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Frage von Volker S. •

Frage an Diether Dehm von Volker S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Dr. Dehm,

das zwischen der EU und Kanada geplante Freihandelsabkommen Ceta soll in Kraft treten, ohne daß der Deutsche Bundestag darüber abstimmt.

http://www.taz.de/!5288286/

Wie beurteilen Sie diesen Sachverhalt?

Wie könnte sich das auf die Bürgerverdrossenheit und das Anwachsen der Erfolge nationalkonservativer eurokritischer Politikangebote auswirken?

Mit freundlichen Grüßen
Volker H. Schendel – Ministerialrat a.D.
Isernhagen

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schendel,

wie Sie sicherlich wissen, lehnt die Fraktion DIE LINKE im Bundestag Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP ab, da diese Abkommen einseitig zugunsten von Banken und Großkonzernen und auf Kosten der breiten Bevölkerung gehen. Zudem werden mit Institutionen, wie privaten Schiedsgerichten (der z.Z. vorgeschlagene Internationale Schiedsgerichtshof ändert am Grundproblem der Klagen von Unternehmen gegen Staaten übrigens nichts) oder der Regulatorischen Kooperation demokratisch gewählte Parlamente und damit ein Grundpfeiler der Demokratie ausgehebelt.

Letztgenannter Aspekt betrifft auch Ihre Frage. Die EU-Kommission will offensichtlich das CETA-Abkommen ohne die Zustimmung der nationalen Parlamente einführen. Unklar ist, ob die EU CETA überhaupt als gemischtes Abkommen betrachtet, das auch Themen behandelt, die im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten liegen - nur dann würden überhaupt die nationalen Parlamente beteiligt werden. Die EU ist aber „auf Nummer sicher“ gegangen: Durch einen Beschluss des Rates zur vorläufigen Anwendung soll selbst der umstrittene Investorenschutz in Kraft treten bevor nationale Parlamente darüber abstimmen konnten.

Meine Fraktion vertritt die Position, dass die Bundesregierung CETA ablehnen und sich vor allem einer vorläufigen Anwendung widersetzen muss. Eine solche würde die Mitwirkungsmöglichkeiten nicht nur des Bundestages und Bundesrates faktisch aushebeln, sondern durch die Ausschaltung nationaler Parlamente die Demokratie außer Kraft setzen.

Der EU-Ministerrat wird CETA voraussichtlich im Oktober 2016 verabschieden. CETA und TTIP sind keine Handelsabkommen wie alle anderen. Millionen von Bürgern, eine Vielzahl von Organisationen und Verbänden haben sich gegen TTIP und CETA ausgesprochen und erwarten eine demokratische Mitwirkungsmöglichkeit der nationalen Abgeordneten. Wenn zu geheimen Mauscheleien bei diesen Abkommen auch noch Ausschaltung nationaler Parlamente kommt, braucht man sich nicht wundern, dass sich die Bürger Europas von dieser EU abwenden.

Deshalb fordern wir, dass über CETA und über TTIP von allen nationalen Parlamenten in der EU abgestimmt werden muss. Die Fraktion DIE LINKE wird gegen diese Abkommen stimmen. Eine EU, die ihre Bürgerinnen und Bürger übergeht und Abkommen vereinbart, die nur der vermögenden Klasse dienen, braucht sich nicht wundern, wenn diese zunehmend kritisch betrachtet wird.

Das gleiche gilt auch für die Bundesregierung und die sie stützenden Fraktionen von CDU/CSU und SPD. Sie werben fleißig für CETA und TTIP und verunglimpfen diejenigen, die ihre demokratischen Rechte, Umwelt- und Verbraucherstandards etc. gefährdet sehen auch noch als „hysterisch“ (Sigmar Gabriel im Januar 2015 beim Weltwirtschaftsforum).

Ein Anwachsen „nationalkonservativer eurokritischer Politikangebote“, wie sie es formulieren, ist folglich zumindest erklärbar. Wobei man sich auch vor Augen halten sollte, dass die bei den letzten Landtagswahlen so erfolgreiche AfD keinesfalls die o.g. Probleme (Bedienung der Eliteninteressen bei Vernachlässigung der breiten Bevölkerung) lösen wird und auch gar nicht will. Sie ist nämlich eine Elitenpartei. Sie stellt keine Alternative zur Politik der sozialen Ungleichheit dar. Sie fordert eine Obergrenze für den Spitzensteuersatz auf heutigem Stand. Die Mehrwertsteuer, die alle zahlen müssen, soll dagegen nicht mehr sinken dürfen. Die Erbschaftssteuer soll abgeschafft werden, öffentliche Daseinsvorsorge soll weiter privatisiert werden (dann können Großkonzerne in bisher unerreichbaren Gebieten Profite auf Kosten der Allgemeinheit abschöpfen), während auf der anderen Seite Alleinerziehende keine Unterstützung bekommen sollen, die Arbeitslosenversicherung privatisiert und der Mindestlohn abgeschafft werden soll. Das, und in diese Richtung gibt es noch viel mehr, sind alles Forderungen, die den Weg von Schröders Agenda 2010 und Schäubles unsozialem Sparkurs einfach noch ein Stück weiter gehen. Alles andere als eine Alternative also.

Meine Fraktion ist kritisch gegenüber der aktuellen Verfasstheit der Europäischen Union. Doch die Lösung kann nicht im Nationalkonservatismus liegen. Ein Neustart der EU ist notwendig. Demokratie und nationalstaatliche Souveränität dürfen nicht finanzmarktkonform modelliert werden. DIE LINKE tritt für eine von den Bürgerinnen und Bürgern mitgestaltete europäische Verfassung ein, die Krieg ächtet, ein starkes Europäisches Parlament hat und direkte Partizipation ermöglicht, den sozialen Fortschritt und den ökologischen Strukturwandel befördert und die Finanzmärkte streng reguliert. Über diese Verfassung soll zeitgleich in allen EU-Mitgliedstaaten abgestimmt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Diether Dehm