Frage an Dietmar Bartsch von Thomas W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Herr Dr. Bartsch,
sie setzen sich vorbildlich für den Mindestlohn in Deutschland ein, aber bezüglich der sklavenhalterischen Arbeitsverhältnisse zu den Fußballweltmeisterschaften in Katar habe ich noch keinen Boykottaufruf ihrerseits vernommen. Der DFB und der DGB wollen nun die Fifa und Katar zur Einhaltung der internationalen Mindeststandards der ILO auffordern. Wo bleibt die Linkspartei? Warum hat sie nicht schon längst die Initiative ergriffen? Aber die Fußballweltmeisterschaft liefert ja nur einen bedingt medienwirksamen Protest angesichts der Mindeststandards für die weltweite Arbeiterschaft. Wird die Linkspartei über den DFB/DGB- Momentanprotest sich auch für die internationale Einhaltung der Mindeststandards der ILO und des Internationalen Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) einsetzen? Wie beurteilen sie diese Mindeststandards? Sind sie ausreichend oder sollten sie verbessert werden? Sind die Gewerkschaften international oder der DGB überhaupt daran interessiert?
Inwieweit vertritt die Linkspartei die Interessen der internationalen Arbeiterschaft angesichts der Globalisierung und mit welchen internationalen Partnern?
Grüsse
Thomas Wagner
Sehr geehrter Herr Wagner,
danke für Ihre Fragen. DIE LINKE hat die von Ihnen angeprangerten Missstände wiederholt kritisiert und Änderungen gefordert.
Meine Partei stellt sich in Deutschland und international gegen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse und für die Einhaltung der universellen Menschenrechte, inklusive der ILO-Kernarbeitsnormen. Nicht nur in Katar, auch bei weiteren Sportgroßereignissen wie der Fußball-WM in Südafrika oder in Brasilien wurden massive Menschenrechtsverletzungen beobachtet und kritisiert. In Südafrika und in Rio de Janeiro wurden für die Stadien und Unterkünfte der Sportlerinnen und Sportler Tausende Menschen vertrieben. Daher haben sich Abgeordnete der Linksfraktion sowohl bereits an den FIFA-Präsidenten Herrn Blatter gewandt als auch öffentlich gegen diese Menschenrechtsverletzungen ausgesprochen. Die LINKE fordert, dass bei allen Aktivitäten, die mit der Austragung von sportlichen Großereignissen verbunden sind, ökologische und soziale Mindeststandards eingehalten und durch ein unabhängiges Kontrollgremium überwacht werden müssen. Auch eine Kostenobergrenze von Sportspielen für die Gastgerberländer sollte definiert werden.
Die Arbeitsrechte werden weltweit durch die reine Profitorientierung von Unternehmen untergraben. Diese werden dabei von vielen Regierungen unterstützt, so auch von Deutschland. Bilaterale Freihandelsabkommen begünstigen auch den Abbau von sozialen Rechten. In dem aktuell verhandelten Freihandelsabkommen zwischen der EU und USA (TTIP) besteht die Gefahr, dass die Kernarbeitsnormen auch für die EU ausgehebelt werden. Die USA haben nur zwei der acht Kernarbeitsnormen ratifiziert. Die LINKE wendet sich gegen die globale Senkung von Sozialstandards und Lohndumping durch Freihandelsabkommen und streitet für eine rechtliche verbindliche Unternehmensverantwortung (siehe auch:http://dokumente.linksfraktion.net/download/110906-unternehmen-menschenrechte-gesamt.pdf).
Aus unserer Sicht sind Boykotte von Sportveranstaltungen abzulehnen, da diese in erster Linie dem Sport und den Sportlerinnen und Sportlern schaden. Diese bereiten sich oft jahrelang vor und das Zeitfenster für die Teilnahme an Olympischen und Paralympischen Spielen ist meist sehr klein. Sie würden durch einen Boykott für Versäumnisse auf anderen Ebenen bestraft werden. Heute besteht eine nahezu einhellige Auffassung, dass die großen Boykotte der Olympischen Spiele von Moskau 1980 und Los Angeles 1984 falsch waren.
Wir setzen uns für die Festlegung von Vergabekriterien ein, die transparent und nachvollziehbar sind.
Dieser Kriterienkatalog sollte enthalten:
- ökologische und soziale Kriterien, auch die Menschenrechtslage muss berücksichtigt werden,
- Mindeststandards einzuhalten, die auch öffentlich dokumentiert und überprüfbar sind
- Teil dieser Kriterien können auch die Arbeitsbedingungen beim Bau der sportlichen Infrastruktur sein.
Ein solcher Kriterienkatalog soll Länder, die noch nicht alle Kriterien einhalten, animieren, die Situation zu verändern, um als Gastgeber eines großen Sportereignisses in Betracht gezogen zu werden. Auch die Abstimmungsmodalitäten der Sportorganisationen müssen transparent und nachvollziehbar sein, denn selbst der beste Kriterienkatalog wäre wirkungslos, wenn seine Beachtung nicht überprüfbar wäre.
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch