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Diether Dehm
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Frage von Alexander N. •

Frage an Diether Dehm von Alexander N. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Herr Dehm,

die Fraktion Die Linke spricht sich trotz des massiven Fehlverhaltens des Putin-Regimes gegen alle Sanktionen gegen Russland oder bestimmte Funktionäre in Russland und der Ukraine aus.

Wie bewerten Sie die beschlossenen Sanktionen der EU?
Wie bewerten Sie die beschlossenen Sanktionen der USA?
Was halten Sie grundsätzlich davon, Entscheidungsträger*innen persönlich durch Konten- und Visasperren zu sanktionieren?
Wäre es in Ihren Augen eine sinnvolle Sanktion, alle Waffenlieferungen an Russland zu stoppen und weitere zu verbieten?

Mit freundlichen Grüßen,
Alexander Nabert

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Nabert,

auf die von Ihnen gestellten Fragen ist unser Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi gestern in seiner Rede eingegangen, dessen Ausführungen ich mich nur anschließen kann. Daher im Folgenden Auszüge aus seiner Rede:

"Nun sagen Sie: Man muss Sanktionen beschließen; denn wenn man keine Sanktionen beschlösse, dann bedeutete das, eine Völkerrechtsverletzung einfach hinzunehmen. Wirklich?
Ich erinnere Sie an ein Beispiel: 1974 besetzten türkische Truppen den Nordteil Zyperns. Das war eindeutig und unbestritten völkerrechtswidrig. Sie haben damals nicht eine einzige Sanktion gegen die Türkei beschlossen. Warum nicht? Nur weil die Türkei im Gegensatz zu Russland in der NATO ist? Warum setzen Sie immer diese unterschiedlichen Maßstäbe? Warum können wir nicht mal einheitliche Maßstäbe setzen und anwenden?
Übrigens: Zypern ist bis heute geteilt.
Ich sage auch: Sanktionen sind keine Politik, sondern ein Ersatz dafür. Die USA drängen aber auf Sanktionen, weil die Antwort Russlands, die darauf erfolgen kann, nicht die USA, sondern die Europäerinnen und Europäer und insbesondere die Deutschen treffen würde. Frau Merkel, Sie sind hier wieder das, was Sie bei der US-Regierung immer sind: Sie sind hörig gegenüber der US-Regierung.
Das sind dieselbe Hörigkeit und dasselbe Duckmäusertum wie bei den millionenfachen Abhöraktionen der NSA in Deutschland. Sie tun nichts dagegen.
Es kommt noch etwas hinzu: Die USA planen jetzt neue Atomwaffen in Deutschland, Herr Kauder. Wir brauchen aber weder die alten noch neue Atomwaffen.
Ich sage Ihnen eines: Wenn je von Deutschland aus eine Atomwaffe von den USA gestartet wird, dann trifft die Antwort uns und nicht die USA. Der Höhepunkt dabei ist: Wir sollen uns auch noch mit 20 Prozent an den Kosten beteiligen. Das sind 30 Millionen Euro. Ich frage Sie wirklich, Frau Bundeskanzlerin, Herr Steinmeier und Herr Schäuble: Wollen Sie ernsthaft für neue Atombomben der USA in Deutschland auch noch 30 Millionen Euro bezahlen? Die brauchen wir wirklich dringender für ganz andere Zwecke.
Als Sanktionen wurden Kontensperrungen, Einreiseverbote und das Aussetzen der Verhandlungen über Visaerleichterungen und über wirtschaftliche Zusammenarbeit angesprochen. Außerdem soll Russland vom kommenden G-8-Gipfel ausgeladen werden; das wird also ein G-7-Gipfel. Daneben wurden weitere politische Maßnahmen und Wirtschaftssanktionen diskutiert.
Der Bundeswirtschaftsminister hat nun den Export von Rüstungsgütern nach Russland verboten. Dazu - das ist die Ausnahme - sagen wir: Das ist richtig. Das hat aber nichts mit den Sanktionen zu tun, sondern damit, dass Rüstungsexporte unserer Meinung nach generell eingestellt und verboten werden müssen.
Dieses Verbot wird die russische Armee allerdings nicht sehr beeindrucken.
Ich frage Sie schon jetzt: Wie wollen Sie wieder raus aus den Sanktionen? Wollen Sie sagen, das geschieht, wenn die Krim wieder bei der Ukraine ist? Wenn das nicht geschieht: Wollen Sie sie ewig aufrechterhalten? Ich sehe schon, wie sich das nach einem oder zwei Jahren schleichend wieder auflösen wird.
Ich frage Sie: Gibt es keine andere Chance - auch dafür, auf die Völkerrechtswidrigkeit hinzuweisen? Doch, die gibt es! Wir müssten umgekehrt herangehen und einmal nicht negativ und nicht in Form von Sanktionen denken. Wir könnten jetzt doch Verhandlungen mit der russischen Regierung aufnehmen und sagen: Okay, die EU und die NATO haben auch Fehler begangen; das stimmt. - Das kann man doch einräumen; das kostet doch nichts und wäre eine Selbstverständlichkeit. Weiterhin könnte man den Russen sagen: Sie haben auch Fehler begangen, und jetzt zeigen wir Ihnen einmal, wie eine Perspektive für gute Beziehungen mit der EU und der NATO aussehen könnte und wie wir auch Ihre Sicherheitsinteressen berücksichtigen könnten.
Ich nenne einmal ein Beispiel, nämlich die Raketen in Polen und Tschechien. Die Russen haben gesagt, das beeinträchtige ihre Sicherheit. Der US-Außenminister hat daraufhin zum russischen Außenminister gesagt: Wieso das? Das hat doch gar nichts mit Russland zu tun. - Dieser hat geantwortet: Würden Sie es akzeptieren, wenn wir Raketen in Mexiko aufstellten und sagten, das habe nichts mit den USA zu tun? - Natürlich nicht!
Ich sage: Wir müssen anders herangehen, nämlich eine Perspektive aufzeigen und dann sagen: Das knüpfen wir aber an die Bedingung, dass diese Art von Politik aufhört. Sie dürfen jetzt nicht lauter russische Inseln suchen und meinen, sie Russland wieder einverleiben zu können. - Das wäre doch eine Perspektive. Gehen Sie doch einmal positiv und nicht nur negativ an die Sache heran, damit wir endlich ein Europa nicht gegen und ohne Russland, sondern mit Russland bekommen; denn sonst wird es auch mit unserer Sicherheit nichts."

Mit freundlichen Grüßen
Diether Dehm