Frage an Diether Dehm von Jörg L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Dehme,
Ist es nicht an der Zeit, auch wegen der ständigen Schuldenzuwächse in Europa (vor allem auch in den Kommunen) und zunehmender Arbeitslosikeit, Befristungen und Armut endlich das Thema Steueroasen in Europa anzugehen ?
Während die durchscnittliche BürgerIn in Europa mit immer weniger auskommen soll, wächst Jahr für Jahr der "Billionen Euro-Turm" in den Steueroasen.
Muss man nicht endlich aus demokratischen Gründen auch das Thema Schulden mit dem Thema Steueroasen und volkswirtschaftliche Prospirität verbinden ?
Bedarf es nicht endlich neue Regeln für Finanzspekulationen, die den BürgerInnen in Europa zugute kommen und die BürgerInnen dies auch in der Realität auch spüren ?
Für Ihre Antwort vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg L.
Sehr geehrter Herr Lindholz,
nicht nur an der Zeit, sondern schon weit über die Zeit! Dieses im Grunde genommen asoziale Gebaren kritisiert meine Fraktion schon lange und erhebt dementsprechende Forderungen. Steuerhinterziehung bzw. versteckte Vermögen in Steueroasen auf der einen und Staatsverschuldung auf der anderen sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Probleme, die Sie ansprechen zeigen doch auch deutlich auf, zu wessen Gunsten der EU-Integrationsprozess gestaltet wurde: Großkonzerne, Banken und Wohlhabende. Diese werden kaum dabei gestört, wenn sie illegal ihren Beitrag an der Solidargemeinschaft verweigern (Steuerhinterziehung) und sie bekommen völlig legal die Möglichkeit der sogenannten "Steueroptimierung". Letzteres meint die kreative Steuergestaltung von Konzernen, die ihre Gewinne durch interne Scheingeschäfte mittels Tochterfirmen in Niedrigsteuerstaaten, wie Irland oder Luxemburg (hier durch tatkräftige Unterstützung des ehemaligen Premierministers von Luxemburg und heutigen Kommissions-Präsidenten Jean-Claude Juncker), ausweisen. Die Mehrheit der Bevölkerung, die bevor sie ihren Lohn bekommt, bereits die Steuern vom Finanzamt abgezogen bekommt, muss sich stattdessen in einem Niedriglohnwettbewerb zurechtfinden, in dem sich Arbeiterinnen und Arbeiter aus den verschieden EU-Ländern unterbieten, während gleichzeitig die öffentliche Daseinsvorsorge als Wettbewerbsnachteil diskreditiert und der Sozialstaat abgebaut wird.
Die Versuche aller bisherigen Bundesregierungen, die Steuerflucht zu bekämpfen, gingen völlig ins Leere, da sie halbherzig und nicht ernst gemeint waren. In den letzten Jahren wurden in den meisten europäischen Ländern Steuern auf Kapitalerträge (Dank Rot-Grün wird in Deutschland seit 2009 Arbeit höher besteuert als hohe Kapitalerträge. Damals wurde die Abgeltungssteuer mit einem pauschalen Satz von 25 % für Kapitaleinkommen eingeführt. Empörend!.), Erbschaften und Vermögen gesenkt, mit dem Ziel, Steuerflucht zu vermeiden. Schon diese Logik lehne ich ab. Die Politik ist doch dazu da, einen entsprechenden Ordnungsrahmen zu setzen und nicht dafür, auf die Knie zu fallen vor dem Kapital und darum zu betteln, ob man denn nicht vielleicht doch geneigt sei, einen winzig kleinen Beitrag zum Erhalt des Gemeinwesens - von dem solche Konzerne ja auch noch über die Maßen profitieren (bspw. Infrastruktur und gut ausgebildete Arbeiter) - beizusteuern. Hinzu kommt, dass diese Maßnahmen - erwartungsgemäß - überhaupt keinen Effekt auf die Steuerflucht entfalten konnten. Das Ergebnis waren stattdessen doppelte Steuerverluste: Zum einen durch Steuerflucht und zum anderen die durch die Steuersenkungen verursachten geringeren ordnungsgemäßen Steuereinnahmen. Die Folge war und ist, dass immer mehr "Konsolidierungsmaßnahmen" (auch so ein unerträglicher Euphemismus für Kaputtsparen) ergriffen wurden und werden, die aber natürlich nur die arbeitende Bevölkerung betreffen. Steuerhinterzieher entziehen sich währenddessen ihrem adäquaten Finanzierungsbeitrag für die auch von ihnen genutzten öffentlichen Leistungen und sabotieren die Bereitstellung öffentlicher Angebote durch den Staat (Bildung, soziale Absicherung, Umverteilung etc.), also die Unterstützung Benachteiligter.
Ein ernstgemeinter und effektiver Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steueroptimierung ist notwendig, weil er es erlaubt, die Steuern für die überwiegende Mehrheit der Steuerzahler zu senken und die öffentlichen Finanzen wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Die konkreten Maßnahmen, die unsere Fraktion DIE LINKE vorschlägt, finden Sie hier: http://www.linksfraktion.de/themen/steuerhinterziehung-internationale/
Alles in allem gilt es festzuhalten, dass die Entwicklung in der EU seit der Euro-Einführung keinesfalls überraschend kommt. Die Bevorteilung von Exportunternehmen, Banken etc. und der verschärfte Wettbewerb für die arbeitende Bevölkerung waren absehbar, u.a. für unseren Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi, der bereits 1998, vor der Abstimmung über die Euro-Einführung im Deutschen Bundestag, vor dieser Entwicklung gewarnt hat: https://www.youtube.com/watch?v=x1ef0BBtuYA
Mit freundlichen Grüßen
Diether Dehm