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Diether Dehm
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Frage von Nikolaus de W. •

Frage an Diether Dehm von Nikolaus de W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Dehm,
Sie schreiben, die Menschenrechtslage sei in Kuba besser als in 90 Prozent der Staaten der Dritten Welt? Betrachten Sie Kuba also nach fast 50 Jahren kommunistischer Herrschaft immer noch als Dritte-Welt-Staat? Und: Woher entnehmen Sie diese Zahl von 90 Prozent?
Im Vergleich mit welchen Ländern ist die Beteiligung der Kubanerinnen und Kubaner an der Diskussion und Regelung öffentlicher Angelegenheiten überdurchschnittlich hoch? Wie kann eine Diskussion aussehen, wenn Oppositionelle Gefahr laufen, wie Tausende andere als politische Gefangene im Gefängnis zu landen?

Mit freundlichen Grüßen
Niko de Wendt

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr de Wendt,

vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich gerne aufgreife. Gerne möchte ich Ihnen zugestehen, dass die pauschale Nennung einer Prozentzahl bei der Einschätzung der Menschenrechtslage in den verschiedenen Staaten und politischen Systemen nicht optimal war. DIE LINKE hat seit ihrem Bestehen deutlich aufgezeigt, dass sie soziale und bürgerliche Menschenrechte als gleichberechtigt ansieht. Beide müssen in einem Staat umgesetzt und für alle Menschen gewährt werden. Wenn Sie universale Menschenrechte als unteilbar begreifen und sich die sozialen und bürgerlichen Menschenrechte auf Kuba im Vergleich zu anderen Staaten anschauen, werden Sie zu dem Ergebnis kommen, dass Kuba seinen Bürgerinnen und Bürgern eine herausgehobene Menschenrechtssituation bietet. Im Bereich der sozialen Menschenrechte bietet Kuba für ein Land im Trikont eine in vielen Ländern der Welt als vorbildlich und nachahmenswert empfundene Sicherheit für alle Menschen, die auf Kuba leben. Egalität und soziale Absicherung werden im Rahmen der Möglichkeiten eines armen Landes hervorragend umgesetzt.

Natürlich ist Kuba auch heute noch ein armes Land. Dies hat auf der einen Seite mit der seit 1960 völkerrechtswidrigen Blockade Kubas durch die Machthaber der USA zu tun. Seit 1992 verurteilt die Vollversammlung der Vereinten Nationen mit übergroßer Mehrheit das Embargo gegen Kuba. Im Oktober 2007 war die Mehrheit gegen das Embargo durch die USA in dieser Frage riesig: 184 Staaten stimmten der Resolution zu, die die Aufhebung des Embargos verlangt. Die USA fanden lediglich drei Verbündete. Ich finde es richtig, dass die Bundesregierung nicht dazu gehörte und dass Deutschland seit einigen Jahren im großen Lager derer zu finden ist, die das Embargo ablehnen.

Die kubanische Bevölkerung erfährt durch die US-Sanktionen große Einschränkungen. Durch das Embargo der USA werden alle sozialen und wirtschaftlichen Bereiche der kubanischen Gesellschaft bewusst geschädigt. Der Warenaustausch mit den USA wird fast vollständig unterbunden, der mit anderen Staaten wird behindert – teilweise durch geradezu absurde bis lächerliche Regelungen – ebenso Kreditgeschäfte, ausländische Investitionen und damit die Weiterentwicklung bedeutender Wirtschaftszweige wie des Tourismus. Die kubanische Regierung beziffert den Schaden, der ihrem Land seit der Inkraftsetzung der Sanktionen im Jahr 1960 entstanden ist, auf über 80 Mrd. US-Dollar.

Selbstverständlich gibt es auf Kuba Defizite. Gemeinsam mit meinen kubanischen Freunden diskutieren wir seit vielen Jahren über Möglichkeiten, die demokratische Teilhabe für alle Kubanerinnen und Kubaner auszubauen. Dabei wurde auf Kuba viel erreicht. In wenigen Staaten der Welt bewerben sich so viele Menschen um ein Parlamentsmandat wie auf Kuba. Bis auf Kuba in einem langen Diskussionsprozess die Wahlliste aufgestellt wurde, sind bei der letzten Wahl fast 10 000 Menschen für ein Mandat vorgeschlagen worden. Diese haben sich in ihren Regionen vorgestellt und wurden in einer "Vorwahl" nominiert. Einwände, dass dies undemokratisch sei, können selbstverständlich erörtert werden. Gleichzeitig bitte ich Sie jedoch auch zu berücksichtigen, dass ein Land wie die USA, in dem die Chancen, im Rahmen der Vorwahlen nominiert zu werden, vor allem auch von den eifrigen Spenden für die Kandidierenden abhängen, sicherlich auch nicht die höchste Form von Demokratie darstellt.

Auch bitte ich auch um Ihr Verständnis dafür, dass ein Staat und eine Regierung, die von einer mächtigen Regierung wie der der USA seit über 50 Jahren bedroht werden, manche Entscheidung trifft, die aus unserer Perspektive schwierig erscheint.

In Solidarität und gegenseitiger Achtung werde ich weiterhin mit unseren Freunden aus Kuba diskutieren - möchte Ihnen aber auch versichern, dass ich mich für die Erhaltung des Sozialismus auf Kuba aktiv einbringen werde und den Menschen auf Kuba wünsche, dass sie weiterhin selbstbestimmt und ohne äußere Einmischung ihren Weg gehen können.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Diether Dehm