Frage an Dieter Steinecke von Tobias C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Steinecke,
Am 18.06.2009 haben Sie für die Internetsperre gestimmt. Haben Sie sich zuvor mit der Thematik entsprechend beschäftigt und verstanden, wie die Sperren umgesetzt werden sollen, oder folgen Sie hier blind anderen Politikern Ihrer Partei?
Ist Ihnen bewusst, dass die Zensurliste nur von der Polizei erstellt, kontrolliert und gepflegt wird? Ist Ihnen bewusst, dass es keine Kontrollinstanz zu dieser Liste gibt?
Wie will die Politik verhindern, dass wie z.B. in anderen Ländern auch Zensurkritische Seiten trotz des Rechtes zur freien Meinungsäußerung gesperrt werden? Warum wird alle Kritik von Internetnutzern und sogar Missbrauchsopfern ignoriert?
Da sie sich sicherlich ausreichend mit der Thematik auseinandergesetzt haben, bevor Sie einer so schwerwiegenden Entscheidung zustimmen, können Sie mir sicherlich die oben genannten Fragen beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Clausing
Sehr geehrter Herr Clausing,
über Eines sind wir uns sicher mit mehr als 99 Prozent der Menschen einig: Dem Handel mit Kinderpornographie muss ein Riegel vorgeschoben werden, die Drahtzieher und Profiteure gehören hinter Gitter, die Verbreitung derlei widerlicher Dinge, hinter denen unsägliche Verbrechen an Kindern stehen, muss so weit wie möglich unterbunden werden.
Sicherlich ist die Sperrung von Internetangeboten kein Allheilmittel -- so naiv bin ich keineswegs. Doch ich meine, dass im Interesse der Kinder alles unternommen werden muss, um sie vor Missbrauch zu schützen. Der Plan, den Zugang zu einschlägigen Internetseiten zu sperren, hat intensive Diskussionen ausgelöst. Wie Sie befürchteten zahlreiche Internetnutzer, dass auf diesem Wege ein Instrument geschaffen werde, das auch gegen andere missliebige Inhalte und deren Nutzer angewandt werden könne. Das Wort von "staatlicher Zensur" machte die Runde.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat diese Bedenken nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern sie ernsthaft diskutiert und nach langen und intensiven Gesprächen auch mit Kritikern des zu beschließenden Gesetzes Änderungen am Entwurf erarbeitet und in Verhandlungen mit dem Koalitionspartner durchgesetzt. Ich möchte vier Kernpunkte nennen:
1. Die Aufnahme in die Sperrliste des BKA erfolgt nur, wenn andere zulässige Maßnahmen keinen Erfolg haben.
2. Beim Datenschutzbeauftragten des Bundes wird ein unabhängiges Gremium bestellt. Dieses kontrolliert die BKA-Liste regelmäßig und kann sie jederzeit einsehen und korrigieren. Es wird verankert, dass gegen die Aufnahme in die Sperrliste der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.
3. Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.
4. Zur eindeutigen Klarstellung, dass keine Sperrung von anderen Inhalten als Kinderpornos ermöglicht wird, werden die wesentlichen Regelungen in einem eigenständigen Gesetz und nicht im Telemediengesetz verankert. Zudem tritt das Gesetz automatisch zum 31. Dezember 2012 außer Kraft. So muss der Gesetzgeber zwingend die Erfahrungen auswerten, ehe eine dauerhafte Regelung geschaffen wird. Ich bin der Auffassung, dass diese Punkte die von ihnen mehr oder weniger direkt dargelegten Kritik entkräften kann. Ich möchte hinzufügen, dass ich die Meinungs- und Informationsfreiheit als elementares Grundrecht achte, welches ich als Abgeordneter wie als Privatmann nicht in unzulässiger Weise zu beschneiden gedenke.
Mit freundlichem Gruß,
Dieter Steinecke, MdB