut nachvollziehen. Ihr Fall ist leider nicht der einzige und man muss es klar sagen: diese Zustände sind das Resultat von Politik, vor allem von Bundespolitik.

Mit der Privatisierung des so genannten "Pflegemarktes" und den Gesetzen der Bundesregierungen der vergangenen Jahre wird die Situation für diejenigen, die nicht für sich selbst sprechen können, wie beispielsweise Menschen mit Demenz, immer schwieriger.
Es ist aus unserer Sicht eben falsch, wenn man das Angebot an Pflegeeinrichtungen „dem Markt“ überlässt. Wie viele andere Aufgaben, die dem Gemeinwohl zuzuordnen sind, darf auch die Arbeit in Pflegeeinrichtungen nicht an Profitinteressen ausgerichtet werden. Dadurch wird es für viele Pflegeeinrichtungen unattraktiv, spezielle Stationen und Vorkehrungen für Menschen mit Demenz anzubieten, weil diese teurer und personalaufwendiger sind.

Der von Ihnen angesprochene unterschiedliche Personalschlüssel in den Bundesländern liegt tatsächlich an der unterschiedlichen finanziellen Ausstattung der jeweiligen Pflegekassen. Die Kosten für die Pflegeinrichtungen und die Personalschlüssel werden in den nicht öffentlichen Pflegesatzverhandlungen zwischen den Einrichtungen und den Kassen verhandelt. Im "Pflegestärkungsgesetz II" wurde beschlossen, bis zum Jahr 2020 eine wissenschaftliche Grundlage für einen bundesweit einheitlichen Personalschlüssel zu schaffen, der dann beschlossen werden soll.

Wir meinen, dass das viel zu spät ist. DIE LINKE hat daher den Antrag „Gute Arbeit in der Pflege – Personalbemessung in der Altenpflege einführen“ (Drucksache 18/9122 vom 7.7.2016) in den Bundestag eingebracht und fordert darin u.a. mehr Personal und einen verbindlichen Personalschlüssel schon zum Beginn des Jahres 2017. Für alle Menschen mit Pflegebedarf muss es eine angemessene und wohnortnahe Versorgung geben. Altenpflege muss sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und ihnen eine Teilhabe am Leben und eine größtmögliche Selbstständigkeit ermöglicht. Dazu gehören auch Einrichtungen, die eine Bewegungsfreiheit für Menschen mit Demenz ermöglichen, ohne sie einzusperren.

Die von Ihnen geschilderte Situation zeigt uns, wie wichtig unsere Forderungen weiterhin sind.
Ich kann nicht beurteilen, was Sie schon alles versucht haben, um Hilfe zu finden. Vielleicht hilft Ihnen der Hinweis, eine konkrete Beratung für die Unterbringung Ihrer Mutter im Schweriner Pflegestützpunkt ( http://www.deutsches-seniorenportal.de/pflegestuetzpunkt/pflegestuetzpunkt-schwerin-am-packhof-2-6-19053-schwerin ) in Anspruch zu nehmen.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Mutter alles Gute und hoffe, dass Sie einen geeigneten Ort finden, an dem Sie sich beide wohlfühlen.

Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch

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